Annika Blohm: Baldassare Castigliones sprezzatura im beginnenden 21. Jahrhundert

1. Einleitung[1]

1528 erschien die endgültige Fassung von Baldassare Castigliones Il libro del cortegiano, eines der erfolgreichsten Werke der italienischen Renaissanceliteratur. Während in diesem „als Spiel ausgewiesenen Diskurs“[2] ein Bild des vollkommenen Hofmannes skizziert wird,[3] werden ebenfalls nicht minder idealisiert gesellschaftliche Verhaltensweisen am Hof in Urbino dargestellt. In seiner grundlegenden Kultur der Renaissance in Italien formulierte Jacob Burckhardt 1860, der von Castiglione dargestellte Hofmann sei „eigentlich der gesellschaftliche Idealmensch, wie ihn die Bildung jener Zeit als notwendige, höchste Blüte postuliert“[4]. Castigliones Dialog ist in der Tat ein äußerst interessantes Zeugnis der Selbststilisierung der Hofgesellschaft. Der Cortegiano konnte aufgrund des darin erläuterten Ideal- bzw. Vorbilds ebenfalls als Leitfaden gelesen werden. Nicht zuletzt wegen dieser Eigenschaft zog das Werk im frühneuzeitlichen Europa starkes Interesse auf sich. Im 16. und 17. Jahrhundert erschienen allein in Italien etwa 62 Ausgaben des Cortegiano.[5]

Als eine zentrale Fähigkeit des vollkommenen Hofmanns wird im Cortegiano die der sprezzatura benannt. Dabei handelt es sich um eine besondere Art der Präsentierung der Leichtigkeit zu jedem Handeln,[5] hinter deren Fassade jede eigentliche Anstrengung und Mühe verborgen werden soll, um Anerkennung zu erzielen. Gleichzeitig soll die sprezzatura dem Hofmann grazia verleihen, d.h. ihn angenehm und freundlich wirken lassen. Diese Neukonzeption der sprezzatura nach dem antiken Vorbild des celare artem wurde zu einem Gegenstand internationalen Transfers. Aus dem gesellschaftlichen Diskurs ist die sprezzatura inzwischen weitgehend verschwunden, allerdings wird sie hin und wieder erwähnt. Virginia Postrel z. B. stellte sie 2004 als zentralen Bestandteil des glamour fest.[6] Jürgen Trabant behauptete 2006 gar eine Eins-zu-Eins-Übertragung der sprezzatura in die coolness.[7] Dem frühneuzeitlichen Konzept wird also noch immer Aktualität beigemessen. Diese Arbeit beschäftigt sich daher mit der Frage, ob und inwiefern sich Castigliones sprezzatura auf das beginnende 21. Jahrhundert übertragen lässt. Auf den ersten Blick zeigt sich an Trabants und Postrels Vorschlägen das Problem, dass diese sich auch auf Dinge beziehen können. Der sprezzatura ist jedoch die Verknüpfung mit dem menschlichen Handeln wesentlich. Zur Verortung einer zeitgemäßen sprezzatura wird daher nach den sozialen Höfen, Herrschenden und Hofleuten des 21. Jahrhunderts gesucht. Ausgangspunkt ist hier die These, dass das Ansehen bedeutender Künstler und Persönlichkeiten jenem der alten Eliten ähnelt und sich durchaus in sozialen Höfen niederschlägt. Der grazia durch sprezzatura wird der vom Publikum beigemessene fame vergleichend entgegengestellt: Die gezielte Erhaltung und Vergrößerung des fame ist bedingt durch einen Komplex aus Mühe, Kunst und Strategie. Inwiefern sich die sprezzatura auf die Technik erfolgreicher Kunst im beginnenden 21. Jahrhundert übertragen lässt, soll schließlich anhand des Fallbeispiels des Freestyle-Rap untersucht werden. Zwischen den Geschicken des Castiglioneschen Hofmanns und den Fähigkeiten eines erfolgreichen Freestyle-Rappers ergeben sich bereits auf den ersten Blick wesentliche Parallelen. Im Vordergrund steht auch hier die Mühelosigkeit bei „spontaner“ Performance, der Erfolg der Handlung bemisst sich am Publikum.

2. Grazia und sprezzatura in Castigliones Il libro del cortegiano

2.1 Die grazia, konzeptueller Kontext der sprezzatura

Zu den zahlreichen Charakteristika, die ein idealer Hofmann Castigliones Cortegiano zufolge aufweisen soll, gehört die grazia. Dieses Konzept hat seinen Ursprung in der griechischen Mythologie, ist seitdem wiederkehrendes Thema in der bildenden Kunst und hat u. a. den kunsttheoretischen bzw. wahrnehmungsbezogenen Diskurs in Europa über Jahrhunderte geprägt. Dabei standen synchron und diachron verschieden ausgeprägte oder einander gar widersprechende Vorstellungen gegenüber, nicht erst hervorgerufen durch die Adaption des Diskurses in andere Sprachräume, die weitere begriffliche und konzeptuelle Differenzierungen nach sich zog (wie etwa bei Friedrich Schiller, der 1793 in Ueber Anmuth und Würde einen Versuch der Abgrenzung von Grazie und Anmut unternahm).

Eine enge Definition von gratia ist im Thesaurus Linguae Latinae zu finden:

gratia proprie favorem significat, i. inclinationem animi ad bene faciendum alicui, colendum aliquid tam ultro quam ob beneficium ante acceptum. hinc transfertur ad statum eius personae, cui hic favor accidit. similiter de qualitate rerum, quae placent, adhibetur.[8]

Auf dieser Definition fußt auch Castigliones Graziakonzept. Jedoch bringt er die grazia erstmals in einen verhaltensbezogenen Zusammenhang.[9] Schon im ersten Buch des Cortegiano, gleich zu Beginn des Spiels, wird sie durch die Figur Graf Ludovico da Canossa als für einen Hofmann notwendige Qualität vorgestellt.[10] Die grazia soll einen Hofmann liebenswürdig, natürlich, angenehm und freundlich sowie durch Gestaltung der Handlungen derart, dass diese die Beteiligten erfreuen, überzeugender wirken lassen. Manfred Hinz verortet „einerseits […] de[n] Hofmann, der ‚grazia‘ besitzt, andererseits ‚ogni gran signore‘, der ihm dieselbe erweist. Die ‚grazia‘ ist in Canossas Konstruktion sowohl Mittel wie Zweck des höfischen Diskurses“[11].

2.2 Graf Canossas Sprezzaturabegriff

Canossa, der viel von grazia spricht, kündigt an, eine Regel für deren Erzeugung gefunden zu haben, den Gebrauch der sprezzatura:

Ma avendo io già più volte pensato meco onde nasca questa grazia, lasciando quelli che dalle stelle l’hanno, trovo una regula universalissima, la quale mi pare valere circa questo in tutte le cose umane che si facciano o dicano più che alcuna altra. E ciò è fuggire quanto più si può, e come un asprissimo e pericoloso scoglio, l’affettazione, e, per dire forse una nuova parola, usare in ogni cosa una certa sprezzatura, che nasconda l’arte e dimostri ciò che si fa e dice venir fatto senza fatica e quasi senza pensarvi. Da questo credo io che derivi assai la grazia, perché delle cose rare e ben fatte ognuno sa la difficoltà, onde in esse la facilità genera grandissima maraviglia […]. Però si può dire quella essere vera arte che non appare essere arte; […] perché se è scoperta, leva in tutto il credito e fa l’uomo poco estimato.[12]

Canossa grenzt die sprezzatura ab von einem worst case scenario, dem es sich zu entziehen gilt. Demnach besteht sie in der Vermeidung der Affektiertheit (affettazione), einer habituellen „Unart“, die in der Offensichtlichkeit der Anstrengung zum Handeln liegt und die grazia eines Hofmanns effektiv verhindert. Überdies soll die sprezzatura gebraucht werden, um die Konstruiertheit einer Handlung zu maskieren und bei ihrer Ausführung Mühelosigkeit und eine gewisse Beiläufigkeit zu präsentieren. Selbst wenn Canossa mit dieser Definition eine vage Skizze des Konzepts anfertigt, lassen sich aus der Weise, in der er hier und im Weiteren von der sprezzatura spricht, weitere Schlüsse über ihre Gestalt ziehen. Hilfreich ist dabei, dass der Graf von allen Beteiligten der einzige ist, der an einer Sprezzaturadefinition wirkt. Niemand widerspricht ihm in seiner Erklärung oder fügt dieser etwas hinzu. Welche Gestalt die sprezzatura im Cortegiano genau haben soll, lässt sich daher – im Gegensatz zu dort umstritteneren Punkten – eindeutig bestimmen.

Welche wesentliche Rolle die sprezzatura spielt, wird u. a. an einer Spielregel deutlich: Zur Vermeidung der Langeweile möge man sich so kurz wie möglich fassen. Die Regel wird einmalig durch einen Spieler übertreten – so entscheidet Signora Emilia Pia, Spielleiterin von „Herzogins Gnaden“. Im Streit über die questione della lingua[13] „klammert“ sich Federico Fregoso geradezu verzweifelt an die Diskussion, da er daran scheitert, zu überzeugen, und sich weigert, von weiteren Versuchen abzulassen, bis er schließlich ermahnt wird und gezwungen ist, seine Rede endgültig abzubrechen.[14] Graf Canossa hingegen darf über die sprezzatura nicht nur lange und detailliert sprechen, man stellt ihm sogar Fragen. Jede seiner Erläuterungen muss daher wesentlich sein.

Canossa erklärt, von der sprezzatura müsse Gebrauch machen, wer nicht von Natur aus grazia habe. Sie liege in der größtmöglichen Distanzierung von der affettazione in allen Lebenslagen. Der Zweck dieser Distanzierung sei eine Kunst: Das Verbergen der Anstrengung erwecke den Anschein, Tun und Reden geschähen mühelos und fast ohne Nachdenken. Mit sprezzatura gestaltete Handlungen erzeugten grazia, weil es wundersamer sei, etwas Schwieriges mit Leichtigkeit zu bewältigen als mit der entsprechenden Mühe. Die Offensichtlichkeit der Anstrengungen aber verhindere das Ansehen. Hempfer beobachtet, der Hofmann „tut nicht so, als verfüge er über bestimmte Qualitäten, die er gar nicht hat, sondern er tut so, als ob er über diese Qualitäten mühelos, d. h. ohne studio und arte verfüge, obgleich er sie sich eben hiermit angeeignet hat“[15].

Wenn die Sicherstellung des Ansehens Ziel der sprezzatura ist, bedeutet dies, dass sich der Wert einer Handlung an dem Grad der Anerkennung durch das Publikum misst. Die sprezzatura ist ein Werkzeug, das benutzt (Canossa: „usar […] sprezzatura“) werden kann, d. h. bewusst eingesetzt wird. Sie ist daher keine Eigenschaft, sondern ihr Gebrauch ist eine Fähigkeit. Das bedeutet: Man hat nicht sprezzatura wie man etwa grazia hat, sondern man kann sprezzatura. Wenn die sprezzatura signalisieren soll, dass eine Handlung beinahe ohne Nachdenken ausgeführt wird, darf die Handlung nicht erkennbar wiederkehrende Muster aufweisen; eine durchschaubare Technik macht die Bewusstheit der Handlung offensichtlich. Bereits eine kurz gezeigte sichere Gewandtheit kann auf ein vollkommenes Beherrschen einer Kunst hinweisen. Hinz bezeichnet die sprezzatura daher als eine „Technik […] der ironischen Selbstverkleinerung und -zurücknahme“[16].

Wenn Canossa mit dem Hinweis einleitet, dass sich nur solche Menschen der sprezzatura bedienen müssten, die nicht von Natur aus grazia haben, bedeutet dies im Umkehrschluss, dass andere sich nicht mit der demonstrierten Leichtigkeit beweisen müssen. Tatsächlich maßt sich niemand an, die grazia der Herzogin zu hinterfragen. Schon der Hinweis darauf, dass grazia naturgegeben sein könne, verhindert die Infragestellung der Herrschergrazia. Selbst im herrscherkritischen vierten Buch des Cortegiano wird nicht die Möglichkeit thematisiert, die grazia bestimmten Herrschern öffentlich abzuerkennen. Dies gilt ebenso für ihre Fähigkeit, grazia zu verleihen.[17] Die grazia konstituiert sich im Cortegiano also auf zwei Weisen: die grazia eines Hofmanns durch Unterbeweisstellung seiner Fähigkeit, sprezzatura zu gebrauchen (d. h. mittelbar und solange sprezzatura gebraucht wird); die grazia eines Herrschers per Status (d. h. unmittelbar und ständig). Wenn der Gebrauch der sprezzatura also grazia erzeugt, so ist diese nur eine Annäherung an die unmittelbare grazia der Herrschenden.

2.3 Begriff und Ursprung

Erich Loos, dessen 1955 veröffentlichte Schrift über den Cortegiano grundlegend für die heutige Forschung ist, ordnet die sprezzatura (und die grazia) denjenigen Charakteristika zu, die sich „in verwandten Traktaten der Zeitgenossen oder der Vorgänger nicht finden und daher kennzeichnend für Castiglione sind“[18]. Zwischen der Bedeutung des Wortes sprezzare und dem Inhalt einer davon abgeleitet benannten sprezzatura findet Loos eine Diskrepanz, auf die er jedoch nur insoweit eingeht, als dass er sie zur Kenntnis nimmt und sich damit abfindet, ohne dem Problem weiter nachzugehen:

Der ursprüngliche Sinn, der als Ableitung vom Verbum sprezzare ein Element der Verachtung enthalten müßte, wird bei ihm [Castiglione] zu einer nur scheinbaren und gleichsam eleganten Nachlässigkeit, die alle Mühe und Anstrengung verbirgt. Deutlicher wird das noch, wenn er von einer sprezzatura disinvoltura spricht.[19]

Jürgen Trabant hingegen legt eine Erklärung des Sprezzaturabegriffs vor, die gar kein derartiges Problem aufkommen lässt. Dies erreicht er, indem er den doppelten Sinn des Wortes sprezzare beachtet: „Sprezzare heißt eigentlich ‚verachten, nicht beachten‘. Sprezzatura heißt also ‚Verachtung, ‚[sic]Nicht-Beachten‘. Gemeint ist damit: Nicht-Achten auf die eigene Handlung.“[20]

Während Loos also auf einen scheinbaren Widerspruch stößt und diesen nicht vollkommen erklären kann, findet Trabant eine einfache und schlüssige Erklärung für die Benennung der sprezzatura.

Der Kern der sprezzatura, ihre eigentliche Funktionsweise, ist keine Idee Castigliones. Wie die grazia steht auch sie in antiker Tradition. Den Bezug lässt Castiglione durch Canossa selbst herstellen und verleiht der sprezzatura mithin Legitimation durch eine autoritäre Instanz:

E ricordomi io già avere letto essere stati alcuni antichi oratori eccellentissimi, i quali tra le altre loro industrie sforzavansi di far credere a ognuno sé non avere notizia alcuna di lettere. E dissimulando il sapere mostravano le loro orazioni essere fatte simplicissimamente, e più tosto secondo che loro porgeva la natura e la verità, che lo studio e l’arte.[21]

Das, worauf Canossa hier anspielt, ist das antike Konzept der kaschierten Kunst. Wolfgang Brassat zeichnet dessen Entwicklung nach und benennt dabei einige Parallelen zur sprezzatura:

Schon Cicero hatte im „Orator“ von den Vorzügen einer „neglegentia diligensis“, also einer bedachten, sorgfältigen Nachlässigkeit, gesprochen. Von Ovid war dieses Konzept auf die fortan vielzitierte Formel „ars est celare artem“ gebracht […] worden. Die auch von Quintilian gepriesene Kunst, „nicht als Kunst zu erscheinen“, trat dann im dritten nachristlichen Jahrhundert in der […] Schrift „Vom Erhabenen“ des Ps[eudo]Longinos ins Zentrum seines eklektischen Erneuerungsprogramms.[22]

Hempfer nennt die sprezzatura die „gesellschaftstheoretisch generalisierte rhetorische Kategorie des celare artem[23]. Sie ist die Anwendung und Erweiterung des celare artem auch auf nichtsprachliche Handlungen.

Konkrete Anhaltspunkte aus dem 15. Jahrhundert liefert Eckard Marchand in Gebärden der Florentiner Malerei:

Obzwar der Cortegiano 1507 geschrieben wurde, und Castiglione den Begriff der Sprezzatura als einen Neologismus einführt, sprechen schriftliche und bildliche Quellen dafür, daß das von ihm besprochene höfische Benehmen bereits im Quattrocento existierte. […] Gerade in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts wurde ein derartiges höfisches Verhalten […] zunehmend in der bildenden Kunst in Florenz […] verwendet.[24]

2.4 Vorgeführte sprezzatura und affettazione

Castiglione bedient sich sprachlich-theoretischer (die Benennung, Erläuterung und gegebenenfalls Diskussion diverser Qualitäten) und performativ-praktischer (die Vorführung dieser Qualitäten) Komponenten, um die Geschicke eines idealen Hofmanns zu skizzieren. Möglich wird dadurch eine eingehende Veranschaulichung der Idealausstattung eines Hofmanns, wie er in der Realität kaum Entsprechung hätte. Die Vorführung von sprezzatura geschieht sowohl vor wie auch nach Canossas Ausführungen und sie geschieht innerhalb und außerhalb des fiktiven Universums, d. h. sie ist nicht nur in der Cortegiano-Handlung, sondern auch in seiner Situierung und Konzeptionierung angelegt.

Für die optimale Darstellung dessen, was sprezzatura praktisch bedeuten kann, ist die von Castiglione konzipierte freundschaftliche Spielsituation ideal. Die Teilnehmer vertreten dabei nicht zwangsläufig eigene Standpunkte, sondern nehmen eine Rolle an und sprechen innerhalb deren Gestalt. Dieses setting suggeriert das Bestehen einer Basis für lockere Unterhaltungen, in denen niemand persönlich angegriffen werden kann. Das Arrangement des Spiels also bereitet schon Freude, das Spiel selbst ist anmutig. Durch das inszenierte spontane Annehmen einer beliebigen Rolle zeigen die Spieler überdies die von der sprezzatura geforderte besondere Handlungsfähigkeit par excellence. Auch das im Cortegiano herrschende Lachen und Lächeln scheint Element dieses Spiels zu sein. Aufgrund der starken Dialoghaftigkeit des Werks erinnern die Hinweise auf das Lachen und Lächeln an Regieanweisungen im Drama. Diesen entsprechend umschreiben und betonen sie den Spielcharakter: Im Lachen finden gleichzeitig Freude und Gefallen am Spiel, sowie die Leichtigkeit, zu spielen, einen Ausdruck. Andererseits treten diese „Anweisungen“ so häufig auf, dass ihnen auch ein gewisser drohender Charakter zukommt: Das Lachen und das Lächeln entsprechen einem und signalisieren einen habituellen Imperativ. Wer sich am Spiel beteiligt, hat sich daran zu erfreuen. Wer nicht lächelt, der fügt sich nicht ein in die Hofmannsart und scheitert daher.

Nicht nur grazia und sprezzatura werden während ihrer Erläuterung performativ präsentiert, sondern ebenfalls die affettazione: Nachdem sprezzatura und affettazione eingehend diskutiert wurden und die Spieler sich bereits anderen Themen zugewandt haben, begeht Fregoso seinen erwähnten Fauxpas. Obwohl man ihn mehrfach auffordert, die Rede abzubrechen, lässt er nicht ab von seinem Versuch, zu überzeugen. Keiner der Beteiligten merkt an, Fregoso riskiere affektiertes Auftreten. Dem Leser aber wird klar, welcher Klippe Fregoso sich da gerade nähert: Seine Unfähigkeit, zu überzeugen, seine Ungezügeltheit im Unternehmen immer weiterer Versuche, das Erheben seiner Stimme und schließlich die schwerwiegende und verzweifelt wirkende Handlung, aufzustehen, um zu versuchen, seinen Worten noch den letzten möglichen Nachdruck zu verleihen – all dies zeigt, wie viel Mühe und Anstrengung ihm das Reden in diesem Moment abverlangt, und mündet am Ende nur in sein Scheitern. Schließlich wird er von Emilia Pia aufgefordert, Ruhe zu geben. Die Vermutung liegt nahe, dass Castiglione hier vorführen möchte, wie affettazione – wenigstens für einen Moment – disgrazia erzeugen kann.

Nicht nur die Protagonisten des Spiels nutzen die sprezzatura. Castiglione selbst greift auf sie zurück. So lässt der Autor sein Konzept bspw. ausgerechnet durch Canossa vorstellen, dem einzigen Nicht-Hofmann unter den Spielenden. Dieser wird von Signora Emilia Pia aufgefordert, das Spiel zu beginnen, da er von allen darin am wenigsten Kompetenz besitzt.[25] Castiglione zeigt Bescheidenheit, wenn er sein neues (aber wesentliches) Wort von einem Sprecher präsentieren lässt, dessen Sachkundigkeit als gering eingeschätzt wird. Mit dieser inszenierten Selbstzurücknahme verhält er sich der sprezzatura gemäß.

2.5 Ästhetische und instrumentelle Funktionen der sprezzatura

Harry Berger formuliert in The Absence of Grace eine die ästhetischen und instrumentellen Funktionen umfassende Definition der sprezzatura im Cortegiano. Hinsichtlich der ästhetischen Funktion sei die sprezzatura „technology of behavioral performance“: „the ability to show that one is not showing all the effort one obvious ly put into learning how to show that one is not showing effort“.[26] Sie kommuniziere dabei zweierlei Botschaften: einerseits ein „Look how artfully I appear to be natural“, andererseits ein „Look how naturally I appear to be artful“.[27] Berger unterscheidet also die Fähigkeiten künstlerisch-natürlich sowie natürlich-künstlerisch zu wirken. Die Kombination dieser Fähigkeiten nennt er sprezzatura of nonchalance.

Hinsichtlich ihrer instrumentellen Funktion sei die sprezzatura: 1.) Mittel der Suggestion, die gekonnten Darbietungen resultierten aus der mit Leichtigkeit herausragenden Beherrschung jeden beliebigen Tuns (sprezzatura of conspicuously false modesty); 2.) Mittel zur nachdrücklichen Absteckung von Klassengrenzen durch die demonstrierte Überlegenheit der Sachverständigen gegenüber jenen, die eine verschlüsselte Darbietung in ihrer Komplexität nicht zu dechiffrieren wissen (sprezzatura of elite enclosure); 3.) politisch-strategisches Mittel zur Verbergung, hinter einer höflich-vornehmen Maske dessen, was am Hof tatsächlich begehrt, gedacht, gemeint, beabsichtigt oder gefühlt wird, z. B. Aggression und Konkurrenz (sprezzatura of suspicion). Berger argumentiert, sprezzatura sei nicht ein Mittel zur kontinuierlichen Maskierung etwa beständiger Aggression, sondern ein Mittel zur Signalisierung, ein Hofmann sei – wenn nötig – im Stande, etwas zu maskieren:

The true courtier professes himself capable of falsehood; among the accomplishments by which he prefers himself to princes in his ability to show that he is cunningly able to dissemble. […] The courtier promotes himself and tries to win the prince’s confidence by displaying his mastery of the behavioral rhetoric, the choreography, that signifies the ability and willingness to deceive.[28]blohmHinz äußert einen Gedanken, der Bergers sprezzatura of elite enclosure ähnlich ist, das Moment der konstruierten Distinktion zwischen Sachkundigem und Nichtsachkundigem jedoch an anderer Stelle verortet: „Die ‚sprezzatura‘ […] ist ein Instrument, dem Publikum die exakte Meßbarkeit der Handlungen und Äußerungen des Hofmannes zu verwehren, um sie für den Akteur zu monopolisieren.“[29] Nach Hinz forciert nicht nur die bloße Chiffriertheit einer Handlung die Kräfteverhältnisse, sondern zudem das Moment, in dem es einem Außenstehenden nicht gelingen kann, den Wert einer chiffrierten Handlung zu ermessen.

Bergers sprezzatura of suspicion scheint zunächst zweifelhaft, weil sie sich nicht direkt aus Canossas Erläuterung der sprezzatura ergibt. (Berger führt keinerlei Quellenbeleg an.) Die Herleitung dieser instrumentellen Dimension ist jedoch durch eine spätere Bemerkung Canossas möglich, in der es um die Liebe geht. Die Herleitung ist gerechtfertigt, weil es wesentlich für das Spiel ist, dass seine Teilnehmer Rollen übernehmen. Canossa prägt seine Rolle durch seine ersten Redebeiträge eindeutig: Er gibt sich zu erkennen als eine Person, deren Handlungsgrundlage das Grazia-/Sprezzaturakonzept ist. Alle weiteren Aussagen Canossas müssen sich in diese Situierung einfügen, andernfalls fiele er aus der Rolle. Auch ein Beitrag des Grafen über die Liebe ist daher vor dem Hintergrund der grazia und sprezzatura zu verstehen. Der Ausführung Magnifico Giulianos darüber, dass die Liebe zwischen Mann und Frau am süßesten sei, wenn sie nicht öffentlich ist, entgegnet Canossa:

Talora ancora l’essere pubblico non nuoce, perché in tale caso gli uomini spesso estimano che quegli amori non tendano al fine che ogni amante desidera, vedendo che poca cura si ponga per coprirli, né si faccia caso che si sappiano o no. E però col non negare si vendica l’uomo una carta libertà di poter pubblicamente parlare e stare senza sospetto con la cosa amata. Il che non avviene a quelli che cercano di essere segreti, perché pare che sperino e siano vicini a qualche gran premio, il quale non vorriano che altri risapesse.[30]

Das Begehren wird hinter vermeintlicher Offenheit versteckt: Die Unterlassung jeder Anstrengung, öffentlich die Liebe zu einer Frau zu verbergen, soll jeden Verdacht zunichte machen, dass es privat noch unanständiger zugehe. Canossa selbst spricht von „stare senza sospetto“[31].

Im sozialen Kontext beinhaltet die sprezzatura nach Berger also tatsächlich ein Moment der Verachtung, das in der sprezzatura of suspicion und der sprezzatura of elite enclosure besteht. Ein Akteur schöpft bewusst Nutzen aus dem Vorteil, dass Außenstehenden die vollkommene Durchschau- und Messbarkeit durch eine Handlung versagt wird. Der Akteur zielt für den kurzen Moment einer Handlung bewusst und direkt auf die Degradierung Außenstehender ab. Allzu schwer darf dieses Moment jedoch nicht ins Gewicht fallen: Wirkt der Hofmann nicht angenehm freundlich, scheitert er daran, grazia zu haben. Daher stützt dieses Moment der Verachtung nicht Loos’ Begriffsherleitung; Castiglione kann dem grazia erzeugenden Werkzeug keinen Namen geben, der ihrem Wesen so sehr widerspricht, dass das Werkzeug selbst in Frage gestellt ist.

3. Cortegiano-Rezeption und -Adaption seit dem 16. Jahrhundert

Die Cortegiano-Rezeption bis ins 20. Jahrhundert versucht Burke in The Fortunes of the Courtier nachzuvollziehen. Scheinbar zog das Manuskript bereits Aufmerksamkeit auf sich, bevor es überhaupt veröffentlicht war.[32] Seit der Veröffentlichung der heute bekannten Cortegiano-Fassung von 1528 schließlich sei die Nachfrage beachtlich gewesen. Der Text sei in immer neuen Ausgaben von verschiedenen Häusern verlegt worden, die ihrerseits bemüht gewesen seien, eigene Ausgaben attraktiver als diejenigen der Konkurrenz zu gestalten. Die Ausgaben sollten sich hervortun durch eine Gestalt, die der jeweils vorangehenden Ausgabe überlegen war. Allerdings zog das Bemühen um eine immer höhere Attraktivität ebenfalls eine Umgestaltung des Cortegiano nach sich; angefügte Inhaltsverzeichnisse und andere Bequemlichkeiten sollten eine immer größere Leserfreundlichkeit gewährleisten. Laut Burke ist der Text daher immer mehr als Anleitung verstanden und gelesen worden. Die Editionen legten dies nahe:

One might say that […] the author thought of his book as an example of one genre, while editors and many readers placed it in another. Despite Castiglione’s concern to control the production of the first edition, the book was taken out of his hands thereafter, thus illustrating in a dramatic way the inevitable process of the detachment or distanciation of a printed text from its original context or milieu. […] The marginalia, index, table of contents and final summary echoed one another rather than the author’s text. These additions by the editors generally took the form of rules.[33]

Durch die Umdeutung des Cortegiano als Regelwerk wurde er für den Leser zum habituellen Leitfaden seiner Zeit.

Ein wesentlicher Grund für den Erfolg des Cortegiano liegt nach Einschätzung Burkes in der Vielfalt der darin vertretenen Charaktere. Diese habe es einem breiten Publikum ermöglicht, sich im Werk repräsentiert zu finden.[34] Schnell habe der Cortegiano in ganz Europa Bekanntheit erlangt und sei dort literarisch auf verschiedene Weise verarbeitet worden. Dies geschah in Form der Adaption in Teilen von Werken (wie in Roger Aschams The Scholemaster, 1570), der Betrachtung von Themen aus anderer Perspektive (wie Luis Miláns El cortesano, 1561) und selbst des annähernden Plagiats (wie Cristóbal de Villalóns El scholástico oder Nicolas Farets L’Honnête homme ou l’art de plaire à la court, 1630).36 Ebenfalls stellt Burke eine neue starke Auseinandersetzung mit dem Mann und der Frau von Stand fest: bis 1625 seien in Europa zu diesem Thema geschätzte 1000 Abhandlungen erschienen.[35]

Auch im gesellschaftlichen Leben habe der Cortegiano seine Prägung hinterlassen. Anerkennende Bemerkungen in verschiedenen Texten, die einzelne Personen loben, ein leibhaftiges Exemplar Castigliones Hofmanns zu sein, lassen auf die Bedeutung schließen, die man dem Werk beimaß.[38] Einhergehend mit dem Diskurs über den Hofmann, wie er in Castigliones Buch steht, sorgte der Sprezzaturabe griff für Aufsehen.[36] Die angeführten Beispiele zeigen jedoch, wie stark das Konzept schon bald nach Castiglione umgedeutet wurde.

Das Interesse am Cortegiano ist Burke zufolge spätestens Mitte des 17. Jahrhunderts verschwunden. Verantwortlich hierfür seien Reformation und Gegenreformation, die bewirkten, dass das Werk als zu wenig religiös befunden wurde, die Ablösung des italienischen Kulturvorbilds durch das spanische und französische, sowie die Absage an die Vorstellung, ein Auftreten mit grazia sei – anstelle des Gehorsams gegenüber dem Fürsten – am Hofe der Schlüssel zum Erfolg.[37] Wenn auch der Cortegiano für das soziale Leben mehr und mehr an Bedeutung verlor, bedeutet dies nicht, dass all dessen Topoi mit untergingen. James McAllister verortet im 17. Jahrhundert geradezu den „Aufstieg der Rhetorik der Mühelosigkeit“[38].

Burke stellt die Anhäufung einer beträchtlichen Menge an Literatur über den Hof bis 1630 fest.[39] Der Zusammenfluss habe den Einfluss getilgt, der Cortegiano sei immer redundanter geworden. Entsprechend verlor sich auch der Sprezzaturabegriff mehr und mehr. Zwar findet sich immer wieder der Gedanke, dass, wem Schwieriges ohne erkennbare Mühe gelingt, andere mit Bewunderung begegnen. Jedoch handelt es sich dabei nicht um einen Gedanken, der ohne Castiglione unmöglich wäre. Schließlich war Castiglione nicht Urheber des Kerns der sprezzatura, sondern trug eigentlich zur Tradierung des celare artem bei, indem er es zum Gegenstand eines neuartigen und tiefgreifenden Diskurses machte. Es nimmt jedoch nicht Wunder, dass andere nach ihm der Sache neue, unterschiedliche Namen gaben. Jacques Du Bosc bezeichnete sie 1632 noch cortegianoverwandt als „bonne grace“ („La bonne grace se remarque à faire tout comme par nature, et sans effort“[40]), in England sprach Locke 1693 von „ease“.[41]

Im 18. Jahrhundert wurden Neuauflagen des Cortegiano veröffentlicht und Castiglione wurde auch in England neue Aufmerksamkeit zuteil, wo der Cortegiano z. B. auf den sich herausbildenden dandy einwirkte. George Wyndham bemerkte noch in den 1890ern die Verbreitung des Sprezzaturaideals unter Studenten in Oxford.[42]

4. Grazia und sprezzatura im beginnenden 21. Jahrhundert?

Die Überlieferung des Cortegiano bringt mit sich, dass Beobachtungen wie diejenige Wyndhams fortgeführt werden können. In diesem Sinn geht diese Arbeit der Frage nach, inwieweit bestimmte Charakteristika des Castiglioneschen Hofmanns auf die Gegenwart übertragbar sind. Wie bereits erwähnt wurden u. a. von Trabant und Postrel schon entsprechende Vorschläge gemacht. Insbesondere diesen Vorschlägen soll im Folgenden prüfend nachgegangen werden. Im Vordergrund steht dabei die Frage, inwiefern die jeweilige Analogie die Konturen des oben dargestellten Sprezzaturakonzepts ausfüllt oder überzeichnet.

4.1 Die coolness

In Europäisches Sprachdenken behauptet Trabant eine Eins-zu-Eins-Übertragung von der sprezzatura auf die coolness:

Coolness ist die grazia, die sprezzatura, die den modernen Höfling ausmacht. Die zentrale Norm alles dessen, was den jungen Höflingen von heute in Lifestyle-Magazinen vorgeschlagen wird, ist nichts anderes als sprezzatura. Es ist dieselbe die Kunst verbergende Anmut, grazia, wie im 16. Jahrhundert. Um modern zu sein und um sprezzatura zu haben, muß diese Eigenschaft natürlich durch ein neues, ein amerikanisches Wort bezeichnet werden: coolness. Die Entlehnung aus fremden Sprachen ist ebenso wie die semantische Innovation nach Castiglione gerade ein charakteristischer Zug höfischer Sprache.[43]

Wie gezeigt wurde, sind grazia und sprezzatura nicht deckungsgleich zu verstehen. Sprezzatura ist nicht Kunst verbergende grazia. Beide Konzepte stehen zueinander in einem Mittel-Zweck-Verhältnis, in dem das eine vom anderen abhängig ist. Trabant benutzt den Sprezzaturabegriff im Sinne einer Eigenschaft (sprezzatura haben). Jedoch ist die sprezzatura keine Eigenschaft, sondern ihr gekonnter Gebrauch ist eine Fähigkeit. Die coolness hingegen ist in dieser Hinsicht ambivalent. Einerseits können wir eine Person cool nennen und benennen dabei eine Eigenschaft. Wir können diese Eigenschaft sogar einem Ding zusprechen; eine Möglichkeit, die in Casti gliones Konzept nicht vorgesehen ist. Die Eigenschaft coolness ist nicht übertragbar auf die sprezzatura.

blohm2Andererseits können wir von der coolness Gebrauch machen und sie zu einem bestimmten Nutzen einsetzen. Der Ausdruck „to play it cool“ meint in der Tat, dass hinter einer Fassade der coolness versteckt wird, was dem Nutzen nicht zuträglich ist. Wer zum Beispiel auf hohem Niveau Poker spielt und aufgrund schlechter Karten nervös ist, muss diese Nervosität maskieren, um über eine letzte Möglichkeit, zu gewinnen, zu verfügen: den Bluff. Bei dieser für das Pokerspiel wesentlichen maskierenden coolness tut sich eine interessante Parallele zur Meisterung des Cortegianospiels mit sprezzatura auf. Es lohnt sich daher, näher auf das Beispiel einzugehen. Zunächst unterscheiden sich beide Spiele konzeptionell: Im Cortegiano gewinnen all jene, die nicht dauerhaft an den Spielregeln scheitern. Dies bedeutet zum einen, dass alle gewinnen können, zum anderen, dass auch der sichere Sprezzaturagebrauch über den Erfolg entscheidet. Beim Poker hingegen gibt es nur einen Sieger, alle anderen aktiven Spieler verlieren zwangsläufig. Der sichere Gebrauch maskierender coolness kann über den Erfolg entscheidend sein, führt jedoch nicht in jedem Fall zum Erfolg. Die maskierende coolness kann scheitern, selbst wenn sie meisterhaft gebraucht wird. Greift man auf die im Vorfeld von Berger beschriebenen Sprezzaturafunktionen zurück, wird deutlich, dass ein Bluff[44] die sprezzatura of nonchalance nur bedingt erfüllt: Sein Wesen besteht darin, auf künstliche Weise eine gewisse Natürlichkeit auszustrahlen, denn ein Spieler verhält sich trotz schlechter Karten gefasst. Es widerspricht jedoch dem Wesen des Bluffs, auf natürliche Weise künstlich zu wirken. Denn wer während des Bluffs zeigt, wie gelassen er mit schlechten Karten wirken kann, demaskiert sich und verliert. Vielmehr geht es um die sprezzatura of suspicion, die Maskierung tatsächlicher Emotion. Denn erstens muss ein Pokerspieler im Stande sein, die Nervosität zu maskieren, und zweitens maskiert er sie nur dann, wenn es nötig ist. Die sprezzatura of conspicuously false modesty mag ihrem Namen nach fehl am Platz sein, weil die (demonstrierte) Bescheidenheit nicht Bestandteil eines Bluffs ist. Allerdings soll die Maskierung der Nervosität Leichtigkeit zeigen. Der Bluff suggeriert, dass der Spieler erfolgreich sein wird bzw. das Spiel beherrscht. Was die sprezzatura of elite enclosure betrifft, so demonstriert ein Bluff zwar die Überlegenheit, und eine Aussicht auf Erfolg besteht nur, wenn er nicht offenkundig ist.

Jedoch ist er nicht chiffrierte Handlung. Er ist bloßes Vortäuschen.

Gegenüber der grazia durch sprezzatura fehlt der maskierenden coolness der wesentliche Komplex der freundlichen Wirkung und des Erfreuens, um wertgeschätzt zu sein. Grundsätzlich stellt sich die Frage nach ihrem einen Zweck. Trabant schreibt, seinem jungen Höfling gehe es darum, die Kunst zu verbergen und modern zu wirken. Leider führt er diesen Gedanken nicht weiter aus. Er setzt in diesem Zusammenhang allerdings die sprezzatura und die grazia gleich, was darauf hinweisen mag, dass diese coolness gezeigt wird, damit sie zu sehen ist. Der Bluff hingegen ist nicht selbstreferentiell. Ein Gegenspieler darf nicht auf ihn aufmerksam werden, der Bluff bleibt opak. Nur wenn ein Publikum anwesend ist, das die Verteilung der Karten kennt, erkennt dieses den Bluff. Möglicherweise staunt es, wie cool ein Spieler dabei wirkt. Jedoch ist das Publikum nicht in erster Linie Adressat des Bluffs und seine Anwesenheit kein notwendiges Kriterium für ein Pokerspiel. Über den Zweck aller maskierenden coolness lässt sich also nicht mehr sagen, als dass sie dazu dient, zu verstecken, was dem Nutzen abträglich ist. Allein in der Maskierung besteht ein wiederkehrendes Muster. Sie ist nicht in ein zur grazia analoges Konzept gebettet.

4.2 Der glamour und die sprezzatura

Einen erwägenswerten Zusammenhang zwischen dem beginnenden 21. Jahrhundert und der sprezzatura stellt Virginia Postrel her. Auf der Internetseite ted.com ist seit Ende 2008 ein Video eines Vortrags aus dem Jahr 2004 zu sehen, in dem Postrel die sprezzatura zu einem wichtigen Aspekt des glamour erklärt. Glamour sei „any artificial interest in or association with an object, through which it appears delusively magnified or glorified“[45]. Des Weiteren sei glamour Illusion, „a form of falsification […] to achieve a particular purpose […] and it involves a great deal of technique“[49]. Sein Kerntopos sei das Übertreffen des Alltäglichen. Er konstituiere sich aus beauty, gracefulness, mysteriousness, transcendence, sowie leichter Distanz und erfordere einen Prozess aus Idealisierung, Glorifizierung und Dramatisierung. Glamour ziehe einen Betrachter an, hin zu einer idealen Welt. Die Distanz zum Betrachter dürfe daher nicht zu groß sein, denn er müsse sich mit dem Glamourösen identifizieren können. Glamouröse Fotografien des Horizonts zögen den Betrachter an. Glamouröse Fotografien von Wendeltreppen oder stromlinienförmige Transportmittel suggerierten, den Betrachter regelrecht in die ideale Welt zu führen. Wesentlich für die Entfaltung des glamour sei der Gebrauch der sprezzatura:

In order to pull glamour off, you need this Renaissance quality of sprezzatura. […] To conceal all art and make whatever is done or said appear without effort […] is one of the critical aspects of glamour.[50]

Die Idealisierung der glamourösen Sache oder Person beruhe auf ihrer Bearbei tung: Sie müsse dem Betrachter Mühelosigkeit vermitteln. Beispielhaft seien Bilder von Büroräumen, in denen es kein Kabelgewirr gibt, oder Küchen, in denen keine Stromrechnungen zu sehen sind. Mühevolles werde ausgeblendet, um den Betrachter anzuziehen. Glamour suggeriere, dass in der Realität möglich sei, was de facto nicht möglich ist.

Postrel stellt einen schlüssigen Mittel-Zweck-Zusammenhang zwischen sprezzatura und glamour her. Zwar kann Postrels glamour ebenfalls Dingen zu Eigen sein. Jedoch ist diesen nicht auch die sprezzatura zu Eigen. Sie behält ihren Werkzeugcharakter und dient der Erzeugung des glamour. Wie bei sprezzatura und grazia ist auch eine Betrachterbeteiligung notwendig. Allerdings zielt die sprezzatura mit dem glamour ab auf die Suggestion an das Publikum, Teil der idealen Welt ohne jede Mühe sein zu können. Canossas sprezzatura hingegen vergrößert die Distanz zum Betrachter. Ihr Publikum soll staunen über die scheinbar mühelose Bewältigung schwieriger Taten. Insgesamt ist Postrels sprezzatura Canossas sprezzatura also sehr ähnlich. Sie präsentiert auf künstliche Weise Natürlichkeit und wirkt auf natürliche Weise kunstvoll. Daher erfüllt sie die sprezzatura of nonchalance. Sie maskiert die Mühe und vermittelt die Mühelosigkeit. Gleichzeitig ist offensichtlich, dass etwa das „moderne“ Büro gegenwärtig noch nicht ohne Kabel auskommt. Daher erfüllt sie ebenfalls die Substanz der sprezzatura of conspicuously false modesty. Der sprezzatura of suspicion nähert sie sich nur an. Sie zeigt sich nicht erst im Stande, zu maskieren, sondern sie maskiert unmittelbar und jederzeit. Eine sprezzatura of elite enclosure schließt sie gänzlich aus: Zwar demonstriert sie leichte Überlegenheit durch ihr Übertreffen des Alltags und ist bedingt durch die Glorifizierung, lädt jedoch ein, an der idealen Welt teilzuhaben. Dazu muss sie angenehm wirken. Der Komplex des Erfreuens zur Wertschätzung der Person oder der Sache im glamour bleibt bestehen.

4.3 Der Hof des 21. Jahrhunderts

Der verdiente Independentmusiker
Am Hof des Königs des unbeugsamen Theaters
Der verdiente, jaja, der verdiente
Im Schlepptau mit dem König
Und dem kontroversen Kronprinz[46]

Im Coolness- und im Glamourkonzept sind die Sprezzaturadimensionen der „Einhegung“ einer Elite und der offenbar falschen Bescheidenheit begrifflich unpassend. Substantiell lassen sie sich teilweise übertragen. Die Begriffe jedoch weisen immer wieder zurück auf ein hierarchisiertes soziales System. Grazia und sprezzatura sind im Cortegiano am Hof situiert. Die Suche nach einer sprezzatura, die diese Situierung transportiert, führt daher zu den neuen Eliten, d. h. zu den Höfen im beginnenden 21. Jahrhundert. Dadurch gelingt es ebenfalls, eine Grazia-Analogie zu finden, die sich nicht auf ein Ding bezieht. Unter einem sozialen Hof werden im Folgenden sozial konstruierte Orte verstanden, an denen zwischen Herrscher und Hofleuten Machtverhältnisse bestehen. Die höfische Macht drückt sich a) aus durch Verhaltensweisen, Codes, sowie Anteile an Statussymbolen und beschränkt sich b) auf den Herrschaftsbereich. Verorten lassen sich solche Höfe in den unterschiedlichsten Teilgesellschaften. Ein großes Unternehmen z. B. ist ein Hof: Die Geschäftsführung ist der Herrscher, das General Management beheimatet die Hofleute. Ein Lehrstuhlbereich oder ein Seminar können Hof sein, das Literatur- oder Musikgeschäft ebenfalls.

Die Sphäre der erfolgreichen Künstler und besonderen Persönlichkeiten umfasst zwei Arten von Stars, gewordene Stars und werdende Stars. Werdende Stars müssen ihre Fähigkeiten beständig unter Beweis stellen, solang dieser Status bestehen bleibt. Gewordene Stars hingegen zeichnen sich dadurch aus, dass ihre Fähigkeiten nicht mehr in Frage gestellt werden. Sie sind soziale Institutionen,[47] gran signori, und genießen eine gewisse „Immunität“: Bringt eine Institution wie Marcel Reich-Ranicki einen Satz zu Papier, so ist die Zahl der legitimen Stilkritiker verschwindend gering. Anders verhält es sich mit den werdenden Stars, die beständigen Stilproben ausgesetzt sind. Überdies prägen Institutionen Normen: Die Institutionen der Literatur geben die Rechtschreibung ihrer Veröffentlichungen vor, während Nichtinstitutionen sich in der Regel nach der gängigen Rechtschreibung eines Verlags richten müssen. Die Institution ist ein Pendant zum Herrscher.

Die Unterscheidung zwischen Institution und Nichtinstitution behauptet sich auch andernorts. Es zeigt sich an der Reaktion anderer auf ihr außerordentliches Handeln, ob eine Person als Institution gesehen wird. Im Fußball ist Franz Beckenbauer eine Institution, weil er trotz ständiger verbaler Fehlgriffe doch weiterhin der Kaiser bleibt. Helmut Schmidt ist eine Institution, weil man ihn auch nach Inkrafttreten des neuen Rauchverbots überall rauchen lässt. Niemand würde sich anschicken, ihn unter den Zwang dieses Verbots zu stellen. Vielmehr ist es angebracht, ihm im Restaurant den Aschenbecher zu reichen. Eva Herman hielt sich für eine Institution, war aber keine und wurde vom Hofe verbannt.

Die werdenden Stars sind hinsichtlich der Frage nach dem Herrscherstatus eine ambivalente Gruppe: Erstens scharen sie sich nicht notwendigerweise um die gewordenen Stars.[48] Zweitens handelt es sich jedoch zweifellos um Personen mit Herrscherpotenzial. Drittens verfügen sie bereits über einen Hof, der mit zunehmendem Erfolg wächst. Durch beständige Unterbeweisstellung ihrer Fähigkeiten muss der Erfolg gepflegt werden. Er misst sich an der Resonanz eines Publikums, das die Leistungen des werdenden Stars wertschätzt.

Die unternehmerischen und akademischen Hofleute sind Personen mit Herrscherpotenzial. Die Hofleute des Literatur- und Musikgeschäfts sind Personen, die über das Geschick verfügen, den Star zu vermarkten. Gemein ist ihnen der Einblick in die Mechanismen des Hofs: Sie kennen die Hintergründe des Erfolgs sowie die Codes und Symbole und wissen, was einem Star schließlich fame verleiht.

4.4 Der fame

Im späten amerikanischen 18. Jahrhundert war der fame mit den Worten Joshua Gamsons noch „the personal possession of any worthy individual“[49]. Zur Mitte des 20. Jahrhunderts hin habe man begonnen, fame mit den berühmten Persönlichkeiten aus der Kinoindustrie in Verbindung zu bringen. Der Begriff war zu einem Komplex avanciert:

What it took to rise–„star quality,” „charisma,” „appeal,” „personality,” or simply „It”– was never defined beyond a label, even „ineffable.” Whatever it was, though, the texts made it clear that stars had always had it. Fame, based on an indefinable internal quality of the self, was natural, almost predestined.[50]

Laut Charles Marowitz sei es zum Ende des 20. Jahrhunderts einfacher geworden, fame zu erzielen:

In the old days, fame was the result of achievement. After a body of work, performing artists acquired a certain status […]. This inspired others […] to work just as hard to emulate those successes. […] it is now possible to purchase fame through media manipulation, to acquire it by dogged self-promotion or simply by association.[51]

Marowitz unterscheidet hier eine Art „guten fame“ von einer Art „schlechtem fame“. „Guter fame“ entsteht durch die zum Erfolg führende, inspirierende Eigenleistung. Hierzu gehören jedoch nicht die Eigenwerbung und die „Medienmanipulation“. Zusammen mit der Assoziiertheit erzeugen diese zu leicht fame. Dieser fame ist durchschaubar und beschreibbar, für Marowitz sind seine Mechanismen zu offensichtlich. Grundsätzlich problematisch an diesem Verständnis des „neuen fame“ ist der Leistungsbegriff. Die Hartnäckigkeit (der Eigenwerbung) z. B. erfordert doch zweifellos viel Arbeit. Wenn man Marowitz beim Wort nimmt, ist diese Arbeit keine Leistung. Sein Begriff kommt nicht ohne ein Werturteil aus und ist unscharf. Ein zweites Problem an Marowitz’ Unterscheidung zwischen fame und Leistung stellt Gamson fest: Beides gehe oft Hand in Hand.

The link between „status“ and „excellence“ has never been absolute, [although] celebrity has certainly become increasingly industrialized. […] Hype, purchase, manipulation, self-promotion, association have become central elements in celebrity discourse.[52]

Es mag einfache Wege wie die Assoziation zum fame geben. Das aber ändert nichts an der Tatsache, dass fame besteht. Und allein die offensichtliche Konstruktion, von der Marowitz spricht, erzeugt und erhält – vorausgesetzt sie besteht nicht selbst in einer Kunst – nicht fame.[53] Die Konstruiertheit muss versteckt werden, gerade weil seitens des Publikums ein tiefes Bedürfnis nach „Ehrlichkeit“ und „Authentizität“ eines Künstlers besteht.

blohm3Ein Grundsatz im Rap findet Ausdruck in der einschlägigen Formel „to keep it real“. Was darunter zu verstehen ist, darüber gibt ein Besuch auf der mit von Nutzern generierten Inhalten gespeisten Website urbandictionary.com einen ersten Aufschluss. Dem „to keep it real“ gegenüber manifestieren sich dort sowohl positive als auch negative Gefühle. Einerseits versteht man es als „to not be a fake. Be yourself.“ oder als „to not inhibit yourself or pretend something you are not“.[54] Diese beiden Einträge genießen den größten Zuspruch der Nutzer.[55] Dieses Verständnis einer Vorbildhaftigkeit der eigenen Identität versteht der Authentizitätsforscher Alessandro Ferrara als Kern eines geltenden Authentizitätsbegriffs:

In this sense authenticity becomes synonymous with exemplarity. It becomes the property of identities: the identities of individuals, groups, nations, congregations, parties, movements, disciplines, artistic schools. […] An identity attains authenticity when it realizes to an outstanding extent the normative core that it sets as its own guiding ideal. […] Most collectives and individuals, who are not exemplary or authentic, are a pale reflection of the embraced normativity. We call authentic only the ones which are ‚true‘ to these ideas in unprecedented ways.[56]

Ein to not inhibit yourself mit seinem identitären Persönlichkeitsverständnis zielt hierauf ab. Nicht so der Beitrag eines dritten Autors im Urban Dictionary:

[to keep it real is] a phrase used by celebrities who have run away from real life to be adored in a world of make belive [sic] to stop the general public from beating them senseless as soon as they walk in to [sic] a local pub.[57]

Dieser Eintrag ist ein eindrucksvolles Zeugnis der Frustration, und die Nutzer begegnen ihm scheinbar mit gemischten Gefühlen. Dem Authentizitätsbegriff Ferraras entzieht er sich, denn die eigene Identität tritt hinter das Primat der Tugend zurück. Authentizität wird hier in Verbindung gebracht mit dem wahren Leben der allgemeinen Öffentlichkeit. Sie besteht in der Orientierung an einer Gesellschafts-„Moral“: Sie fordert Bescheidenheit, Fairness, „Anstand“ und „Ehrlichkeit“ und beharrt damit auf den sog. „guten Sitten“.[58] Sie lehnt die Arroganz, Prahlerei, „Abgehobenheit“, den „unmoralischen“ Gebrauch des Überflusses ab. Sie ist Aristoteles’ die Gleichheit der Gesellschaft sicherstellende Tugend[59] und geht einher mit dem Mythos der anständigen Gesellschaftseilnehmer, der decent people. In diesem Sinn kann sich jemand nach gesellschaftlichen Maßstäben unmoralisch verhalten, dies ganz offen zugeben und wird dennoch nicht „authentisch“ oder „ehrlich“ sein. Die hier gemeinte Authentizität ist common sense-konforme „Moral“, ist „Ehrlichkeit“ im Sinne der decency.

Die decency steht den protestantischen Werten erstaunlich nahe. Der barmherzige Samariter z. B. ist decent – er hilft einem Juden, verhält sich dabei entsprechend der bedingungslosen Nächstenliebe und er prahlt nicht damit. In Decent People stellt Norman S. Care heraus, die decency bestehe in einer Moral außerhalb eines grundsätzlichen Respekts, in dem (moralischen) Mitgefühl, der Empathie, der Liebe für einen anderen und dem Respekt ihm gegenüber.[60] Wie es sich trifft, gibt es einen Twitter-Nutzer, der sich decentpeople nennt.[61] Bemerkenswert ist mit Hinblick auf den fame, dass der Nutzer in einem Tweet Johnny Depp lobt: „Johnny Depp’s surprise visit to London primary school – I like him even more now. A decent celebrity.“[62] In den moralischen Authentizitätsbegriff fügt sich dieser Tweet ein, denn durch den Besuch an einer Grundschule zeigt Johnny Depp seine Sorge um die Gesellschaft. Es handelt sich um eine Sorge, die er sich nicht machen müsste, wäre er allein auf sich bedacht. Seinen eigenen Kindern kann er eine gute Schulbildung sichern. Johnny Depp zeigt, dass die Sorge der anderen seiner Sorge entspricht. Er zeigt, dass er sich mit den Werten der Gesellschaft „identifiziert“. Er erfüllt die Forderung des enttäuschten Urban Dictionary-Nutzers, denn er nimmt Anteil an der Sphäre der allgemeinen Öffentlichkeit.

Auffällig im Hinblick auf die sprezzatura ist überdies, dass Johnny Depp gerade durch einen Überraschungsbesuch überzeugt. Durch seine Spontaneität wird ein tatsächliches Interesse am Schulsystem bzw. den Lebensbedingungen der sog. „einfachen Leute“ vermittelt. Der auf sich selbst bedachten „Abgehobenheit“ wirkt er entgegen. Ein angekündigter Besuch könnte zwar ebenfalls Interesse signalisieren. Allerdings ist er offenbar konstruiert und überzeugt deshalb weniger. Die Spontaneität ist also wie der mittelbaren grazia auch der decency zuträglich. Und entsprechend der grazia, bei der ein Hofmann durch seine freundliche Wirkung gleichzeitig Natürlichkeit ausstrahlt, verleiht die decency einer Person Authentizität durch Bescheidenheit.[63] Der Komplex des Erfreuens und des freundlichen Wirkens bleibt im fame durch überzeugende decency bestehen.

Die Möglichkeit, durch die Assoziiertheit fame zu erzielen, versteht Marowitz als tadelnswertes Prinzip der Gegenwart. Allerdings hebt sich der fame durch diese Möglichkeit nicht von der grazia ab. Die grazia lässt sich in Castigliones Urbino u.a. ebenfalls durch die Assoziiertheit erwerben, nämlich durch ihre Verleihung durch ogni gran signore, sowie durch die Zugehörigkeit zum Hochadel.[69] Ferner besteht eine unbeschreibbare grazia, die, wie Canossa es ausdrückt, von den Sternen und wundersam ist. So unbeschreibbar ist auch der fame im Sinne Gamsons: Die famose Person wirkt entsprechend auf den Betrachter, dem es schwer fällt, mehr zu ermessen als die Feststellung, dass sie „es hat“. Insgesamt ist also festzuhalten, dass der fame als Graziaanalogie verortet werden kann.

Wer nicht wundersame grazia hat und sie generieren möchte, muss sich dazu der sprezzatura bedienen. Für die Erhaltung und Vergrößerung nicht dauerhaften fames ist es nötig, Befähigung zu zeigen, Arbeit zu leisten, Technik und Strategie anzuwenden. Mit sprezzatura gestaltet der ideale Hofmann die Künste, die er beherrschen muss. Als Fallbeispiel zu einem Vergleich mit einer Kunst im beginnenden 21. Jahrhunderts eignet sich der Freestyle-Rap, da sich bereits auf den ersten Blick wesentliche Parallelen hervortun. Im Vordergrund stehen auch hier die Spontaneität, sowie die präsentierte Mühelosigkeit und Überlegenheit. Die Abhängigkeit von einem Publikum, an dem sich der Erfolg der Handlung misst, ist elementar.

4.5 Rap und Cortegiano

4.5.1 Aspekte des Rap

Rap ist eine Art Sprechgesang. Seit seiner Entstehung im New York der 1960er und 1970er Jahre hat sich das Genre zu einem Phänomen entwickelt, das in verschiedensten Formen und Kontexten vorkommt. Ein Rap kennzeichnet sich durch eine Vielzahl an Binnen- oder Endreimen. Im Vordergrund steht eine möglichst facettenreiche Rhetorik zum Transport von Inhalt und Stil, deren Wert sich primär am Publikum misst. Eine musikalische Unterlegung muss dabei nicht zwangsläufig gegeben sein. Die Sprache des Rap ist reich an Wortneuschöpfungen und Neologismen.

Wenn Texte nicht in amerikanischer Sprache entstehen, weisen sie oft Entlehnungen aus dem Amerikanischen auf. Vielfach liegen zudem Intertextualität sowie explizite und implizite Bezüge auch auf die außertextliche Realität vor. Mit gegebenem Material wird sprachlich und rhythmisch gespielt, oft werden Metaphern geschaffen oder umgedeutet, verschiedenste Einflüsse werden interpretiert und zu Neuem gestaltet. Trabant begründet seine Sprezzaturaanalogie u. a. mit der höfischen Sprache. Für diese Sprache seien Entlehnungen charakteristisch. Die lingua cortegiana ist Produkt der Einflüsse all derer, die am Hof zusammenkommen:

Da am Hof Aristokraten aus allen Gegenden Italiens sich treffen, schwebt dem Cortegiano eine moderne, aus allen Dialekten Italiens sich speisende gemeinsame italienische Hof-Sprache vor, eine gesprochene Koinè, die es noch nicht gibt, die „lingua cortigiana“. […] Seine höfische Sprache möchte [der Höfling] höfisch, d.h. spielerisch und lachend […] lernen.[64]

Ähnlich spielerisch nehmen Rapper Einflüsse auf und passen sie in ihre Texte ein. Die Sprache des Rap prägt sich ständig neu, weil das Spiel mit Sprache und Rhetorik essentiell ist.

Symbole und Codes sind oft wesentlicher Bestandteil nicht nur der Texte selbst. In der außertextlichen Realität dienen sie der Generierung von Identität und Kultur. Die symbolgenerierte Posse- oder Crewbildung umfasst a) die Präsentierung von Symbolen im engen Sinn, b) die Thematisierung wiederkehrender Topoi, c) die Demonstration spezifischer Verhaltensweisen,[65] insbesondere d) die Demonstration der Zusammenarbeit mit bestimmten Künstlern[66] und die demonstrierte Abgrenzung gegenüber bestimmten anderen Künstlern.[67] Hempfer nennt den Cortegiano einen als Spiel ausgewiesenen Diskurs. In Anlehnung daran lassen sich identitätsbildende Raps als spielerische, mindestens implizite Diskurse über das eigene Image bezeichnen. Die symbolgenerierte Crewbildung des Wu-Tang Clans ist insgesamt paradigmatisch. Bereits sein Name weist nicht nur plakativ auf seinen Crewcharakter hin. Er stellt auch einen Bezug her zur chinesischen Kampfkunst, einem Topos des Clans. Der Clan hat ebenfalls ein eigenes Logo, das u. a. als Kettenanhänger oder als Tätowierung der Mitglieder zu sehen ist. Er hat einen regelrechten Mythos seiner selbst erschaffen, der insbesondere den in den Musikvideos wiederkehrenden Topos der übernatürlichen Fähigkeit beinhaltet.[68]

Die Gestaltung des Spiels im Cortegiano ist, wie gezeigt wurde, ideal zur Aufführung der sprezzatura. Dessen eingedenk ist das Rollenspiel des Wu-Tang Clans zu erwähnen: Jedes Mitglied hat mehrere Pseudonyme, die jeweils auf unterschiedliches Schaffen verweisen. Robert Diggs z. B. nennt sich im Kontext des Clans und als Musikproduzent RZA, sein Künstlername im Kontext eines Seitenprojekts ist Bobby Digital. Dieses Rollenspiel ist indes nicht speziell für den Wu-Tang Clan (oder den Rap) typisch, es taucht in verschiedenen Genres auf.[75]

4.5.2 Techniken des Freestyle-Rap

Der Freestyle-Rap unterscheidet sich vom allgemeinen Rap dadurch, dass er sich vollständig während seiner Durchführung entfaltet. Er wird spontan vor einem Publikum improvisiert. Dabei werden die Fähigkeiten eines Rappers, seine skills, besonders auf die Probe gestellt. Auf zwei Weisen ist Freestyle-Rap möglich: allein oder zu zweit bzw. in der Gruppe. In der Gruppe, beim sog. Battle, muss ein Rapper seine Fähigkeiten in der Regel in kürzerer Zeit präsentieren, an denen der anderen Teilnehmer messen lassen, sowie mit Geschick auf deren Raps reagieren. Im BattleRap gelten gewisse Spielregeln: no anger, no contact, no repetition, no prefabricated lyrics. Ein Rapper darf nicht tatsächlich persönlich werden oder aggressiv auftreten, den Gegner nicht anfassen, kein vorher verwendetes Thema wieder benutzen, insbesondere nicht vorbereitete Texte rezitieren. All dies gilt als unschicklich und würde ihm die Legitimationsgrundlage entziehen. Meist geht ein Rapper beim Freestylen assoziativ vor und bedient sich dabei bestimmter bereits angeeigneter „Werkzeuge“, d. h. individueller Techniken etwa zur Schaffung unbemerkbarer Nachdenkpausen. Konzentration und Mühe werden mit Hilfe dieser individuellen Techniken versteckt. Wie bei der sprezzatura gilt: Je gelassener ein Rapper bei der Bewältigung eines Freestyles wirkt, desto fähiger wirkt er auch.

Dem Vorwurf der Nichtspontaneität beugt der Rapper Astronautalis (Andy Bothwell) direkt vor: Bei jedem seiner Auftritte räumt er ein paar Minuten einem SoloFreestyle ein und lässt sich davor vom Publikum einige Begriffe zurufen, die er darin einzubauen versucht. Dabei besteht er auf die Wahl solcher Begriffe, die nicht schon aus anderen Raps bekannt sind. Ein 2007 aufgenommenes Video dokumentiert bei YouTube den Versuch Astronautalis’, die Termini „the 63 tacos you should eat before you die“, „the 90s“, „Kanye West’s mother“, „the Light Bright“, „the necromancer of the year“ und „unicorns“ im Freestyle zu kombinieren. Nach Sammlung der Termini beginnt Astronautalis eine knappe, redselige Minute später, seine Aufgabe virtuos zu erfüllen. Und beendet den Rap gar mit einem schüchtern-überraschten Lächeln.[69] Beeindruckte YouTube-Nutzer hinterließen auf der Seite ihre Kommentare, unter denen sich z. B. dieser befindet: „Not written at all. I′ve seen Astronautalis live and he asks the crowd for about 5 suggestions about what to freestyle about and he just goes with it. How he does it, nobody knows.“[70] Zwar gibt es gewisse erkennbare Konstanten in allen seiner Freestyles, jedoch handelt es sich dabei um staunenswerte Fähigkeiten: Astronautalis bestätigt z. B. immer wieder sein Geschick, auf elegante Weise Geschichten zu erzählen und zeichnet sich dadurch aus. Andere Rapper beweisen sich bspw. durch außerordentlich schnelles Sprechen oder schnelles Reagieren auf Gegner im Battle-Rap wie der jüngst verstorbene Eyedea (Micheal Larsen). Eyedea nahm u. a. am Blaze Battle 2001 teil und trat in der zweiten Runde gegen R.K. an.[71] Dieser war zuerst an der Reihe und erwies sich als kein einfacher Gegner. R.K. rappte ohne musikalische Unterlegung – ein vergleichsweise schwierigeres Unterfangen. Während schließlich Eyedea freestylte, versuchte R.K. sich durch Gestik und Mimik über Eyedea zu mokieren. Der aber wusste sich dies nutzbar zu machen und kommentierte jedes Tun seines Gegners mit einem Witz. Schaut man sich Eyedeas Performance an, hat man den Eindruck, R.K. selbst habe sich am Ende geschlagen gegeben.

Dick Sullivan, der 2010 mit Astronautalis für das D Magazine ein Interview führte, schickt diesem voraus:

If you cracked open Andy Bothwell’s head, you would likely be overwhelmed with the volume of content spilling out: clippings from People magazine, Bill Murray’s scotch glass, a dozen pulp novels, a handbook on bloodletting. In my interview with Andy […] I accused him of being an insatiable information junkie. „Inspiration junkie,” he politely corrects me, „I′m constantly inspired by little facts and tidbits. It’s a game of collect and store it. You research fighter pilots, war bonds and put it on a thumbtack board in your brain. Then you synthesize that into a greater thesis or a goal.”[72]

Hier gibt Astronautalis einen Einblick in sein studio, das Sammeln zahlreicher Inspirationen erklärt den narrativen Reichtum seiner Raps. Es erklärt jedoch nicht die Fähigkeit, spontan erfolgreich zu freestylen. Für Sullivan bleibt Astronautalis auch nach diesem Einblick „a thorough artist and a freakishly adept, free-styling phenomenon“[73]. Die Hintergründe von studio – soweit es dabei um die Erfordernisse des Freestyle geht – und arte bleiben unergründlich. Auf seinem Blog zeigt sich Astronautalis selbst verwundert über seinen Erfolg:

all in all, the shows have been great, the people have been lovely, and we can‘t ask for anything more. i am still amazed at how this continent [Europe] has embraced us… it is…nothing short of astounding. tours like this make me realize just how lucky i am. it took a lot of hard work to get here, but there has also been a lot of luck stacked into the deck they have been dealing me from. i have met so many wonderful people, made too many wonderful friends… […] i have the best job in the world…due, in part, to the fact that somehow i have ended up with the most wonderful and supportive fans.[74]

Im erwähnten Rollenspiel vereinzelter Künstler kann nur in Ausnahmefällen und genreübergreifend eine Analogie zum Spiel der Meinungen verortet werden. Es handelt sich nicht um ein Spezifikum des Rap. Ein Battle hingegen kann durchaus als Spiel verstanden werden. Zunächst scheint es, als wäre sein Konzept etwa dem Pokerspiel ähnlicher als dem Cortegianospiel, denn jeweils setzt sich ein Rapper gegen einen anderen durch und dieser scheidet aus. Allerdings kann hier keine scharfe Trennung zwischen Sieg und Niederlage vorgenommen werden. Dass sich ein Rapper durchsetzt, bedeutet nicht, dass sein Gegner zwangsläufig erfolglos ist. Dies verdeutlicht sich am Finale des Blaze Battle 2001: Eyedea muss gegen Shells antreten.[75] Den Wettbewerb gewinnt Eyedea schließlich durch wenig mehr Applaus. Doch beide Rapper haben das Publikum von ihren skills überzeugt und erhalten viel Applaus. Die Anerkennung besteht, beide Rapper waren erfolgreich. Eine „regelrechte“ Niederlage im Battle erleidet nur, wer Unfähigkeit zeigt oder grob gegen die Spielregeln verstößt. Im Gegensatz zum Poker ist der Gebrauch der individuellen Techniken also jederzeit über den Erfolg entscheidend. Ein meisterhafter Gebrauch kann nicht scheitern. In aller Allgemeinheit lässt sich dieses Prinzip nicht anders erläutern als es Canossa mit seiner allgemeinsten Regel tut: Die Erzielung der Anerkennung ist erfolgreich, wenn dem Nutzen Abträgliches vermieden und die Fähigkeit bewiesen wird. Auch Canossas weitere Erläuterungen der sprezzatura fügen sich ein: Das Publikum staunt, wenn studio und arte nicht erkennbar sind („How he does it, no one knows“). Die individuellen Techniken vermitteln die Mühelosigkeit, Nachdenkpausen werden etwa hinter der Redseligkeit versteckt. Die Technik selbst wird mit der Technik maskiert, sodass die Bewältigung der Kunst natürlich scheint. Die Strategie dient schließlich dem Erfreuen des Publikums: Erfreuend ist die besonders virtuose Aufführung der oben genannten Erfordernisse des Rap, d. h. beispielsweise spontan witzige Metaphern zu finden und in einen Reim einzufügen. Letztlich entscheidet dies über das Maß der Anerkennung, also darüber, ob es einem Rapper gelingt, mit der Handlung zu überzeugen.

Wendet man Bergers Sprezzaturafunktionen auf den Freestyle-Rap an, zeigt sich, dass sich die ästhetische sprezzatura of nonchalance übertragen lässt: Im Gegensatz zum Bluff ist ein Freestyle offenkundig Kunst. Bei seiner Durchführung natürlich zu wirken, erzeugt das erstaunliche Moment. Zu zeigen, auf welch kunstvolle Weise ein Rapper natürlich wirkt, bedingt das überzeugende Moment: Das Aufführen der skills führt dazu, dass ein Rapper mit seinen Fähigkeiten „identifiziert“ wird. Die sprezzatura of conspicuously false modesty zielt ab auf die diversen Disziplinen, in denen ein idealer Hofmann geübt ist. Es wurde gezeigt, dass auch ein Freestyle-Rapper durch unterschiedliche Geschicke überzeugen kann. Die herausragende Beherrschung eines Geschicks kann verweisen auf die umfassende Kompetenz. Wenn z. B. Astronautalis narrativ beeindruckt, besteht die Annahme, dass er sich auch darauf versteht, im Battle-Rap schnell zu reagieren. Zwar lässt sich kein grundsätzliches bewusstes Abzielen auf diese Wirkung unterstellen. Jedoch darf auch dem Hofmann keine Bewusstheit unterstellt werden: Hinz’ ironische Selbstzurücknahme liegt darin, dass die Wirkung aus der Handlung selbst entsteht. Sie geschieht mitunter. Astronautalis erfreut daher umso mehr, wenn er seine Überraschung über den verdienten fame zum Ausdruck bringt. Ansatzpunkt der sprezzatura of elite enclosure ist die unergründbare, gezeigte Überlegenheit des Hofmanns. Der Rapper vergrößert die Distanz zum Betrachter im erstaunlichen Moment der Handlung. Im Battle-Rap bezieht dieses Moment sogar den Gegner mit ein. Scheitert dieser am gekonnten Reagieren, zeichnen sich die Kräfteverhältnisse zwischen den Konkurrenten ab: Im Battle zwischen Eyedea und R.K. sieht letzter sein Ausscheiden selbst ein. Hinsichtlich der sprezzatura of suspicion unterscheidet sich die sprezzatura des glamour von den Techniken des Freestyle-Rap durch ihr beständiges, unmittelbares Maskieren. Eine Person oder ein Ding wirkt nur nach dem Bearbeitungsprozess glamourös. Allein in der Vorstellung kann der glamour grundsätzlich mit einer Person assoziiert sein – ist die Person jedoch anwesend und der Bearbeitungsprozess wurde nicht vorgenommen, so ist der Person glamour nicht zueigen. Ein Freestyle-Rapper hingegen kann jederzeit mit seinem fame assoziiert werden. Die Beimessung des fame ist nicht bedingt durch die Anwendung der individuellen Techniken im selben Moment. Diese müssen nur dann gebraucht werden, wenn ein Freestyle aufgeführt wird. Ein erfolgreicher Freestyle-Rapper gilt dennoch als fähig, die Techniken jederzeit zu benutzen. Insgesamt also lassen sich Bergers Sprezzaturadimensionen ohne Einschränkungen auf die Techniken des Freestyle-Rap übertragen.

Freie Universität Berlin, Sommersemester 2011

[1] Anm. d. Hrsg.: Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um eine gekürzte Version der Bachelorarbeit von Annika Blohm.

[2] Klaus W. Hempfer: „Rhetorik als Gesellschaftstheorie: Castigliones Il libro del Cortegiano.“ In: Literarhistorische Begegnungen. Festschrift zum 60. Geburtstag von Bernhard König. Hrsg. von Andreas Kablitz/ Ulrich Schulz-Buschhaus. Tübingen: Narr 1993. S. 103-121. Hier S. 117.

[3] Wortlaut: „formare con parole un perfetto cortegiano“ [„mit Worten einen perfekten Hofmann formen“ – hier und im Folgenden Ü. d. A.], vgl. Baldassarre Castiglione: Il Cortigiano. Bd. 1. Mailand: Mondadori 2002. S. 28.

[4] Jacob Burckhardt: Die Kultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch. Hamburg: Nikol 2004. S. 417.

[5] Vgl. ebd. S. 41. Eine beeindruckende Aufstellung von 328 Vertretern aus Politik, Adel und Bürgertum, die vor 1700 eine oder mehrere Kopien des Cortegiano besaßen oder ausgeliehen hatten, enthält der Appendix zu Peter Burkes: The Fortunes of the Courtier. The European Reception of Castiglione‘s Cortegiano. Cambridge: Polity Press 1995. S. 163-178.

[5] Die Begriffe „Handeln“ und „Handlung“ sind in dieser Arbeit zu verstehen als solche, die sowohl das Tun als auch das Reden beinhalten.

[6] Vgl. Virginia Postrel: „The Power of Glamour.“ http://www.ted.de. http://www.ted.com/index.php/talks/virginia_postrel_on_glamour.html (besucht am 31.03.2011).

[7] Vgl. Jürgen Trabant: Europäisches Sprachdenken: von Platon bis Wittgenstein. München: Beck 2006. S. 92.

[8] Thesaurus Linguae Latinae. Bd. VI. Hrsg. von Academiarum quinque Germanicarum: Berolinensis, Gottingensis, Lipsiensis, Monacensis, Vindobonensis. Leipzig: Teubner 1934. Sp. 2205. [„Gratia selbst bezeichnet [die] Gunst [favor], das [ist] die Neigung der Seele, jemandem gut zu tun, etwas zu hegen entsprechend einer vorher empfangenen Wohltat. Von hier aus transferiert auf den Zustand der Person, der nun Gunst geschieht. In gleicher Weise angewandt auf die Eigenschaft der Sache, die gefällt.“].

[9] Vgl. Peter Burke: The Fortunes of the Courtier. S. 30.

[10] „Il cortigiano, […] voglio che […] abbia da natura […] una certa grazia e (come si dice) un sangue, che lo faccia al primo aspetto, a chiunque lo vede, grato ed amabile. E sia questo un ornamento che compagni tutte le operazioni sue e prometta nella fronte quel tale essere degno del commercio e grazia di ogni gran signore.“ [„Vom Hofmann […] will ich, dass […] er von Natur aus […] eine gewisse grazia und (wie man sagt) ein Blut [sangue] hat, das ihn beim ersten Anblick für jeden, der ihn sieht, angenehm und liebenswert macht. Und dies sei ein Ornament, das all seine Taten begleitet, und dass schon seine Stirn verspricht, dieser [Mann] sei dem Geschäfte [commercio] und der grazia jedes großen Herrn würdig“] Vgl. Baldassarre Castiglione: Il Cortigiano. S. 33.

[11] Manfred Hinz: Rhetorische Strategien des Hofmannes. Studien zu den italienischen Hofmannstraktaten des 16. und 17. Jahrhunderts. Stuttgart: Metzler 1992. S. 113.

[12] Baldassarre Castiglione: Il Cortigiano S. 48. [„Aber [da] ich schon viele Male nachgedacht habe, woher diese grazia entspringt, jene beiseite gelassen, die sie von den Sternen haben, finde ich eine allgemeinste Regel, welche mir mehr als jede andere für alle menschlichen Sachen, die getan oder gesagt werden, gültig scheint. Und dies ist, so weit wie möglich und wie einer schärfsten und gefährlichen Klippe, der affettazione, zu entfliehen und, um vielleicht ein neues Wort zu sagen, in jeder Sache eine gewisse sprezzatura zu benutzen, die die Kunst verbirgt und zeigt, was man tut und sagt, wird ohne Mühe und fast ohne darüber nachzudenken getan. Daher, glaube ich, entstammt die grazia zu Genüge, weil jeder die Schwierigkeit von den seltenen und gut gemachten Sachen kennt, während die Leichtigkeit in ihnen größte Wunderhaftigkeit erzeugt. […] Aber man kann sagen, dass wahre Kunst ist, was nicht Kunst zu sein scheint; […] denn ist sie entdeckt, entfernt sie aus allem das Ansehen und macht den Mann wenig geschätzt.“].

[13] Die Frage der Sprache.

[14] Vgl. ebd. S. 71f: Emilia Pia entscheidet: „A me pare […] che questa vostra disputa sia mo troppo lunga e fastidiosa; però fia bene a differirla a un altro tempo.“ [„Mir scheint […], dass dieser eurer Disput zu lang und lästig ist; doch wäre es gut, ihn auf eine andere Zeit zu verschieben.“] Sie wendet sich durch die Formulierung „vostra disputa“ zwar an Canossa und Fregoso. Jedoch wird dieser, als er daraufhin noch einmal antworten möchte, weiterhin von Emilia unterbrochen, Canossa aber darf weiter sprechen. Tatsächlich also galt Emilias Ermahnung nur Fregoso.

[15] Klaus W. Hempfer: „Rhetorik als Gesellschaftstheorie.“ S. 116.

[16] Manfred Hinz: Rhetorische Strategien des Hofmannes. S. 123.

[17] Stattdessen wird vage erwähnt, dass es Herrscher gibt, die sich schlecht verhalten. In Castigliones Vorbemerkung zum vierten Buch werden wieder die vortrefflichen Eigenschaften der Herzogin gelobt: „Se mai furono in un corpo solo congiunti sapere, grazia, bellezza, ingegno, maniere accorte, umanità e ogni altro gentile costume, in questa tanto sono uniti, che ne risulta una catena che ogni suo movimento di tutte queste condizioni insieme compone e adorna.“ [„Wenn je in einem einzigen Körper Wissen, grazia, Schönheit, Witz [ingegno], Klugheit, Menschlichkeit und jedes weitere liebliche Kostüm zusammengebracht worden, in dieser sind sie so sehr vereint, dass daraus eine Kette resultiert, die jede ihrer Bewegungen dieser Umstände zusammenbringt und schmückt“] Baldassarre Castiglione: Il Cortigiano. 317.

[18] Erich Loos: Baldassare Castigliones Libro del cortegiano. Studien zur Tugendauffassung des Cinquecento. Frankfurt am Main: Klostermann 1955. S. 115.

[19] Ebd. S. 116.

[20] Jürgen Trabant: Europäisches Sprachdenken. S. 92.

[21] Baldassarre Castiglione: Il Cortigiano. S. 48f. [„Und ich erinnere mich, schon von einigen exzellentesten antiken Rednern gelesen zu haben, welche sich unter ihrem anderen Treiben anstrengten, jeden glauben zu machen, keine einzige Kenntnis der Lehre [lettere] zu haben. Und durch Verheimlichen des Wissens zeigten sie, ihre Reden seien auf einfachste Weise und vielmehr nach Gabe der Natur und der Wahrhaftigkeit gemacht als nach Lernen [studio] und Kunst.“].

[22] Wolfgang Brassat: „Tragik, versteckte Kompositionskunst und Katharsis im Werk von Peter Paul Rubens.“ In: Rubens Passioni. Kultur der Leidenschaften im Barock. Hrsg. von Ulrich Heinen/Andreas Thielemann. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2001. S. 41-69. Hier S. 45.

[23] Klaus W. Hempfer: „Rhetorik als Gesellschaftstheorie.“ S. 115.

[24] Eckart Marchand: Gebärden in der Florentiner Malerei. Studien zur Charakterisierung von Heiligen, Uomini Famosi und Zeitgenossen im Quattrocento. Münster: Lit 2004. S. 119f. Marchand untersucht u. a. Castagnos Berliner Himmelfahrt Mariae mit Heiligen Miniatus und Julian, das Mitte des 15. Jahrhunderts entstanden ist, sowie Ghirlandaios Madonna mit Heiligen Sebastian und Julian, das 1475 fertig gestellt wurde, und findet manches Gebaren ganz im Einklang mit grazia und sprezzatura.

[25] Vgl. Baldassarre Castiglione: Il Cortigiano. S. 29.

[26] Harry Berger: The Absence of Grace. Sprezzatura and Suspicion in Two Renaissance Courtesy Books. Stanford: Standford University Press 2000. S. 9.

[27] Ebd.

[28] Ebd. S. 11.

[29] Manfred Hinz: Rhetorische Strategien des Hofmannes. S. 123.

[30] Baldassarre Castiglione: Il Cortigiano. S. 303. [„Zuweilen wiederum schadet das Öffentlich-Sein nicht. Denn in diesem Fall meinen die Männer oft, dass jene Lieben nicht zum Ende hin neigen, welches jeder Liebende begehrt, angesichts der Tatsache, dass sie wenig Sorgfalt walten lassen, sie geheim zu halten, und dass sie auch nicht darauf achten, ob jemand darum weiß oder nicht. Aber mit dem Nichtverneinen erlangt der Mann eine Freikarte zum unverdächtigen öffentlichen Reden und Sein mit der geliebten Sache. Was nicht jenen vorkommt, die versuchen, geheim zu sein, denn es scheint, sie erhoffen und nähern sich einem großen Preis, von dem sie nicht wollen, dass andere darum wissen.“].

[31] „Sein ohne Verdacht“.

[32] Vgl. Peter Burke: The Fortunes of the Courtier. S. 39.

[33] Ebd. S. 44.

[34] Vgl. ebd. S. 47.

[36] Vgl. ebd. S. 84-94.

[35] Vgl. ebd. S. 81. Burke gibt seine Einschätzung ab auf Grundlage der Forschungen von Ruth Kelso 1929 (The Doctrine of the English Gentleman in the 16th Century) und 1956 (The Doctrine of the Lady of the Renaissance), die 2308 Schriften zählt, deren Auswahlkriterien Burke jedoch als zu locker erachtet.

[38] „John Astley [has been] described in a poem, by the Italian exile Pietro Bizzarri, as ‘the only courtier on Castiglione’s model’ […]. His example reinforces the underlining by some readers of the remarks in the Courtier on riding. Astley must have demonstrated sprezzatura in the saddle. […] Sir Philip Sidney […] has been described as ‘a thorough disciple of Castiglione’ or even ‘Castigliones’s courtier made flesh’“ (Ebd. S. 97.)

[36] Vgl. dazu z. B. Gregorio Comaninis Traktat Il Figino (1591), das eine sprezzatura artificiosa beschreibt (Vgl. Thomas DaCosta Kaufman: „The Artificial and the Natural: Arcimboldo and the Origins of Still Life.“ In: The Artificial and the Natural: An Evolving Polarity. Hrsg. von Bernadette Bensaude-Vincent/ William R. Newman: Cambridge: MIT Press 2007. S. 149-184. Hier S. 153); sowie Giulio Caccinis Vorwort zu seiner Komposition L’Euridice (1600) und im Vorwort zu Nuova musiche e nuova maniera di scriverle (1614). (Vgl. Giulio Caccini: Le nuove musiche. Hrsg. von Hugh Wiley Hitchcock. Middleton: A-R Editions 2009. S. 3.)

[37] Eine Entwicklung, im Zuge derer in Europa nun Machiavellis Principe mehr und mehr in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt sei.

[38] James W. McAllister: „Die Rhetorik der Mühelosigkeit in der Wissenschaft und ihre barocken Ursprünge.“ In: Spektakuläre Experimente. Praktiken der Evidenzproduktion im 17. Jahrhundert. Hrsg. von Jan Lazardzig/Helmar Schramm/Ludger Schwarte. Berlin/New York: De Gruyter 2006. S. 154-175. Hier S. 165.

[39] Vgl. Peter Burke: The Fortunes of the Courtier. S. 124.

[40] Zitiert nach ebd. S. 125.

[41] Vgl. ebd. S. 126.

[42] Vgl. ebd. S. 136.

[43] Jürgen Trabant: Europäisches Sprachdenken. S. 92.

[44] Hier ist der Bluff mit schlechten Karten gemeint.

[45] Virginia Postrel: „The Power of Glamour.“

[49] Ebd.

[50] Ebd.

[46] Die Goldenen Zitronen: „Der Bürgermeister.“ In: Lenin. Track 8. CD-ROM. Buback Tonträger 2006.

[47] Eine soziale Institution sei eine Person oder eine Gruppe, deren Urteil mehr Gewicht besitzt als dasjenige einer „einfachen“ Person oder Gruppe.

[48] Im Rahmen z. B. von Günter Grass’ Lübecker Literaturtreffen jedoch ist dies der Fall. Das Treffen ist ein sozialer Hof, an dem die erfolgreichen jungen Autoren sich zu Grass verhalten wie die Hofleute zum Herrscher.

[49] Joshua Gamson: Claims to Fame. Celebrity in Contemporary America. Berkeley/Los Angeles: University of California Press 1994. S. 18.

[50] Ebd. S. 32.

[51] Zitiert nach ebd. S. 40.

[52] Ebd.

[53] Beispielhaft ist das abrupte Karriereende Milli Vanillis 1990: Die Bekanntmachung ihres Produzenten, dass Milli Vanilli ihre Lieder nicht selbst sangen, löste große öffentliche Empörung aus. Keines der beiden Mitglieder war anschließend mehr in der Lage, öffentlich erfolgreich zu sein. Vgl. Anonym: „Ich kann so hoch singen wie ein Eunuche.“ http://www.tagesspiegel.de. http://www.tagesspiegel.de/zeitung/ichkann-so-hoch-singen-wie-ein-eunuche/837708.html (besucht am 10.04.2011).

[54] Jeweils Lemma: „keep it real“ http://www.urbandictionary.com. http://www.urbandictionary.com/define. php?term=keep%20it%20real (besucht am 02.04.2011).

[55] Nutzer können jeden Eintrag bewerten. Zum 02.04.2011 gefällt dabei der erste Eintrag 1172 Mal und missfällt 75 Mal, der zweite Eintrag gefällt 443 Mal und missfällt 102 Mal. Aus welchen individuellen Gründen Nutzer eine Bewertung abgeben, ist schwer zu beurteilen. Einträge ge- und missfallen aus diversen Gründen. Allerdings lassen sich dadurch, dass so viele Bewertungen vorliegen, Tendenzen erkennen.

[56] Alessandro Ferrara: „Authenticity without a True Self.“ In: Authenticity in Culture, Self, and Society. Hrsg. von Phillip Vannini/J. Patrick Williams. Burlington: Ashgate 2009. S. 21-36. Hier S. 22f.

[57] Lemma: „keep it real“. In der Bewertung gefällt dieser Eintrag 320 Mal und missfällt 194 Mal.

[58] Ferrara erwähnt die Möglichkeit, Authentizität als moralisches Konzept zu verstehen, allerdings geht er dem Konzept nicht intensiv nach. Er stellt es lediglich in die Tradition Rousseaus, Herders, Schillers, Kierkegaards und Sartres. Vgl. Alessandro Ferrara: „Authenticity without a True Self.“ S. 21f.

[59] Vgl. Aristoteles: Nikomachische Ethik. Hamburg: Meiner 1985. S.100-104.

[60] Vgl. Norman S. Care: Decent People. Oxford: Rowman & Littlefield 2000. S. 9-11.

[61] „Decent People is a website for people promoting the decent side of human nature and advice on help for change.“ Vgl. http://www.twitter.com/decentpeople (besucht am 31.03.2011).

[62] Ebd. Eintrag vom 08.10.2010.

[63] Interessanterweise stellt Hempfer einen Zusammenhang zwischen der grazia und der aristotelischen Tugend fest: „Wie für den Hofmann selbst gehört die mediocritá auch zum Tugendkanon der donna di palazzo, um schließlich im IV. Buch als generelle Verhaltensnorm dem Fürsten anempfohlen zu werden […]. Die gratia als Qualität des mittleren Stils kann […] dadurch zur Verhaltenskategorie werden, daß sie die Distanz zu Extremen immer schon voraussetzt, ist sie doch gerade durch mediocritá definiert und damit das aristotelische Kriterium für Tugend aus der Nikomachischen Ethik. D.h. das grazia-Ideal wird zum Konvergenzpunkt von Moralphilosophie und Rhetorik.“ Klaus W. Hempfer: „Rhetorik als Gesellschaftstheorie.“ S. 119.

[69] Auch der Hochadel unterliegt einem gewissen Imperativ, sich zu legitimieren, d.h. zu meiden, was sich für den Stand „nicht schickt“. Jedoch verfügt er über genug Ehre, so dass nur viele große Einbußen etwas am Status ändern könnten. Mit den Institutionen verhält es sich entsprechend. Die Offenlegung Günter Grass’ Vergangenheit bei der Waffen-SS z. B. zog keine nennenswerte Erfolgseinbuße nach sich.

[64] Jürgen Trabant: Europäisches Sprachdenken. S. 90.

[65] Z. B. die Verweigerungshaltung, die der Labelname Anticon plakativ nach außen trägt.

[66] Z. B. durch die Beteiligung mehrerer Rapper an einem Song.

[67] Z. B. durch das offensive Dissen zur Darstellung des anderen als lachhaft.

[68] Darauf hebt auch das alternative Pseudonym Rzarector des Clan-Mitglieds RZA ab. Als beispielhaftes Musikvideo sei dasjenige zu dem Song Triumph erwähnt. Darin wandeln die Mitglieder u.a. ihre Gestalt, überwinden die Schwerkraft und verleihen einem Blinden die Sehkraft, vgl. Wu-Tang Clan: „Triumph.“ In: Legend of the Wu-Tang Clan. The Videos. Track 9. DVD-Video. Sony Music 2006.

[75] Sven Weisemann z. B. tritt mit seinen Namen als Produzent und DJ auf, als Ambient Techno-Musiker nennt er sich Desolate. Paul Rose heißt als Dubstep-Musiker Scuba und als Techno-Musiker SCB. Will Oldham tritt auf als Bonnie „Prince“ Billy, Palace oder Palace Brothers. Olof Dreijer ist unter diesem Namen Mitglied der Elektroband The Knife und nennt sich im Rahmen seines Soloprojekts Oni Ayhun. Mike Patton (Avant Garde-Rock) tritt auch als Peeping Tom (Trip-Hop-Seitenprojekt mit wechselnden Gastmusikern) auf.

[69] Vgl. http://www.youtube.com/watch?v=g9QN_Ma_6TA (besucht am 02.04.2011).

[70] Ebd.

[71] Vgl. http://www.youtube.com/watch?v=s_qMbzfF31k, Aufzeichnung aus dem Blaze Battle 2001, Runde 2 (besucht am 10.04.2011).

[72] Dick Sullivan: „Astronautalis Honed His Wandering Hip-Hop Skills in Dallas, A City He Still Loves.“ http://www.frontrow.dmagazine.com. http://frontrow.dmagazine.com/2010/04/interview-astronautalis-honed-his-wandering-hip-hop-skills-in-dallas-a-city-he-still-loves/ (besucht am 10.04.2011).

[73] Ebd.

[74] Astronautalis: Blogeintrag vom 21.09.2009. http://modelcitizens.org/news.html (besucht am 10.04.2011).

[75] Vgl. http://www.youtube.com/watch?v=9njByUJ1V54, Aufzeichnung aus dem Blaze Battle 2001, Finale (besucht am 10.04.2011).

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