Robert Grunenberg: Identität und Transformation – Zur Konzeption von Raum in Robert Musils Die Amsel

Dass die Dimensionen des Raums und der Zeit für das Handeln und die Entfaltung der Persönlichkeit eine zentrale Rolle spielen, wird in Robert Musils Die Amsel bereits zu Beginn der Erzählung auf programmatische Weise festgestellt, indem der Protagonist Azwei verkündet, dass „die menschliche Freiheit hauptsächlich darin liegt, wo und wann man etwas tut“ [1]. Ausgehend von diesem Hintergrund wird im vorliegenden Beitrag der wechselseitige Zusammenhang zwischen ‚erzähltem Raum‘ und ‚erzählter Handlung‘ in Robert Musils Erzählung Die Amsel untersucht.

Musils Amsel enthält eine ganze Reihe von Textstellen, die sich explizit und implizit mit dem Phänomen der ‚Räumlichkeit‘ auseinandersetzen. Nicht nur deren sprachlich stilisierte Ausdrucksart, sondern deren prägnante Kontextualisierung im Verlauf der Geschichte machen eine tiefergehende Auseinandersetzung mit diesen Textstellen reizvoll. Im Mittelpunkt der Analyse stehen solche Passagen, die konkret und im weiteren Sinne Raumerfahrung thematisieren. Von diesem Gesichtspunkt aus wird besonders der Aspekt der Raumdurchdringung und der Überschreitung von Raumgrenzen hervorgehoben werden. Hierbei bietet es sich an, nicht nur den Wechsel von Raumansichten zu behandeln, sondern auch den Wandel und die Prozesshaftigkeit von gegenständlichen Formen zu untersuchen. Es gilt im Detail zu prüfen, ob sich paradigmatische Raummotive aufzeigen lassen, denen eine besondere erzähltechnische Funktion und Semantik zugeteilt werden kann und die so zu einem erweiterten Verständnis der Lektüre beitragen können.

Das zentrale Anliegen der Arbeit ist es, jene oben erwähnten Passagen, die von räumlichen Transformationsmodi handeln, unter dem Gesichtspunkt der narrativen Progression und der Figurenkonzeption in der ‚histoire‘[2] zu analysieren. Es scheint, als ob diese Textstellen narrative Wenden einleiten und so eine fortschreitende erzählerische Bewegung auf der syntagmatischen Ebene des Textes begünstigen. Ihnen allen ist eine ausdrucksstarke Bildsprache gemein, die besonders durch die Verwendung von räumlichen Stilisierungen in binären Strukturen gekennzeichnet ist. Immer wieder werden die narrativen Zustandsveränderungen zwischen räumlichen Oppositionsstrukturen in Form von Grenzüberschreitungen oder Umstülpungen figuralisiert.

Zur Beantwortung und Analyse der oben angesprochenen Problemfelder werden die Begrifflichkeiten und Modelle des estnischen Kultur- und Literaturwissenschaftlers Jurij Lotman herangezogen. Die Literaturlage zum Thema der ‚Räumlichkeit‘ in den Geisteswissenschaften ist sehr umfangreich. Hingegen gibt es nur wenige Werke im Bereich der erzähltheoretischen Forschung, die sich systematisch mit dem Begriff des ‚Raumes‘ und dessen erzähltheoretischen Implikationen auseinandersetzen. Als Einleitung zum Analyseteil wird ein kurzer historischer und systematischer Überblick dargelegt, der neben einer allgemeinen Bemerkung zum Begriff des ‚Raumes‘ in den Geisteswissenschaften auch die wichtigsten Punkte des derzeitigen Forschungsstands zur ‚Narratologie und Semantik des Raums‘ berücksichtigt.

1. Bemerkungen zur Raumtheorie

Spätestens seit der Verkündung des ‚spatial turn‘[3] in den 1980er Jahren ist der ‚Raum‘ zu einem eigenständigen, wenngleich interdisziplinär ausgerichteten Untersuchungsfeld im geistes- und kulturwissenschaftlichen Diskurs geworden. Während der Ausgangspunkt dieser ‚Wende‘ bei Fächern wie der Geografie und der Soziologie zu finden ist, so hat sich inzwischen gerade in den Geistes- und Kulturwissenschaften ein ausgeprägtes Interesse am Phänomen ‚Raum‘ ausgebildet.[4] Alle akademischen Disziplinen sehen sich aber im Kontext des Raumdiskurses dem gleichen Dilemma gegenübergestellt, das sich aus dem Versuch ergibt, Räumlichkeit einerseits sprachlich zu begreifen und andererseits theoretisch zu reflektieren. Dass es hierbei zu Wechselwirkungen zwischen Sprache und Theoriebildung kommt, bekräftigte bereits Fritz Mauthner, in dem er zugespitzt formulierte, dass unsere Vorstellung von Raum nur eine besondere Art der Sprache sei.[5] Ein Blick auf die Begriffsgeschichte von Raum macht deutlich, dass Mauthners vage Behauptung eine nachweisbare Grundlage hat. Denn die Verwendung des Begriffs ‚Raum‘[6] in seiner gegenwärtigen Bedeutung etablierte sich zeitgleich zur neuzeitlichen Theoretisierung des Raumes, die ihren Ausgangspunkt im 17. Jahrhundert bei René Descartes[7] nimmt.[8] Als ein einflussreicher Verdienst für die neuzeitliche Raumphilosophie gilt Descartes Unterteilung des Raumes in eine äußere, materielle Welt (‚res extensa‘) und eine innere Welt der Vorstellung (‚res cogitans‘). Außerdem grenzt Descartes die Begriffe ‚Raum‘ und ‚Ort‘ voneinander ab. Orte sind für Descartes räumliche Zustände, die durch Bewegung geschaffen werden. Er bemerkt ferner: „Bewegung ist nichts anderes als das Ereignis, durch das ein Körper aus dem einem Ort in einen anderen übergeht.“[9] Ein Ort ist also ein durch einen Gegenstand eingenommener etablierter Bereich im Raum. Diese Vorstellung teilt auch Isaac Newton. Er gliedert den ‚physikalischen Raum‘ in einen ‚relativen Raum‘, der einen lokalen Standpunkt repräsentiert, und einen ‚absoluten Raum‘, der die Gesamtheit aller möglichen Standpunkte und Perspektiven angibt.[10]

Neben der Unterscheidung zwischen Ort und Raum definierte Newton den ‚physikalischen Raum‘ als ein Vakuum, das sich durch Abstandsmessungen aus drei zueinander senkrechten Richtungen exakt berechnen lasse. Diese eindeutig bestimmbare Definition von Raum lässt sich jedoch nicht auf nicht-naturwissenschaftliche Fächer übertragen. Wie sich bei Musils Amsel zeigen wird, kann die literarische Raumdarstellung auch vom Erleben einer Figur abhängig sein, welche die Dimensionen des Raums nicht ebenbürtig, sondern durch Bevorzugung einer räumlichen Ausrichtung thematisiert. Diese Vorstellung von Raum korreliert wesentlich stärker mit Newtons ‚relativem Raum‘ oder mit der im 20. Jahrhundert entwickelten Relativitätstheorie, welche die Maßverhältnisse des Raums in Abhängigkeit zu der in ihm enthaltenen Materie setzt.[11]

Die physikalischen Experimente halten also Raumdefinitionen bereit, die nicht nur für die (Re-)Konstruktion von realen Räumen, sondern auch von ästhetischfiktiven Räumen konstitutiv sind. Der physikalische Raumbegriff, der durch die geometrischen Dimensionen Länge, Höhe und Breite definiert ist, stellt neben der Zeit eine universelle Rahmenbedingung für die Existenz realer und fiktiver Welten dar, indem er nämlich deren topologische Grenzen festlegt. Die Spezifikation des Ortes als Lokalität – wie sie von Descartes und Newton zuerst beschrieben wurde – verbindet die physikalischen Rahmenbedingungen des Raumes mit der Existenz eines Objektes. Erst das Dasein von materiellen Objekten macht einen Raum konkret erfahrbar. In den Geisteswissenschaften hat dieses Konzept des ‚relativen Raums‘ einflussreich auf die Bereiche der phänomenologischen Philosophie, besonders aber auf die strukturalistische Literatur- und Erzähltheorie gewirkt. Im folgenden Abschnitt soll deshalb knapp umrissen werden, welche Entwicklung der Raumbegriff in der Erzähltheorie erfahren hat.

2. Raumdiskurs in der Literaturwissenschaft und der Erzähltheorie

‚Raum‘ ist neben der Kategorie der ‚Zeit‘, der ‚Figur‘ und dem ‚Ereignis‘ eine Grundkategorie erzähltheoretischer Textanalyse. Trotz der Verbindung und Abhängigkeit aller Kategorien zueinander erfuhr der ‚Raum‘ besonders gegenüber der ‚Zeit‘ im Forschungsfeld der Narratologie bislang eine Vernachlässigung.[11] Aus wissenschaftsgeschichtlicher Perspektive könnte dieser Sachverhalt[12] durch den von Lessing etablierten Disput zwischen den Gattungsmerkmalen der Literatur und der Malerei erklärt werden. In seinem fragmentarisch gebliebenen Werk Laokoon oder über die Grenzen der Malerei und Poesie von 1766 grenzt Lessing die Literatur als zeitliche Kunstform von der Malerei als räumliche Kunstform ab. Er beschreibt die Malerei als eine „sichtbare stehende Handlung, deren verschiedene Teile sich nebeneinander im Raume entwickeln“. Die in der Literatur zeitlich immanenten Erscheinungen bezeichnet er hingegen als „eine sichtbare fortschreitende Handlung, […] deren verschiedene Teile sich nach und nach, in der Folge der Zeit, ereignen“.[14] Diese programmatische Abgrenzung führte zwar zu kontroversen Diskussionen, entfaltete aber trotzdem eine Wirkungsmacht, die bis ins 20. Jahrhundert hineinreichen sollte.[13]

Die Bevorzugung der ‚Zeit‘ in der Erzählforschung lässt sich auch konkret aus der Struktur von Geschichten selbst erklären, deren konstitutive Voraussetzung die zeitliche und kausale Abfolge von Ereignissen ist. Ganz in diesem Sinne ist auch Gérard Genettes Discours du récit von 1972 einzuordnen. Auch er widmet sich in seiner Forschung zur Narratologie vordergründig dem Phänomen ‚Ereignis‘ und den Aspekten seiner Vermittlung durch einen Text.[14] Den ‚Raum‘ als erzähltheoretischen Parameter vernachlässigt er hingegen. Genette vertritt die Auffassung, dass der Raum in einem schriftlichen Erzähltext keine relevante Einflussgröße für die Vermittlung von Geschichte sei, deshalb könne er vernachlässigt werden.[15] Dass aber auch der ‚Raum‘ als Kategorie der erzählten Welt eine zentrale Bedeutung hat, wird bereits daran erkennbar, dass Ereignisse nicht nur zu einem bestimmten Zeitpunkt stattfinden, sondern auch an einem bestimmten Ort.[16]

Das Fehlen einer umfassenden Theorie von ‚Raum‘ in der Narratologie hängt aber sicherlich auch mit der uneindeutigen Definition von ‚Raum‘ zusammen.[17] Der Begriff ‚Raum‘ im erzähltheoretischen Kontext bleibt zunächst zu abstrakt, um dahingehend zu differenzieren, ob eine im Text dargestellte Räumlichkeit in ihrer konkreten Erscheinungsform gemeint ist (z.B. der Schauplatz einer Geschichte) oder aber ob ‚Raum‘ zugleich als Beschreibungskategorie fungiert, die technische oder semantische Struktureinheiten narrativer Texte benennt. Zu den technischen Einheiten zählen solche, die durch konkrete narratologische Elemente wie z.B. ‚Erzählebenen‘ erzeugt werden. Wohingegen mit den semantischen Einheiten solche gemeint sind, die im übertragenen Sinne Bedeutungsräume z.B. durch ‚Gesetze‘ eröffnen.

Um den Gegenstands- und Funktionsbereich des ‚Raums‘ näher einzugrenzen, unterschied Robert Petsch Mitte des 20. Jahrhunderts zwischen dem Begriff ‚Lokal‘ und ‚Raum‘, wobei er mit ‚Lokal‘ die konkrete nachweisbare Örtlichkeit und mit ‚Raum‘ eine allgemeine Einheit der semantischen Struktur eines Erzähltextes meinte.[18] Mit dieser Differenzierung zeichnet sich eine erste Systematisierung des literarischen Raumbegriffs ab, die bereits an Unterscheidungsmerkmale erinnert, wie sie in der Folge von Jurij Lotman in seiner Theorie zur Raumsemantik dargelegt werden. Sein Modell wird in der folgenden Darstellung als Grundlage verwendet, um die Erzählung der Amsel auf ihre Räumlichkeitsaspekte zu überprüfen.

Lotmans von der strukturalistischen Linguistik geprägte Ästhetik begreift ‚Raum‘ als Erzeugnis kulturell bestimmter Zeichenverwendungen, deren Semantik sich aus oppositiven Strukturen ergeben würde.[19] Diese Vorstellung basiert auf dem Differenzialitätsprinzip des Strukturalismus, das davon ausgeht, dass die Differenz (hier: Opposition) zeichenhafter Elemente Bedeutung erzeuge.[20] Lotman übersetzt diese räumlichen Relationen aus zeichenhaften Oppositionen als topografische Grenzen und schafft somit die Vorstellung eines semantischen Feldes bzw. Raums, der die gesamte ‚erzählte Welt‘ erfasst. Der semantische Raum vereint eine spezifische Menge semantischer Merkmale, die in solcher Art kombiniert werden, dass sie nur in diesem speziellen und in sonst keinem anderen Raum vorkommen. Hieraus leitet Lotman unterschiedliche Teilräume ab, die untereinander semantische Oppositionsbeziehungen eingehen und sich in drei Kategorien darstellen lassen:

  • ‚topologische‘ Oppositionen: z.B. hoch-niedrig, rechts-links, nah-fern, offen-geschlossen oder innen-außen
  • ‚semantische‘ Gegensatzpaare: z.B. gut-böse, wertvoll-wertlos, natürlichkünstlich oder eigen-fremd
  • ‚topographische‘ Gegenüberstellung: z.B. Berg-Tal, Stadt-Land, HimmelHölle oder Wald-Meer.[21]

Erst durch die Kombination dieser semantischen Paradigmen mit ‚beweglichen Figuren‘ – also solchen Figuren, die von einem semantischen Teilbereich in einen anderen übergehen können – entsteht ein erzählerisches Moment. Dieser Prozess kann als ein ästhetischer und explizit poetologischer Vorgang bezeichnet werden, weil er sowohl Ereignisse als auch Bedeutung generiert. Er ist ein zentraler Mechanismus, der aus einem faktualen einen literarischen Text werden lässt.[24] Den Übergang zwischen zwei Teilräumen bezeichnet Lotman ausdrücklich als Grenzüberschreitung, wozu er nicht nur konkrete topologische und topografische, sondern auch semantische Aspekte zählt. Zu letzterem gehören z.B. das Übergehen einer Norm oder eines Verbots.

An Musils Text wird deutlich werden, dass die Raumerfahrung einer literarischen Figur zusätzlich an den Körper derselben gebunden sein kann. Sowohl der Raum als auch der Körper können transformatorische, d.h. grenzüberschreitende, Akte im Sinne Lotmans erfahrbar machen. Diese Raum und Köper befragenden Ereignisse stehen aber nicht nur im Zusammenhang mit einer aktiven physischen Bewegung der Hauptfigur, sondern finden auch auf einer psychischen und wahrnehmungspsychologischen Ebene derselben statt. In diesem Kontext werden an Passagen aus der Amsel die Techniken der ‚Umstülpung‘ und ‚Umkehrung‘ als transformatorische Vorgänge thematisiert, denen eine zentrale poetologische Funktion zukommt. Denn auch sie repräsentieren liminale Prozesse, bei denen räumliche Grenzen aus oppositiven Strukturen überschritten werden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die klassifikatorischen Räume und deren (topologisch, topografisch, semantisch) Grenzen die diegetische Welt in all ihren Aspekten organisieren[22] und die Grundlage für Handlungsgenerierung legen. In diesem Sinne ist Lotmans Raumtheorie gleichzeitig eine Erzähltheorie: Sie basiert weniger auf zeitlichen als vielmehr auf räumlichen Ordnungsstrukturen. Hiervon ausgehend gilt es nun die oppositionellen Teilräume in der Amsel mit den lotmanschen Begrifflichkeiten zu untersuchen. Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit steht die Frage, an welchen Textstellen sich Grenzüberschreitungen finden lassen und wo es zur Generierung und Dynamisierung der Narration durch Räumlichkeitsaspekte kommt.

3. Die Amsel

Die auf Tagebucheinträgen[23] basierende Kurzgeschichte Die Amsel wurde 1936 in Musils Nachlaß zu Lebzeiten veröffentlicht. Dass es sich bei der Amsel um eine Erzählung handelt, die das Erzählen als solches und als poetische Form selbstreferenziell problematisiert, ist in der Literatur inzwischen selbst zu einem Topos geworden.[24] Robert Musil äußerte sich konkret zur narratologischen Herausforderung beim Schreiben: „Das Problem: wie komme ich zum Erzählen, ist sowohl mein stilistisches wie das Lebensproblem der Hauptfigur, und die Lösung ist natürlich nicht einfach.“[25] Im Folgenden wird in einer knappen erzähltheoretischen Analyse herausgearbeitet, wie Musil mit genau diesem ‚Problem‘ umgegangen ist, bei dem es darauf ankommt, sprachliche und erzähltheoretische Mittel miteinander zu verschränken.

1Neben einer ausführlich behandelten Vorgeschichte und einer vermeintlich dialogischen Gesprächssituation enthält die Erzählung drei kurze Geschichten, die zunächst einmal zusammenhanglos erscheinen. In der Rahmenhandlung – um es mit den Begriffen von Gérard Genette[26] zu formulieren – berichtet ein extraheterodiegetischer Erzähler über die Kindheit und Adoleszenz der beiden Hauptfiguren Aeins und Azwei, die zwar unterschiedliche Charaktere ausbilden, trotzdem aber eine langjährige Freundschaft pflegen.

Auf diese Vorgeschichte folgt eine zwischengeschaltete Erzählebene, die eine Gesprächssituation zwischen Aeins und Azwei zum Thema hat. Auf dieser intradiegetischen Erzählebene kommt es nicht nur zu einer Unterbrechung der ‚histoire‘, sondern auch zu einem Wechsel der Erzähldistanz vom extradiegetischen zum intradiegetischen Erzähler. Azwei fungiert ab diesem Zeitpunkt als intrahomodiegetischer Erzähler der drei metadiegetischen Geschichten, die den unterbrochenen Erzählverlauf seiner Lebensgeschichte fortsetzen. Die drei kleinen Geschichten aus dem Leben Azweis bilden also einen rückwärtsgewandten Einschub, der in der Chronologie der ‚histoire‘ vor der Gesprächsituation zu verordnen ist. Mit dem Abschluss der dritten Geschichte springt die Erzählung wieder zurück auf die intradiegetische Ebene, also zur Gesprächssituation zwischen Aeins und Azwei, mit der die Erzählung schließlich endet.

Dass die auf einem Balkon stattfindende Unterhaltung zwischen Aeins und Azwei die eigentliche Begebenheit der Erzählung ist, wird aufgrund der komplizierten Erzählstruktur nicht sofort ersichtlich. Die ‚Erzählzeit‘, die Azwei aufbringt, um Aeins von einem ganzen Lebensabschnitt zu berichten, lässt sich wohl auf den Zeitraum eines Abends beschränken. Ähnlich verhält sich die Dauer der ‚Erzählzeit‘ und der ‚erzählten Zeit‘ der gesamten Handlung, die auf wenigen Buchseiten[27] das halbe Leben zweier Personen überblicken lässt. Der Eindruck epischer Breite entsteht nicht zuletzt wegen des großen Zeitraums der Handlung, sondern wegen der komplexen Verteilung und Kombination von Beschreibungen und Ereignisdarstellungen über verschiedene Erzählebenen und unterschiedliche Erzählinstanzen.

Die strukturelle Verschachtelung der Erzählung stellt nicht nur einen impliziten Selbstverweis auf die Möglichkeiten der Narration dar, sondern legt auch nahe, den erzähltechnischen Diskurs in der Amsel auf seinen Räumlichkeitsaspekt zu befragen. Dieser Gesichtspunkt ist durchaus reizvoll, wird aber sicherlich erst fruchtbringend, wenn er mit den Ergebnissen einer raumsemantischen Analyse kombiniert wird

4. Narrative Wenden

Wie bereits erörtert hängt Lotmans Konzept der ‚Grenzüberschreitung‘ von oppositionellen Raumstrukturen und einer Figur ab, die sich innerhalb dieser Räume bewegen kann. Als zentrale Figur in der Amsel erfüllt Azwei diese Rolle.[28] Er ist die Figur, von der – bis auf wenige Ausnahmen[29] – das gesamte narrative Potenzial der ‚histoire‘ entwickelt wird. Im Mittelpunkt der Handlung steht seine Lebensgeschichte, die durch wiederholte Transformation und Wandel gekennzeichnet ist. Die durch den unbeteiligten Erzähler geschilderte Rahmenhandlung führt Azwei zunächst als eine abenteuerlustige und individualistische Figur ein, dessen Körper wie aus „Muskeln geflochten“ scheint und den es nach dem Studium der Waldwirtschaft in die Ferne Russlands zieht. Die Figur Aeins fungiert als Gegenbild, das mit den „jungenhaften Vorhaben“ Azweis wenig anzufangen weiß und sich stattdessen „solideren Schwärmereien“ wie dem Engagement in der Arbeiterbewegung zuwendet.[30] Die Charakterisierung der beiden Figuren als Gegensatzpaar entspricht Lotmans Teilräumen auf dreierlei Weisen. Die Tatsache, dass Azwei nach Asien reist, während Aeins in der Heimat bleibt, eröffnet nicht nur topologische und topografische Teilräume zwischen ‚nah-fern‘ und ‚Heimat-Fremde‘, sondern gleichzeitig auch ein semantisches Feld, indem die Charaktereigenschaften einerseits als ‚abenteuerlustig‘ und anderseits als ‚bodenständig‘ verglichen werden. Aus den weiteren Berichten des Erzählers geht zwar hervor, dass beide Figuren sich im Laufe ihre Adoleszenz mehr und mehr verachten, aber die aufgezeigten Teilräume bleiben im weiteren Verlauf ihrer Freundschaft nicht aufrecht erhalten, sondern werden zusammengeführt. Die extremen Positionen, die sie einst vertreten haben, gleichen sich in der Mittelmäßigkeit an, denn der Abenteurer Azwei ist Büroangestellter, während der Sozialist Aeins inzwischen für einen Börsenmann arbeitet. Obwohl der Grenzübergang zwischen der raumsemantischen Ordnung hier von beiden Personen ausgeht (die im Sinne Lotmans also beide ‚bewegliche Figuren‘ sind), soll an dieser Stelle betont werden, dass diese Wandlung einen entscheidenden Einfluss auf die weitere Entwicklung der Handlung und vor allen Dingen auf die Präsentation der Figurenkonzeption hat. Bevor auf diese Entwicklungen näher eingegangen wird, gilt es die Figur Azwei und ihr Verhältnis zum Raum genauer zu analysieren.

Grundsätzlich fällt in der Rahmenhandlung auf, dass Azwei rastlos danach strebt ‚andere Zustände‘[31] zu erfahren, in denen er einen neuen und fremden Blick auf die Welt und sich selbst werfen kann. In seinem Tagebuch beschreibt Robert Musil diese transformatorischen Zustände als „Umstellungen, durch die die Seele einen erweiterten Raum für ihre Regungen gewinnt“[35]. Dieser Drang nach Wandlung wird in seiner Amsel wiederholt im Zeichen von Räumlichkeitsaspekten thematisiert. Gleich zu Beginn der Erzählung wird auf die Wandlungsfähigkeit von psychologischen Begebenheiten hingewiesen, bei der eine auffällige Raummetapher verwendet wird:

Denn im Grunde ist Jugendfreundschaft um so sonderbarer, je älter man wird. Man ändert sich im Laufe solcher Jahre vom Scheitel bis zur Sohle und von den Härchen der Haut bis ins Herz, aber das Verhältnis zu einander bleibt merkwürdigerweise das gleiche und ändert sich sowenig wie die Beziehung, die jeder einzelne Mensch zu den verschiedenen Herren pflegt, die er der Reihe nach mit Ich anspricht.[32]

Interessant ist nicht nur, dass hier bereits ein impliziter Verweis auf die Auflösung der gegensätzlichen Figurenbeziehung zwischen Aeins und Azwei – so wie sie weiter oben erörtert wurde – vorausgedeutet wird, sondern dass Räumlichkeit rhetorisch instrumentalisiert wird, um einen semantischen Sachverhalt im Sinne Lotmans zu verdeutlichen. Der Prozess der Veränderung wird mit Betonung der Vertikalen Achse des Körpers „vom Scheitel bis zur Sohle“ und mit Hervorhebung einer in die Tiefe gerichteten Raumausprägung „von den Härchen der Haut bis ins Herz“ bildräumlich thematisiert. Es findet also eine Transformation der Persönlichkeit statt, bei welcher der Körper sowohl ‚auf den Kopf‘ gestellt als auch ‚von außen nach innen‘ gekehrt wird. Die Veränderung der Persönlichkeit über die Zeit wird an dieser Textstelle zum ersten mal konkret am Körper durch die räumlichen Transformationstechniken des ‚Umkehrens‘ und ‚Umstülpens‘ festgemacht, was in dieser Art im Laufe der Geschichte vielfach wiederholt werden wird. Das räumliche Verhältnis der Höhen- und Tiefendimension sowie die damit eingeschlossene Bewegungsrichtung wird als Metapher für die totale Neuordnung der Persönlichkeit verwendet. Wie bereits erwähnt, steht diese Rundumerneuerung Azwei noch bevor – das Programm der Rahmenhandlung ist somit gleich zu Beginn formuliert.

Im weiteren Verlauf der Rahmenhandlung berichtet der Erzähler von einer Jugendgewohnheit Azweis, die als erstes Ereignis gedeutet werden kann, durch das Azwei versucht die räumliche Ordnung der Welt herauszufordern. Azwei und seine Jugendfreunde kultivierten eine Mutprobe, bei der es darauf an kam, sich auf dem Außengeländer eines Kirchturms „mit dem Blick nach unten, durch langsamen Druck der Muskeln in die Höhe zu heben und schwankend auf den Händen stehenzubleiben“[33]. Es war sogar Azwei, der diesen Handstand „auf einem fußbreiten Steinstreifen in Turmhöhe“[34] in seiner Knabenzeit erfand.

In dieser Passage steht besonders die Betonung der vertikalen Körperausrichtung Azweis im Zentrum der Darstellung, wobei die umgekehrte senkrechte Körperhaltung mit dem „Blick nach unten“ die Vertikalachse optisch sogar verlängert. Der Körper und der Blick vollführen also eine vergleichbar senkrechte Orientierung wie der Kirchturm. Diese analoge Ausrichtung beider Formen könnte als Bestätigung der räumlichen Weltordnung interpretiert werden, wäre da nicht die Tatsache, dass Azwei auf dem Kopf steht. Azwei verwendet die erhöhte Position auf der Turmspitze nicht, um sich einen Überblick über die umliegende Welt zu verschaffen – was die plausibelste Funktion einer Plattform dieser Art wäre –, sondern nutzt sie wider ihrer Bestimmung, um die Dimensionen des Raums und der Welt mit seinem ‚Akrobatenkunststück‘ zu unterminieren. In lotmanschen Begriffen ausgedrückt handelt Azwei als ‚bewegliche und Grenzen überschreitende Figur‘, weil er die topologischen Teilräume ‚oben‘ und ‚unten‘ gegeneinander ausspielt.[35] Von einem vergleichbar ungewöhnlichen Verhalten berichtet Azwei[36], wenn er auf den Küchenschrank klettert, um nur, wie er selbst sagt, „die Vertikale auszunutzen“[37]. Indem er auf den Schrank klettert, privilegiert er nicht nur das ‚oben‘ zu Gunsten des ‚unten‘ auf der vertikalen Raumachse, sondern wendet sich implizit gegen die gleichmachende Horizontalschichtung der Berliner Mittelstandswohnung. Auch diese Szene steht paradigmatisch für Azweis Bestreben, die Ordnung des alltäglichen Lebensbereiches auszuhöhlen, um mittels eines ‚anderen‘ Blickpunktes die eigene Wahrnehmung der Welt zu überprüfen. Bei diesen Grenzüberschreitungen handelt es sich also um die ersten Versuche, aus vorgefertigten topologischen, topografischen und semantischen Mustern auszubrechen. Der kraftvollen Kampfansage gegen die bestehende Lebensordnung, die Azwei zu Beginn und im weiteren Verlauf der Rahmengeschichte so individualistisch erscheinen lassen, steht am Ende der Vorgeschichte ein Triumph der Mittelmäßigkeit entgegen, der sein Leben in der „Mitte zwischen Warenhaus, Versicherung auf Ableben und Stolz“[38] verortet. So ist es nicht verwunderlich, dass aus dem einst ‚geschmeidigen Akrobaten‘ inzwischen eine ‚an die Wand gelehnte, nervige Reitgerte‘ geworden ist. Die Kraft für die Aufrechterhaltung der Vertikalen, wie Azwei sie beim Handstand beispielhaft demonstriert, reicht gerade einmal, um sich in „einer halb aufgerichteten und halb zusammengesunkenen Lage […] wohlzufühlen“[39].

2Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Vertikale ein bevorzugtes topologisches Raummotiv ist, das als rhetorisches Mittel eingesetzt wird, um semantische Zustands- und Transformationsmomente der Figur Azwei hervorzuheben. Ihm geht es bei seinen Grenzüberschreitungen darum, die bestehenden Verhältnisse zu Gunsten eines ‚anderen Zustands‘ mittels der Vertikalisierung des Raums zu verändern. Aus den angesprochenen Textbeispielen könnte sich folgern lassen, dass es bei Azweis Drang nach einem ‚anderen Zustand‘ um das Streben nach einer größtmöglichen individuellen Freiheit geht. In diesem Kontext kann die vertikale Dimension als Raummetapher für Individualität und Subjektwerdung interpretiert werden. Vor diesem Deutungsansatz erscheint nur die Handstandszene auf dem Kirchturm problematisch; zwar dient die Senkrechte hier als räumliches Medium, das den Zweck der Transformation rechtfertigen soll, jedoch bleibt ihre Funktion und Bedeutung aufgrund der Konterkarierung mittels des Handstands ambivalent. Eine solitäre, vor allem positive Bedeutungszuweisung der vertikalen Raumachse bleibt in diesem Sinne fragwürdig.[40]

Auch die bereits erwähnte Bemerkung, dass Azwei sich in einer ‚halb aufgerichteten und halb zusammengesunkenen Haltung‘ am wohlsten fühlt macht deutlich, dass Azweis angestrebter ‚anderer Zustand‘ einer ist, der das Changieren zwischen Gegensätze zum Thema hat. Aus dieser Sicht repräsentiert das anfängliche Streben nach einer primären Raumdimension nicht die Suche nach individuellen Freiräumen, sondern steht für die Nivellierung eindeutiger Begebenheiten zu Gunsten einer rekursiven Zustandstransformation. Hieraus lässt sich ableiten, dass es Azwei grundsätzlich mehr um den Akt der Transformation an sich geht und weniger um dessen Ergebnisse, die eine Bestätigung einer Raumgrenze im Sinne Lotmans bedeuten würde. Zur bevorzugten Technik solcher Wandlungsprozesse zählt aber nicht nur das Prinzip der ‚Umkehrung‘, wie es paradigmatisch bei der Handstandszene eingesetzt wurde, sondern auch die Methode der ‚Umstülpung‘. Beide Verfahren könnten im Sinne Lotmans als Generatoren interpretiert werden, die es einer ‚beweglichen Figur‘ ermöglichen ihr sujetgeneriendes Potenzial zu offenbaren. Beispielhafte Textpassagen zum Transformationsdiskurs finden sich in den ‚drei kleinen Geschichten‘, in denen Azwei über Ereignisse aus seiner Vergangenheit berichtet.

5. Technik der ‚Umstülpung‘ und ‚Umkehrung‘

Die Abschnitte in den drei Geschichten können als das Erleben ‚anderer Zustände‘ bezeichnet werden. Die erste Geschichte ist aus zweierlei Aspekten interessant: zum einen verlässt Azwei seine Frau; zum anderen erscheint die Figur der Amsel das erste Mal. Wie beide Ereignisse zusammenhängen, soll durch eine Analyse und Interpretation des folgend zitierten Textabschnittes verdeutlicht werden:

Dann saßen sie [die Töne des Vogelgesangs] auf dem First des Nachbarhauses und sprangen dort in die Luft wie Delphine. Ich hätte auch sagen können, wie Leuchtkugeln beim Feuerwerk; denn der Eindruck von Leuchtkugeln blieb; im Herabfallen zerplatzen sie sanft wie große Silbersterne in die Tiefe. Ich empfand jetzt einen zauberhaften Zustand; ich lag in meinem Bett wie eine Figur auf ihrer Grabplatte und wachte, aber ich wachte anders als bei Tage. Es ist sehr schwer zu beschreiben, aber wenn ich daran denke, ist mir, als ob mich etwas umgestülpt hätte: ich war keine Plastik mehr, sondern etwas Eingesenktes. Und das Zimmer war nicht hohl, sondern bestand aus einem Stoff, den es unter den Stoffen des Tages nicht gibt, einem schwarz durchsichtigen und schwarz zu durchfühlenden Stoff, aus dem auch ich bestand. […] Weshalb sollte nicht jetzt geschehen, was sonst geschieht? – es ist eine Nachtigall, was da singt! – sagte ich mir halblaut vor.[41]

Zunächst einmal fällt die bildhafte Ausformulierung der Begebenheiten auf, die durch räumliche Sprachstilisierung gekennzeichnet ist. Ein Feuerwerk aus in die Luft steigenden, zerplatzenden und herab fallenden Tönen kündigt das Auftreten der Amsel an und versetzt den, auf seinem Bett ruhenden, Azwei in einen ‚zauberhaften Zustand‘, der ihn schließlich zum Entschluss bewegt, seine Frau zu verlassen.

Als topologische Teilräume lassen sich hier mehrere Gegensätze ausmachen: Zum einen die ‚aufwärts-abwärts‘ Bewegung auf der vertikalen Raumachse durch das Feuerwerk der aus Tönen bestehenden Leuchtkugeln, Delphine und Silbersterne; zum anderen ein doppeltes ‚außen-innen‘ Verhältnis zwischen ‚Stadt-Zimmer‘ und ‚Zimmer-Bettinneres/Körper‘, die ihrerseits ein mise-en-abymes ‚Raum-imRaum-im-Raum‘ Verhältnis eingehen. Von besonderer semantischer Relevanz erscheint bei diesen Gegensätzen die ‚innen-außen‘ Beziehung zwischen den Medien Zimmer und Bett/Körper. Azwei berichtet wortwörtlich von einer ‚Umstülpung‘, wobei sein Körper einerseits mit dem Bett/Zimmer verschmilzt und anderseits die Leere des Zimmers eine Stofflichkeit erhält. Dieser Austausch räumlich-körperlicher Zustände korreliert mit der Grenzüberschreitung zwischen zwei Teilräumen und erzeugt – Lotmans Theorie folgend – ein narratives Ereignis. Weder das Auftreten der Amsel noch die darauf folgende ‚Transformation‘, sondern die Entscheidung Azweis, sein Leben zu verändern, stellen das zentrale Ereignis dieser Textpassage dar. Wie als hätte ihn „von irgendwo ein Signal getroffen“[42] beschließt Azwei schließlich seine Ehefrau und seine bürgerliche Existenz zu verlassen, um dem ‚Ruf‘ der Amsel zu folgen. Dass der Aufbruch in ein fremdes und ‚anderes‘ Leben auch mit einem signifikanten geografischen Ortswechsel verbunden ist, wird ersichtlich, wenn Azwei davon spricht: „Ich habe oft daran gedacht zurückzukehren; manchmal hätte ich durch die halbe Welt zurückkehren mögen.“ Hierzu kommt es jedoch nicht, denn statt zu seinem Eheleben in der Stadt zurückkehren, befindet sich Azwei zwei Jahre später in den Bergen Südtirols. Dieser Ortswechsel, der einen Grenzübergang zwischen den topografischen Teilräumen ‚Stadt-Berge‘ darstellt, führt zu einer grundlegenden Veränderung seiner Lebensumstände. Der Kontrast zu den ‚Berliner Hinterhöfen‘ und den ‚Automatenbüffets‘ könnte kaum größer erscheinen, wenn Azwei seinen Aufenthaltsort als ein Kriegsterritorium inmitten einer heroischen Berglandschaft zu erkennen gibt. Vor diesem Hintergrund eröffnet sich ein weiterer Oppositionsraum auf semantischer Ebene zwischen ‚friedlicher Heimat‘ und ‚kriegerischer Ferne‘. Wie radikal sich der Alltag als Soldat geändert hat, schildert Azwei in einer Textstelle, der besondere Relevanz für den bislang geführten Raum- und Transformationsdiskurs zugesprochen werden kann:

Er [Fliegerpfeil] näherte sich mir, wenn auch sehr fern, und wurde perspektivisch größer. […] Und in diesem Augenblick, wo ich inne wurde, daß ich allein diesen feinen Gesang hörte, stieg ihm etwas aus mir entgegen: ein Lebensstrahl; ebenso unendlich wie der von oben kommende des Todes. […] ich zweifelte nicht im geringsten daran, daß etwas Entscheidendes mit mir vor sich gehen wolle. […] ich war sicher, in der nächsten Minute Gottes Nähe in der Nähe meines Körpers zu fühlen.[43]

Bei diesem Ereignis wird der topologische Teilraum explizit durch die Gegensätze ‚nah-fern‘, ‚oben-unten‘ und ‚innen-außen‘ definiert. Darüber hinaus eröffnen sich topografische Teilräume durch die Opposition ‚Himmel-Erde‘, die in Verbindung mit den semantischen Teilräumen ‚Tod-Leben‘ und ‚Gott-Leib‘ stehen. Im Gegensatz zur Umstülpungsszene aus der ersten Geschichte, bei der zwei Medien in harmonischgeschmeidige Wechselwirkung getreten sind, kommt es bei dieser Begebenheit zu einem kraftvollen und Energie gebündelten Zusammenschlag zweier Körper, der Azwei nicht in einen traumhaften Verwandlungszustand versetzt, sondern ihn eine körperlich-geistige Grenzerfahrung erleben lässt. Zwar wurde Azwei nicht vom Fliegerpfeil getroffen, trotzdem hätte die Begegnung mit dem Fliegerpfeil eine extreme Zustandsveränderung herbeigeführt, bei der er die Nähe Gottes und des Todes empfunden hätte. Azwei bemerkt hierzu, dass, wenn er sich an dieses Erlebnis erinnere, er „etwas von dieser Art noch einmal deutlicher erleben“[44] möchte! Dass ihm dies widerfährt, kündigt er bereits im ersten Satz der Einleitung zur dritten und letzten Geschichte an.[49] Als ausschlaggebendes Ereignis ist die Erkrankung seiner Mutter zu nennen. Nachdem er die Nachricht über ihrer Krankheit erhalten hatte, sei er gänzlich verändert worden. Er bemerkt ferner:

[…] eine Härte, die mich umgeben hatte, schmolz augenblicklich weg, und ich kann nicht mehr sagen, als daß der Zustand, in dem ich mich von da an befand, viel Ähnlichkeit mit dem Erwachen in jener Nacht hatte, wo ich mein Haus verließ, und mit der Erwartung des singenden Pfeils aus der Höhe.[45]

Den veränderten Zustand, den Azwei erfährt, reflektiert er nicht nur als vertraut, sondern verbindet ihn explizit mit den bereits thematisierten Transformationserlebnissen aus der ersten und zweiten Geschichte. Analog zur ‚Amsel‘ und zum ‚Fliegerpfeil‘ ist die ‚Benachrichtigung‘ das entscheidende Anstoßereignis, das einen Transformationsprozess evoziert, bei dem Azweis Äußeres seine ‚Härte‘ verliert und sich so der Umwelt öffnet. Das sich nach Außen kehrende Innere erregt Azweis Gemüt insofern, als dass er sich vornimmt so rasch wie möglich zu seiner Mutter zu reisen. Der mit dem Krankenbesuch verbundene Ortswechsel findet allerdings erst statt, als die Mutter von Azwei schließlich stirbt. Mit Bezug auf Lotman kann dies bedeuten, dass der Grenzüberschritt in einen ‚andere Zustand‘ zwar im semantischen Teilbereich bereits unmittelbar nach der ‚Umstülpung‘ erfolgt, auf topografischer Ebene jedoch erst mit dem Tod der Mutter eintritt. Um die Reise zum Elternhaus realisieren zu können bedurfte es für Azwei also einer zweifach gestaffelten Grenzüberschreitung: zum einen die semantische Oppositionsdurchdringung zwischen ‚Mannesalter‘ und ‚Kindheit‘; zum anderen die topografische Überwindung zwischen ‚weite Welt‘ und ‚Heimat‘.

Nach der Ankunft in seiner Heimatstadt verstirbt auch Azweis Vater. In Erinnerungen schwelgend durchforstet Azwei schließlich den Dachboden[46] des Elternhauses nach den Überbleibseln seiner Vergangenheit und fühlt sich dabei „als ob das Unterste zuoberst gekehrt würde“[52]. Diese Umkehrung führt Azwei zurück in seine Kindheit, so dass er sich im Stillen an seinen alten Schreibtisch setzt, um dort „wie ein Kind, das mit den Beinen nicht bis zur Erde reicht“[47] in die Geschichten seiner Jugendbücher einzutauchen. Die Umkehrung von ‚unten‘ nach ‚oben‘ kann nicht nur im semantischen Sinne als Wiederbelebung der Vergangenheit, sondern auch konkret im topologischen Sinne als Versetzung des Körpers in einen Handstand gedeutet werden. Vor diesem Hintergrund würden die in der Luft hängenden Füße des Erwachsenen mit denen des am Schreibtisch sitzenden Kindes korrelieren. Ferner könnten diese Positionen sowohl in ihrer semantischen als auch topologischen Begebenheit auf die Haltung des ‚Kirchenturm-Handstands‘ bezogen werden. Denn in diesen Lagen zwischen zwei Gegensätzen wird nicht nur ihre konkrete raumkörperliche Analogie, sondern auch das darin enthaltene Verhaltensmuster offensichtlich, welches Azwei immer wieder dazu verleitet im ‚anderen Zustand‘ sich selbst und die Welt zu befragen.

Zwischen den Textbeispielen aus den drei Geschichten lassen sich also mehrfache Bezüge zueinander herstellen. Auf stilistischer Ebene gleichen sich die Beispiele in ihrer ausdrucksstarken Bildsprache in der Art, als dass sie Transformationsbegebenheiten durch Raummetaphern in binären Strukturen stilisieren. Als Transformationsverfahren werden bei den Vorkommnissen jeweils die Technik der ‚Umstülpung‘ und der ‚Umkehrung‘ verwendet, die den gemeinsamen Zweck verfolgen, andersartige Zustandslagen herbeizuführen. Aus der Schaffung ‚anderer‘, wenngleich temporär begrenzter Zustände[48] folgt schließlich eine Entscheidung, die zu neuen Lebensumständen führt. Die Progression der ‚histoire‘ ist unter diesen Vorzeichen also stets das Ergebnis einer Transformation räumlich-körperlicher Sachverhalte in Abhängigkeit zu einer ‚Figur‘, die im Sinne Lotmans auf den Ebenen semantischer, topologischer und topografischer Teilräume geschehen kann. Indem die ‚Figur‘ die Grenzen dieser Teilräume überschreitet, erzeugt sie aber nicht nur eine Progression der Handlung, sondern bedient gleichzeitig motivische Strukturen und spendet somit neben Ereignissen auch Bedeutung.

Die Entsprechungen der angesprochenen Szenen aus den metadiegetischen Handlungen werden zudem explizit durch Azwei bekräftigt. Dieser Verweis ist zentral, denn er stützt nicht nur die Ergebnisse der dargelegten Analyse dieser Textstellen, sondern hebt deren narratologische Relevanz für die Gesamthandlung der Erzählung hervor. Den einschneidenden Wendungen in der Biografie Azweis gingen stets raumkörperliche Transformationszustände voraus, die ihn schließlich zu der Person machen, wie sie am Ende der Geschichte auf dem Balkon von Aeins sitzt. Von diesem Standpunkt aus könnten die Transformationszustände als ein Ereignis übergreifendes Phänomen und als ‚Sinn‘ stiftendes Muster der drei Geschichten gedeutet werden.[49]

36. Rhetorik des Raums

Es lässt sich abschließend festhalten, dass die Perspektivierung der Lesart unter dem Gesichtpunkt ‚Raum‘ sehr nützlich sein kann, um narratologische Aspekte eines literarischen Textes offenzulegen, die wiederum dazu beitragen, einen erweiterten interpretatorischen Zugang zur Lektüre zu erhalten. Robert Musils Amsel ist insofern als Fallbeispiel für eine raumsemantische Analyse interessant, weil der Text eine erzähltechnische Komplexität aufweist, welche die Grenzen und Möglichkeiten literarischen Erzählens dekonstruiert. Im Textverlauf wird eine besondere ‚Rhetorik des Raums‘ erkennbar, in der Metaphern räumlicher Transformationsprozesse als sprachliche Mittel eingesetzt werden, um die Dynamik psychologischer Zustände der Hauptfigur abzubilden. Diese Raummetaphern weisen neben ihrer markanten Bildsprache immer auch eine ambivalente Bedeutungsstruktur auf, die durch Grenzüberschreitungen wechselseitig unterlaufen wird. Im übertragenen Sinne entspricht dieser Sachverhalt der psychologischen Prozesshaftigkeit, die sich bei Azwei in einem wechselseitigen Spannungsverhältnis aus Identität und Differenz ausdrückt. Dieses dekonstruktivistische Spiel mit räumlichen, materiellen und psychologischen Entitäten in der ‚histoire‘ gilt analog auf der Ebene des ‚discours‘. Die zu Beginn der erzähltechnischen Analyse angesprochene Frage, wie das Verhältnis zwischen ‚discours‘ und ‚histoire‘ unter dem Gesichtspunkt des Räumlichkeitsaspekts zu beurteilen ist, kann nun mit den Ergebnissen der raumsemantischen Analyse verglichen werden. Die erzähltheoretische Analyse hat zunächst einmal aufgezeigt, dass die Geschichte aufgrund der wechselnden Erzähler- und Handlungsebenen kompliziert ‚gemacht‘ ist. Diese chronologische Verschachtelung des ‚discours‘ korrespondiert mit den komplexen Sachverhalten der ‚histoire‘, die durch die raumsemantische Untersuchung offengelegt wurden. So zeigt sich eine Korrespondenz zwischen der wiederholten Substituierung der Erzählinstanzen und der Durchdringung der Handlungsebenen mit dem wechselhaften Verhältnis der semantischen, topologischen und topografischen Teilräume. Auch die Erzählerkonzeption ist durch ein rekursives Vexierspiel zwischen Identität und Differenz gekennzeichnet, wodurch es zu wiederholten Grenzüberschreitungen bei den Erzählebenen, aber auch bei dem Verhältnis Erzähler-Figur kommt. So könnte im Sinne Lotmans auch von einem ‚beweglichen Erzähler‘ gesprochen werden. Lotmans Ästhetik der Grenzüberschreitung zwischen räumlichen Entitäten erfährt im Fall der Amsel eine implizite Erweiterung, die durch die wiederholte Verschränkung von Erzählebenen und Erzählinstanzen sowie der Parallelisierung Azweis als Hauptfigur und Erzähler generiert wird. So wie die Figur auf der Ebene der ‚histoire‘ räumliche Strukturen durchschreitet, wodurch Ereignisse und Bedeutung erzeugt werden, bewegt sich der Erzähler auf der Ebene des ‚discours‘ zwischen erzähltheoretischen Räumen, was wiederum der Eindruck narratologischer und interpretatorischer Komplexität hervorruft. Vor dem Hintergrund dieser funktionalen Entsprechung räumlicher Ordnungsverschiebungen wird deutlich, dass das ‚Was‘ der Geschichte mit dem ‚Wie‘ der Geschichte gleich mehrfach in räumlicher Wechselwirkung steht.

Nicht zuletzt aber entspricht der wiederholte Akt der räumlichen Transformation, der zwar zu ‚anderen Zuständen‘ führt, aber keine semantisch eindeutige Zielgerichtetheit hat, dem Akt des Erzählens, der am Ende der Geschichte zu keinem Ziel oder Sinn führt, sondern offen bleibt und nur sich selbst befragt.

Goethe-Universität Frankfurt, Wintersemester 2010/11

 

[1] Robert Musil: Die Amsel (1936). Bilder. Stuttgart: Reclam 2006. S. 9.

[2] Anmerkung: Zum erzähltheoretischen Begriff ‚histoire‘ vgl. Gérard Genette: Die Erzählung. München: Fink 1994.

[3] Vgl. Edward Soja: Postmodern Geographies. The Reassertation of Space in Critical Social Theory. London/ New York: Verso 1989. S. 16 u. S. 39ff.

[4] Anmerkung: Die Geschichte der diskursiven Auseinandersetzung mit dem Raum reicht bis in die abendländische Philosophie des Altertums zurück. Bei fast jedem antiken Autor finden sich explizite oder implizite Theorien zum Raum meist im Kontext ganzheitlicher Weltentwürfe, die sich im Kern mit der Frage beschäftigen, was denn die Natur (physis) sei. Vgl. Stephan Günzel: „Teil I. Einleitung: Physik und Metaphysik des Raums.“ In: Raumtheorie. Grundlagentexte aus Philosophie und Kulturwissenschaft. Hrsg. von Jörg Dünne/ders. Frankfurt am Main: Suhrkamp 2006. S. 19-43. Hier S. 19.

[5] Vgl. Fritz Mauthner: „Raum.“ In: Rationalismus bis Zweck. Wörterbuch der Philosophie. Neue Beiträge zu einer Kritik der Sprache. Bd. 3. Hrsg. von ders. Leipzig: Meiner 1924. S. 17.

[6] Vergleich auch den Begriff ‚Raum‘ in anderen Sprachen: ‚espace‘, ‚espacio‘, ‚spazio‘, ‚space‘.

[7] Vgl. René Descartes: Die Prinzipien der Philosophie. Hamburg: Meiner 2005. S. 94-117.

[8] Vgl. Jörg Dünne/Stephan Günzel: „Vorwort.“ In: Raumtheorie. a.a.O. S. 9-15. Hier S. 9ff.

[9] René Descartes: Die Prinzipien der Philosophie. S. 119.

[10] Vgl. Isaac Newton: Die mathematischen Prinzipien der Physik. Berlin/New York: de Gruyter 1999. S. 28.

[11] Vgl. Stephen W. Hawking: Eine kurze Geschichte der Zeit. Die Suche nach der Urteilskraft des Universums. Reinbek: Rowohlt 1988.

[11] Anmerkung: Dieser Sachverhalt wird nicht nur daran deutlich, dass der Begriff ‚Raum‘ erst seit 5 Jahren Eingang in die Fachlexika der Narratologie gefunden hat, sondern auch daran, dass die Standardwerke der Erzähltheorie [Stanzel; Genette; Martinez/Scheffel] keine oder nur wenige Ausführungen zum ‚Raum‘ enthalten. Vgl. Katrin Dennerlein: Narratologie des Raumes. Berlin: de Gruyter 2009. S. 3ff.

[12] Anmerkung: Dies gilt besonders für den Zeitraum des 18./19. und teilweise des 20. Jahrhunderts.

[14] Gotthold Ephraim Lessing: Laokoon oder über die Grenzen der Malerei und Poesie. Stuttgart: Reclam 1964. S. 113.

[13] Vgl. Magdolna Orosz: „Raumsemantik und Modalität.“ In: Kodikas/Code. Ars Semeiotica. Nr. 1/2. Jg. 22 (1999). S. 13-24. Hier S. 13.

[14] Vgl. Gérard Genette: Die Erzählung.

[15] Vgl. Katrin Dennerlein: Narratologie des Raumes. S. 5.

[16] Anmerkung: Michail Bachtin wies bereits Ende der 1930er Jahre mit seinem Begriff des ‚Chronotopos‘ auf das dialektische Verhältnis zwischen Raum und Zeit in literarischen Texten hin. Vgl. Michail Bachtin: Chronotopos. Frankfurt am Main: Suhrkamp 2008.

[17] Anmerkung: Unter dem Begriff ‚Raum‘ werden im erzähltheoretischen Kontext zahlreiche Phänomene verstanden, die sich schwer in ein gemeinsames Modell integrieren lassen. Offensichtlich werden die Probleme, wenn so heterogene Aspekte wie physisch-konkrete Räumlichkeit, geografisch-topografische Räumlichkeit, semantisch-metaphorische Räumlichkeit mit einander verglichen werden.

[18] Vgl. Robert Petsch: Wesen und Formen der Erzählkunst. Halle: Niemeyer 1942. S. 38.

[19] Vgl. Jurij Lotman: „Künstlerischer Raum, Sujet und Figur.“ In: Raumtheorie. a.a.O. S. 529-545. Hier S. 538.

[20] Vgl. Ferdinand de Saussure: Grundfragen der allgemeinen Sprachwissenschaft. Berlin: de Gruyter 1967. S. 140.

[21] Vgl. Jurij Lotman: „Künstlerischer Raum, Sujet und Figur.“ S. 530-531 u. S. 543.

[24] Vgl. ebd. S. 537-539.

[22] Anmerkung: Ausgehend von Lotmans Raumsemantik entwickelte Hans Krah eine anwendungsorientierte Begrifflichkeit zur Raumtheorie. Er unterscheidet zwischen folgenden Untersuchungsbereichen: ‚Topografisch-geografischer Aspekt‘ – ‚Rhetorischer Aspekt‘ – ‚Medialer Aspekt‘ – ‚Perzeptiver Aspekt‘ – ‚Narrativer Aspekt‘ – ‚Funktionaler Aspekt‘. Vgl. Hans Krah: „Räume, Grenzen, Grenzüberschreitungen.“ In: Kodikas/Code. Ars Semeiotica. Nr. 1/2. Jg. 22 (1999). S. 3-9.

[23] Vgl. Marie-Louise Roth: „Die Amsel. Ein Interpretationsversuch.“ In: Robert Musil – Literatur, Philosophie, Psychologie. Hrsg. von Josef Strutz. München/Salzburg: Fink. 1984. S. 173-186.

[24] Vgl. u.a. Anette Daigger: ‚Die Amsel. Untersuchung der Genese der Texte und ihrer Varianten – Versuch einer Interpretation. Saarbrücken: (Magisterarbeit) 1974. Hermann Bernauer: „Eine Anmerkung zu Karl Eibls Essay ‚Die Dritte Geschichte‘: Hinweis zur Struktur von Robert Musils Erzählung ‚Die Amsel‘ – und eine Beobachtung an Musils Text.“ In: Musil-Forum. Nr. 13/14. Jg. 1987/88. S. 100-112. Waltraud Wiethölter: „Von Odysseus nach Azwei: Herkunft mit Musils Amsel buchstabiert.“ In: Herkünfte, Historisch. Ästhetisch. Kulturell. Hrsg. von Barbara Thums. Heidelberg: Winter 2004. S. 39-65. Anne D. Moss: Erzähltechnik und Bildsprache in Musils Nachlass zu Lebzeiten‘. München: (Magisterarbeit) 1974.

[25] Robert Musil: Briefe 1901-1942. Bd.1. Reinbek: Rowohlt 1981. S. 498.

[26] Anmerkung: Zu Gérard Genettes erzähltheoretischen Begriffen vgl. Matias Martinez/Michael Scheffel: Einführung in die Erzähltheorie. München: C.H. Beck 2005.

[27] Anmerkung: Die Anzahl der Druckseiten der hier verwendeten Reclam Ausgabe beläuft sich auf 31 Seiten. Zum Bemessungsproblem der ‚Erzählzeit‘ vgl. Matias Martinez/Michael Scheffel: Einführung in die Erzähltheorie. S. 31.

[28] Anmerkung: Zur Rolle Azweis als ‚bewegliche Figur‘ vgl. auch die Bemerkungen von: Thomas Betz/Florian Eichberger: „Körperteilerkenntnis. Zu Robert Musils Erzählung ‚Die Amsel‘.“ In: Abweichende Lebensläufe, poetische Ordnungen. Hrsg. von Thomas Betz/Franziska Mayer. München: K. Kieser 2005. S. 479-496. Hier S. 488.

[29] Anmerkung: Vgl. hierzu die auf S. 10 dieser Arbeit angesprochene Grenzüberschreitung Aeins.

[30] . S. 6-7.

[31] Anmerkung: Der Begriff des ‚anderen Zustands‘ wird von Musil explizit in seinem Werk Mann ohne Eigenschaften genannt. Musil schreibt hierzu, der ‚andere Zustand‘ sei ein „wunderbares Gefühl der Entgrenzung und Grenzenlosigkeit des Äußeren wie des Inneren, das der Liebe und der Mystik gemeinsam ist“. Robert Musil: Der Mann ohne Eigenschaften. Reinbek: Rowohlt 1978. S. 781.

[35] Robert Musil: Tagebücher. Reinbek: Rowohlt 1983. S. 163.

[32] 6 Ders.: . S. 5.

[33] Ebd. S. 6.

[34] Ebd.

[35] Anmerkung: Wird diese Grenzüberschreitung auf den Aspekt des topografischen Teilraums ‚Himmel-Erde‘ bezogen, so könnten sich noch tiefer gehende Interpretationsbereiche herstellen lassen, die aber aus Umfangsgründen an dieser Stelle unberührt bleiben müssen.

[36] Anmerkung: Ab diesem Zeitpunkt wechselt der Erzähler, so dass Azwei sowohl Erzähler als auch Figur der intradiegetischen Erzählebene ist.

[37] . S. 9.

[38] Ebd. S. 10.

[39] Ebd. S. 8.

[40] Anmerkung: Betz und Eichberg plädieren für so eine eindeutige Bedeutungszuweisung der Vertikalen. Vgl. Thomas Betz/Florian Eichberger: „Körperteilerkenntnis.“

[41] Die Amsel. S. 11.

[42] Ebd. S. 13.

[43] Ebd. S. 17-19.

[44] Ebd. S. 19.

[49] Vgl. ebd.

[45] Ebd. S. 23.

[46] Anmerkung: Im Vergleich zu der modularisierten Räumlichkeit der Mittelstandswohnung, in der Azwei eine geistige und körperliche Bewegungsenge verspürt, stellt der familiäre Dachboden einen Freiraum dar, in dem für Azwei persönliche Erlebnisse möglich werden.

[52] Robert Musil: Die Amsel. S. 25.

[47] Ebd.

[48] Anmerkung: Musil schreibt in Ansätze zu neuer Ästhetik zur Dauer des ‚anderen Zustands‘, dass „dieser Zustand, außer in krankhafter Form, niemals von Dauer“ sei, er würde „sich nicht zur Totalität strecken“ lassen. Vgl. Robert Musil: „Ansätze zu neuer Ästhetik. Bemerkungen über eine Dramaturgie des Films.“ In: Robert Musil. Gesammelte Werke. Bd. 8: „Essays und Reden.“ Reinbek: Rowohlt 1978. S. 1137-1154. Hier S. 1154.

[49] Anmerkung: Vgl. hierzu Aeins’ Frage ob „dies alles einen Sinn gemeinsam hat“? Robert Musil: Die Amsel. S. 27.

Die Illustrationen zu diesem Text stammen von Henning Strassburger
*1983 in Meißen, lebt und arbeitet in London und Berlin.
Henning Strassburger studierte von 2006 bis 2009 an der Kunstakademie Düsseldorf.
http://www.henningstrassburger.de

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