„Aber das eigene muß so gut gelernt sein, wie das Fremde.“
Friedrich Hölderlin[1]
Einleitung
Unter den Schockmomenten ist nicht das schwächste, daß er die Träume à la lettre nimmt. Weil alles ausgeschieden ist, was nicht dem Traum und seiner prälogischen Logik gliche, ist der Traum selber ausgeschieden. Nicht das Ungeheuerliche schockiert, sondern dessen Selbstverständlichkeit.[…] So aber wie Kafka zu dem Traum sich verhält, soll der Leser zu Kafka sich verhalten. Nämlich auf den inkommensurablen, undurchsichtigen Details, den blinden Stellen beharren.[2]
Was Adorno uns bei der Lektüre von Kafka rät – gerade seine „blinden Stellen“ ins Auge zu fassen – mag zunächst paradox erschienen, wo sich jene wohl auch dem besonnenen, verweilenden Blick entziehen werden! Aber wenn diese Stellen auch „blind“ sein mögen, stumm sind sie gewiss nicht. Sie teilen sich uns unablässig mit, allerdings in Bildern, für die der Blick mithin blind ist, weil er selbst in diese Bilder eingelassen ist – weil das Kunstwerk uns bisweilen mit vertrauten Augen entgegen blickt.
Um diese Bilder als Schrift zu entziffern, müssen wir einen anderen Blickpunkt beziehen, der uns dem ungebrochenen Zugriff auf den Text gleichsam entrückt, ja, ent-fremdet. Deshalb sagen wir unumwunden: es ist unsere erklärte Absicht, die Textauslegung am Rand der Eskalation entlang zu führen. Denn erst, da der Text allseitig problematisch wird, legt er auch die Vertrautheit, mit der der naive Blick ihm begegnet, ab und kehrt unter dem Zeichen jener Fremdheit wieder, die der Ursprung jeglicher Bedeutung ist.
Auf der Suche nach diesem verborgenen irreduziblen Ursprung wollen wir die Eskalation bis zu jenem Punkt treiben, an dem alle Aussagesätze an die Grenze stoßen, jenseits derer sie verstummen müssen. Dieser Punkt ist der transzendentale Gesichtspunkt, von dem Fichte schreibt, dass die Kunst ihn zum gemeinen mache. Die hermeneutische Arbeit kann diesen transgressiven Akt, der sich im dreifachen Schriftsinn des Aufhebungs-Begriffs – Dekonstruktion, Konservierung, Erhebung – bewegt, nur darstellen, indem sie die Genese der Textproduktion rekonstruiert, die die Lektüre je fortschreibt.
Wir bewegen uns also fort, indem wir den Text paradoxerweise rückwärts lesen, auf eine bestimmte abwesende Ursache hin, die sich innerhalb der synchronen Ordnung des Textes zwar nie zugetragen hat, aber doch voraus gesetzt werden muss, um die fraglos feststehenden, das heißt, latenten Verknüpfungen der ästhetischen Textur unverwandt ins Auge zu fassen. Mit einem Wort, unser Blick richtet sich auf die Frage des che vuoi?, die das Kunstwerk zu beantworten sucht, da es das Begehren des Subjekts, das die Frage anzeigt, dem phantastischen Bild seiner Erfüllung zuführt. Doch dieses Begehren liegt nicht offen auf, denn wenn es das Kunstwerk auch hervorbringt, so verschwindet es doch zugleich hinter den Formen: Es residiert fortan in der unthematischen, latenten Struktur des Textes, das heißt, gerade in jenen nichtdiskursiven Elementen, die die blinden Stellen der ästhetischen Textur bilden: den Ideologien.
Gegenwärtig scheint der Ideologiebegriff zumal in der altehrwürdigen germanistischen Literaturwissenschaft nicht allzu hoch im Kurs zu stehen – um jene in dieser Hinsicht gänzlich euphemistische Ausdrucksweise zu bemühen. Tatsächlich scheint die hiesige Literaturwissenschaft nur allmählich wieder jenes Trümmerfeld zu beackern, dem die Apologeten des Bestehenden die Ideologie des „Endes der Ideologien“ aufgeprägt haben. Wir Neuen, die wir doch in einer langen Tradition kritischer Theorie stehen, sprechen dagegen vom Ende des Endes der Ideologien. Ja, es ist die Eigenart des Ästhetischen selbst, die verlangt, Literaturkritik als Ideologiekritik zu formulieren. Der folgende Text versucht, Zeugnis von diesem Postulat abzulegen.
Dazu rücken wir zwei der wohl herausragendsten Vertreter der neueren marxistischen Ideologietheorie – Louis Althusser und Slavoj Žižek – in den Mittelpunkt unserer Diskussion. Beide Theoretiker stehen wiederum in einer derart engen Beziehung zur Lacanianischen Psychoanalyse, dass sie ohne eine zumindest kursorische Einführung nicht in ihrer vollen Tiefe und Konsequenz zu erfassen sind. Wir werden uns im nächsten Kapitel also kurz mit den maßgeblichen Charakteristika der Lacan′schen Theorie auseinandersetzen, um so die Grundlage der Diskussion zur Arbeitsweise der Ideologie zu schaffen.
Wir sind uns darüber im Klaren, dass gewisse Termini aus dem Bereich der psychoanalytischen und marxistischen Theorie dem Leser nicht geläufig sein dürften. Auch zwingt die bloße Fülle des Lacan′schen Gedankengebäudes und die engen Verbindungen, die dessen Begriffe untereinander eingehen, zu einer ebenso kursorischen wie dichten Darstellung: beides scheint uns nicht dazu angetan, dem Leser entgegen zu kommen. Wenn nun die Fülle der ein- und ausströmenden Gedanken die Absicht auch untergraben mag, wollen wir uns doch um eine möglichst einheitliche, nachvollziehbare Argumentation bemühen.
„Das Ich ist die Metonymie des Begehrens“
Lacan verstehen, heißt, seine Begriffe in den engen topographischen Bezügen, die sie eingehen, zu verorten. Er selbst erklärte 1964 in einem seiner Seminare: „So entspinnt sich mein Diskurs: Jeder Terminus hält sich nur in seiner topologischen Relation zu den anderen Termini.“[3] Wo aber soll man anfangen, um den geneigten Leser in einen so umfassenden begrifflichen Apparat einzuführen? Vielleicht, indem wir einen Schritt zurück treten und uns fragen, was Lacan überhaupt unter dem Begriff des Diskurses versteht oder besser: Was ist die Bedingung der Möglichkeit des Diskurses? Nun, diese Bedingung liegt im Bereich des Unbewussten des Subjekts. Von ihm ausgehend also wollen wir Lacans analytischen Diskurs bestimmen.
Bereits Freud setzte sich etwa in Der Witz und seine Beziehung zum Unbewußten[4] (1905) mit dem Einfluss des Unbewussten im Witz, im Versprecher usw. auseinander. Diese Tradition führt Lacan fort, indem er die Freud′sche Psychoanalyse mit der Sprachtheorie bei de Saussure verknüpft. Im Anschluss an Freuds Traumtheorie ist es bei Lacan nun eine bestimmte „Signifikantenoperation“, die dem Traum seine konkrete Erscheinung verleiht. Was bedeutet das? Bei Freud erfährt das unbewusste Begehren seine Erfüllung in „halluzinatorischer Weise“: „Der Traum ist die (verkleidete) Erfüllung eines (unterdrückten, verdrängten) Wunsches.“[5] Es ist also die Wunschproduktion des Subjekts selbst, die den Traum in seiner konkreten Erscheinung hervorbringt: Die Traumsprache ist die im Signifikanten verschobene und verdichtete Form des unbewussten Begehrens und seinem äquivoken Sein: dem Mangel.
Lacan sieht diese Signifikantenoperation auch im aktuellen, bewussten Diskurs des Subjekts am Werke: der Ursprung des Zeichens ist die Abwesenheit des begehrten Objekts, das er gewissermaßen anruft[6]. So markiert das Zeichen stets eine Wunschposition und folgen wir Deleuze und Guattari im Anti-Ödipus, so ist seine „[e]inzige Bestimmung“ allein jene, „überall dort, wo es maschiniert, den Wunsch zu produzieren“.[7] Im Akt der Signifizierung gelangt das Abwesende selbst zu einem positiven Sein, dem „objektive[n] Sein des Wunsches“, das nichts anderes ist als „das Reale an sich“.[8]
Es wäre nun allzu voreilig, die Kategorie des Realen umstandslos mit dem Freud′schen Unbewussten gleich zu setzen. Das Unbewusste ist bei Freud ja spätestens seit „Das Ich und das Es“ (1923) in die Subsysteme des deskriptiven und dynamischen Unbewussten bzw. des Vorbewussten und des Unbewussten unterteilt.[9] In Analogie zum deskriptiven Unbewussten ist das Reale auch bei Lacan ein Ort radikaler Negativität, ein anderer Schauplatz, der dem bewussten Zugriff des Subjekts per definitionem unzugänglich ist. Gleichwohl modifiziert er den Begriff des Unbewussten aber entscheidend, indem er das Reale in ein neues topographisches Koordinatensystem einführt. Das Lacan′sche Reale steht nun neben den Kategorien des Symbolischen und Imaginären. Es ist gleichsam der Kern, um den sich das Symbolische anordnet, doch ist es selbst das Nichts eines vorsymbolischen Raums, das heißt, dasjenige, „was der Symbolisierung gänzlich widersteht“[10]: Es ist die abwesende Ursache des Diskurses. In diesem Sinne könnte man in einer paradox anmutenden Formulierung sagen, dass das Reale sich in den nicht-diskursiven Elementen des Diskurses artikuliert. Es erscheint daher als eine Art zweiter Diskurs, der gewissermaßen unterhalb des ersten, aktuellen verläuft, der, mit Althusser gesprochen, „schweigend, das heißt mit betäubender Stimme, durch ‚Verdrängung‘ unkenntlich, die Kette des verbalen Diskurses des menschlichen Subjektes verdoppelt.“[10] Nur unter diesen theoretischen Prämissen kann Lacan schließlich postulieren, dass „[d]as Unbewußte […] seit Freud eine Signifikantenkette“[11] sei, oder, mit einem klassischen Lacan′schen Diktum gesprochen, wie eine Sprache strukturiert sei.
Wenn wir also mit gutem Grund sagen, dass das Subjekt vom Signifikanten regiert wird, so sagen wir damit auch, dass das Reale des Begehrens, das durch ihn spricht, das konstitutive strukturbildende Element von Subjektivität ist. Oder, um mit Lacan zu sprechen: wenn „das Begehren die Metonymie des Seinsverfehlens“ ist, so ist „das Ich die Metonymie des Begehrens“.[13] Er stellt seinen Subjektbegriff demnach unter das Zeichen einer Spaltung, die auf den diachronen, kontingenten Charakter des Realen zurück geht. Demgegenüber ist es nun die Funktion der Signifikantenoperation, dies stets gleitende Signifikat in die synchrone symbolische Ordnung des Subjekts einzuarbeiten. Zugleich muss diese Operation notwendig unbewusst getilgt werden, damit das Subjekt sich als ein mit sich identisches oder, was dasselbe meint, als das „Subjekt des Signifikats“ imaginieren kann. Die Spur der Operation, die das Subjekt hervorbringt, muss also im Verborgenen bleiben, damit es von sich sagen kann: „Ich bin Ich.“ Wenn nun die Psychoanalyse das Subjekt demgegenüber als ein in sich gespaltenes „Subjekt des Signifikanten“ entwirft, das sich gleichwohl als das „Subjekt des Signifikats“ entwirft, so meinen wir, dass Kafka den selben Weg einschlägt: „Wie in einer Versuchsanordnung studiert er, was geschähe, wenn die Befunde der Psychoanalyse allesamt nicht metaphorisch und mental, sondern leibhaft zuträfen.“[12] Es ist dies der Weg der radikalen Dekonstruktion des Subjekts.
Denken wir nur an K.s Berufung zum Landvermesser: Seine Stellung im Dorf ist immerzu den heteronomen Bestimmungen eines bürokratischen Apparates unterworfen, der unter dem Titel des Schlosses figuriert. Aber das Schloss ist keineswegs nur die isolierte, unerreichbare Lokalität jenseits des Dorfes, als die es erscheinen mag. Es strukturiert die Verhältnisse der Figuren des Dorfes zueinander, es enthebt sie ihrer Unmittelbarkeit. Das Schloss residiert gleichsam in ihren Handlungen – ob sie sich ihm unterwerfen oder ihm Widerstand leisten – und seine Macht reicht bis ins Intimste: Seine dürren Finger rühren an die entblößten Stellen der Leiber, tief hinein bisweilen in die Lust des Fleisches. Das Schloss durchdringt die Körper, es setzt sie zueinander in Beziehung und so bedingt es das Feld des Gesellschaftlichen, wie auch der Ruf, der vom ihm an K. ergeht, diesen in den Sozius einführt. Das Schloss ist endlich der Ort des Gesetzes, das „in seinem formalen Wesen mit dem Gesetz der Sprache verschmolzen“ ist, insofern sich in ihm „jegliche menschliche Ordnung, also jede menschliche Rolle, fixiert und darstellt“.[13]
Bei Kafka geht das Subjekt ins Gesellschaftliche nur unter dem Zeichen des Großen Anderen (le grand Autre) ein: der symbolischen Ordnung und den Mechanismen der Unterwerfung, die sie begleiten. Er entwirft das Subjekt in einer Art „dezentrierten Einheit“[14], gleichsam als das Signum einer diskursiven Struktur. Deleuze und Guattari gehen so weit, zu sagen, dass „[d]ie Abkürzung K. […] weder einen Erzähler noch eine Romanperson [bezeichnet], vielmehr eine Verkettung, die um so maschineller, einen Agenten, der um so kollektiver wird, je fester sich ein Individuum in seiner Einsamkeit daran ankoppelt“[15]. Hier ist das Subjekt zugleich anwesend und radikal delokalisiert, dezentriert. Es hat – mit Slavoj Žižek gesprochen – den paradoxen Status eines Subjekts vor der Subjektivierung: „Kafka’s achievement is to articulate this paradoxical status of the subject before subjectivation.“[16] Eben das ist auch der modus operandi der Traumarbeit. Hier wie dort nimmt die Figur/das Subjekt die Position dessen ein, der nicht sieht, sondern vielmehr dem Ruf des Anderen folgt:
Das Subjekt sieht nicht, wohin es führt, das Subjekt folgt nur, kann sich gelegentlich zwar davon lösen, kann sich sagen, das sei nur ein Traum, aber keinesfalls könnte das Subjekt sich im Traum so begreifen, wie es sich im cartesischen cogito als Denken begreift. Das Subjekt kann sich sagen: Das ist nur ein Traum. Aber es begreift sich dabei nicht als eines, das sagt – Trotz alledem, ich bin das Bewußtsein dieses Traums.[17]
Bei Kafka ist es diese Partikularität des Blickpunktes, die den Sozius als ein Feld radikaler Immanenz strukturiert: Kafkas Figuren finden sich in „ein Rhizom, ein[en] Bau“[18] hinein gestellt, der zwar unzählige Eingänge kennt, aber keinen Ausgang, lediglich prekäre Fluchtpunkte innerhalb eines undurchsichtigen Machtgefüges. Dieser monolithische Bau des Sozius, den Kafka in seinen Romanen als komplexes, zersplittertes Ganzes strukturiert, vereint die Einzelnen zugleich in ihrer Vereinzelung: Die subjektlose bürokratische Sprache, derer sich die Figuren innerhalb der Apparate bedienen, markiert formal, was inhaltlich geschieht: „Das Ausgesagte verweist weder auf ein Subjekt der Aussage als seine Ursache noch auf ein Subjekt des Ausgesagten als seine Wirkung. […] Es gibt kein Subjekt, es gibt nur kollektive Aussageverkettungen.“[19]
Jede Aussage hat wiederum unmittelbar praktische Konsequenzen, weil es die Arbeitsweise der je spezifischen Praxis selbst ist, die sich in der Aussage artikuliert: der Diskurs ist die gesellschaftliche Praxis, er ist deren Verkörperung und deshalb verschiebt jede Aussage die Machtblöcke und schmiedet neue Allianzen oder aber sie erzwingt den Gewaltschlag des gesellschaftlich Mächtigeren. Die Differenz entpuppt sich bei Kafka als der unaufhebbare Gegensatz zwischen den Figuren, als eben jene bornierte Partikularität, die das abstrakte Ganze unter sich subsumiert und dessen Spruch das Urteil ist, das keinen Widerspruch kennt: „Der Grundsatz, nach dem ich entscheide, ist: Die Schuld ist immer zweifellos“[20], sagt der Offizier der Strafkolonie und benennt damit den tautologischen, repressiven Kern eines Gesetzes um des Gesetzes willen: „its [the Law′s] authority is without truth“[21].
In der Strafkolonie gibt es niemanden, der sich der Schuld oder Unschuld des Angeklagten in einem gerichtlichen Verfahren vergewisserte. Es gibt keine Angeklagten, nur Verurteilte. Das Recht, nach dem diese verurteilt werden, gehört einem undurchsichtigen Machtprinzip an, dessen einzige positive Bestimmung ist, über jedem Zweifel erhaben zu sein. Der alte, verstorbene Kommandant, der es einst verfasst hat, hat inmitten einer Wüste, auf einer Insel auch einen Apparat errichtet, der dem Verurteilten eben dieses Gesetz innerhalb von 12 Stunden – bis zum Eintritt des Todes – in den Körper eingraviert.
Ein Offizier – ein Untergebener des alten Kommandanten – bedient nach dessen Tod fortan den Apparat. Die Kurzgeschichte hebt damit an, dass er einem Reisenden, der den Apparat besucht, dessen Funktionsweise minutiös erklärt. Wie der Offizier ihm entdeckt, sei diese Art des Strafvollzuges, der einst so viele Schaulustige beigewohnt hatten, gegenwärtig in Gefahr, vom Nachfolger des alten Kommandanten verboten zu werden. Dem Offizier – ein vorbehaltloser Verteidiger des Verfahrens – scheint der Reisende dagegen der Rechte zu sein, um ihn als Verbündeten gegenüber dem neuen Kommandanten zu gewinnen. Als sich der Reisende aber als Gegner des Verfahrens ausweist, legt der Offizier ihm plötzlich eines jener Gesetze vor, mit deren Vorgaben der Apparat die Verurteilten richtet. Auf ihm steht: „Sei gerecht!“[22] Zur Verwunderung des Reisenden legt sich der Offizier selbst in den Apparat, der für den Verurteilten bestimmt gewesen wäre. Prompt beginnt der Apparat, wie von Geisterhand, selbstständig zu maschinieren und sich, indem er dem Offizier seine tödlichen Zeichen einschreibt, selbst zu zerstören. Der Reisende verlässt daraufhin die Strafkolonie, um das Grab des alten Kommandanten zu besuchen und schließlich auf einem Boot die Insel zu verlassen.
Das Ich im Anderen
Wie in vielen anderen Texten von Kafka, so ist die Handlung auch in der Strafkolonie um ein bestimmtes Phänomen herum angeordnet, das wir im vorigen Kapitel als den Ruf des Anderen bezeichnet haben. Dieser Ruf kann sich auf verschiedenste Weise äußern: als tatsächlicher (An-)Ruf, als schriftliche Note, als Bild usw. Handelt es sich um einen Ruf im engeren Sinne, so kommt er zumeist aus einem Nebenzimmer oder er wird über das Telefon übermittelt. Demgegenüber finden wir bei Kafka auch gewisse privilegierte, gleichsam auratische Objekte vor, deren genauer Ursprung unklar bleibt oder jedenfalls einem weit entlegenen oder zumindest doch als jenseitig markierten Ort entstammt. Solche privilegierte Objekte sind beispielsweise die Briefe, die K. aus dem Schloss zugestellt werden, aber auch die Gesetzestexte des Offiziers der Strafkolonie.
Woher aber beziehen diese Texte jene Aura, die sie für den Offizier zum „Teuerste[n machen], was ich habe“[23]? Anders als andere privilegierte Objekte bei Kafka (Anweisungen, Briefe, Anrufe usf.), zeichnen sich die Gesetzestexte der Strafkolonie nicht durch die räumliche Kontiguität aus. Ihr bestimmendes Charakteristikum ist also nicht, dass sie von einem weit entlegenen Ort wie dem Schloss oder dem Gericht entstammen. Ihre besondere Qualität ist vielmehr auf der Ebene der Zeit angesiedelt, denn sie sind das Zeugnis eines Vergangenen, das in der synchronen Struktur des Zeichens gleichwohl gegenwärtig ist: Auf ihnen hat der alte Kommandant einst das Gesetz der Strafkolonie fest gehalten. Es ist das Wort des Alten selbst, das sich in ihnen ausdrückt: Die Gesetzestexte verleihen seiner Autorität eine bleibende Form.
Indem diese privilegierten Objekte die diversen Figuren nun in eine bestimmte Beziehung zum Strafverfahren setzen, kommt ihnen eine herausragende strukturbildende Funktion zu. Gewiss wird man sagen, es handle sich um das Gesetz und mit dem Gesetz habe es ohnedies etwas besonderes auf sich! Das ist so richtig wie banal. Unsere Frage müsste sich im Anschluss an diese Bestimmung darauf richten, warum das so ist. Nun, wir sehen, dass das Gesetz in keinen spezifischen historischen Kontext gestellt ist, dass es also weder etwa das feudale noch das bürgerliche Gesetz repräsentiert, sondern die formale Instanz des Gesetzes als solches. Angesichts dieser inhaltlichen Entleerung können wir der Einfachheit halber zunächst von einer wie auch immer gearteten, verbindlichen signifikanten Struktur sprechen, der eine gewisse appellative Wirkung zukommt.
Das Gesetz ruft also an. Wen? Die Figuren – aber nicht bedingungslos. Der Reisende etwa erkennt das Gesetz des alten Kommandanten als Teil eines fremden Kulturkreises an, aber er erkennt sich darin nicht wieder. Im Gegensatz dazu scheint die Beziehung des Offiziers zum Gesetz eine durch und durch symbiotische zu sein. Offenbar ist im Gesetz des Alten etwas angelegt, das dem Offizier ein positives Bild seiner selbst vermittelt, worin er sich im vollen Sinne als Subjekt annimmt. Wenn wir ein wenig vorgreifen und den Text von seinem Ende her lesen, so können wir sagen, dass der Offizier nur in Bezug auf das Gesetz sein kann, denn mit dem Ende seiner Herrschaft stürzt auch er sich in den Tod. In gewisser Weise scheint der Offizier allein in diesem Bild zu leben. Wir müssen es daher als eine positive Bedingung seiner Subjektivität begreifen.
Diesen wunderlichen Effekt wollen wir nun dem theoretischen Begriff der Anrufung (interpellation) zuordnen, und zwar in dem Sinne, den Louis Althusser ihm in Bezug auf die beiden Funktionen der Ideologie gegeben hat: zum einen, die Funktion der „Verkennung“ (méconnaissance), zum anderen aber die der „Wiedererkennung und Anerkennung“[24] (reconnaissance). Was ist damit gemeint? Nun, sagen wir, das Gesetz fungiert als eine Art Spiegel, in dem das Subjekt sich selbst wiedererkenntanerkennt (reconnaître), um den eingangs erwähnten Althusser′schen Terminus zu verwenden. Das Gesetz zu lesen, bedeutet also, es in seiner identifikatorischen Referentialität zu begreifen: dies also ist die Spiegelfunktion, der wir im Folgenden in einem Exkurs zur Lacan′schen Theorie des Spiegelstadiums nachgehen wollen, um im Anschluss auf die Strafkolonie zurück zu kommen.
Das erste Erkennen des eigenen Bildes im Spiegel[25] führt beim Kleinkind, über die räumliche Identifikation hinweg, zum entscheidenden Bruch zwischen dem Organismus und dessen Realität und damit zum entscheidenden Einschnitt in der Vorstellung der Welt als organischem Ganzen. Zugleich geht damit ein jubilatorisches Moment der Herrschaft über den eigenen Körper einher, wenngleich seine motorischen Fähigkeiten noch nicht ausreichend ausgeprägt sind und also die körperliche Disparität keineswegs überwunden ist. Lacan bezeichnet das Spiegelstadium deshalb als „ein Drama, dessen innere Spannung von der Unzulänglichkeit auf die Antizipation überspringt“[26]. Wie Uwe Rosenfeld ergänzend bemerkt, zeugt das Spiegelstadium von einer „antizipatorische[n] Identität, die die Unzulänglichkeit des Kleinkindes auf illusionäre Weise überspringt, aber nicht abhebt.“[27] Es erfülle also nicht nur eine Erkenntnisfunktion, „besser: Anerkennungs-Wiedererkennungsfunktion, sondern legt gleichzeitig den Verkennungsprozeß offen“[28]. Damit wollen wir betonen, dass diese Verkennung zugleich die Bedingung der Anerkennung-Wiedererkennung (reconnaissance) des Individuums als Subjekt ist. Mit anderen Worten: Das Spiegelstadium trägt entscheidend zur Ich-Bildung bei.
Wenn Lacan sagt, dass das Ich „ein Objekt [ist], das wie eine Zwiebel gebaut ist, man könnte es pellen und man fände die aufeinanderfolgenden Identifikationen, die es konstitutiert haben“[29], so bezieht er sich auf einen Begriff der Identifikation, der „eine beim Subjekt durch die Aufnahme eines Bildes ausgelöste Verwandlung“[32] meint. Von welchem Bild aber sprechen wir? Zunächst ist „Bild“ mit dem französischen image zu übersetzen, das auch das semantische Feld des psychoanalytischen Begriffs der Imago abdeckt: In diesem Sinne wollen wir das Wort auch hier verstehen, denn tatsächlich erweist sich das Spiegelstadium als ein „Spezialfall der Funktion der Imago“[30]. In dieser Imago – im Signifikanten des Anderen – setzt sich die narzisstische Libido des Individuums in Szene. Was da auf der Spiegelfläche in Erscheinung tritt, ist jenes „imaginäre Subjekt“, in dessen Blick das Individuum sich in der seinerseits imaginären Identität annimmt: das Individuum sieht sich gewissermaßen in den Blick eines Ideal-Ichs gestellt. In diesem Moment, sagt Lacan, werde „die Instanz des Ich (moi) auf einer fiktiven Linie situiert, die das Individuum allein nie mehr auslöschen kann“[31]. Daran anknüpfend argumentiert Uwe Rosenfeld, dass dem Spiegelstadium „ein Repräsentationsvorgang zugrunde liegt, bei dem das Bild, das repräsentierende, das Repräsentierte allererst hervorbringt. Das Spiegelbild bringt allererst Identität, ein erste[s] Subjekt hervor“[32]. Dies aber nur „unter Verkennung der strukturellen Abhängigkeit vom anderen und dessen Heterogenität“[33], das heißt, nur unter Verkennung der damit verbundenen Signifikantenfunktion, die ihm erlaubt, sich „als Subjekt des Signifikats [zu imaginieren], welches sich mit sich selbst identisch dünkt“[34]. Lacan spricht vor diesem Hintergrund von einer „wahnhaften Identität“[35].
Was aber ist die Bedingung der Möglichkeit von Identität im emphatischen Sinne? Žižek bietet uns folgenden Ansatz: „[T]he only possible definition of an object in its identity is that this is the object which is always designated by the same signifier – tied to the same signifier. It is the signifier which constitutes the kernel of the object’s ‘identity’.“[36] Identität ist also nur unter der Prämisse denkbar, dass sich gerade die Nichtidentität von Signifikant und Signifikat in einer bestimmten Weise überschreiben ließe: Eben diese Funktion erfüllt das erfolgreiche Spiegelstadium, da das Subjekt, das stets das Subjekt des Signifikanten ist, sich als das mit sich identische Subjekt des Signifikats imaginiert. Vor diesem Hintergrund wollen wir Identität als einen gewissen imaginären oder ideologischen Effekt verstehen.
Dieser Effekt geht auf jene retroaktive Wirkung zurück, die in der Prädikation des Gegenstandes angelegt ist[37]: die Theorie des „primal baptism“ geht davon aus, dass der Akt der Prädikation seine Grenze zwar in der Dialektik des Signifikats findet, doch diese je zu bestimmende Grenze widerspricht der formalen Konsistenz des Signifikanten, weshalb „the name continues to refer to that object even if all the descriptive features at the time of its baptism have disappeared“[38]. Im Angesicht seiner geschichtlichen Dialektik ist der Gegenstand jedoch nie genau das, was die Sprache sagt, das er sei: „das Signifizierte [gleitet] unaufhörlich unter dem Signifikanten“[39]: Steht die formale Konsistenz des Signifikanten „Ich“ nicht auf der stets brüchigen Grundlage dessen, was er bezeichnet? Ist dieser Signifikant aber nicht das Bild, auf dass das Subjekt sich hin projiziert – dieses Bild, das, wie das Spiegelstadium zeigt, das Selbst im symbolischen Anderen situiert?
Im Spiegelstadium enthüllt sich der Akt der Signifizierung als ein Einschreibeprozess, der sein Objekt in seiner spezifischen semiotischen Qualität produziert: „In other words, what is crucial in any analysis of ideology is to detect, behind the apparently transcendental meaning of the element holding it together, this tautological, performative, fundamentally self-referential operation, in which it is not so much some pre-existing meaning that things refer to as an empty signifier that is retrospectively seen as what is being referred to.“[40] Ernesto Laclau spricht in diesem Zusammenhang von „the discursive construction of the object itself“.[41] Die Ideologie bringt also das Bezeichnete – das Subjekt und seine Umwelt – in seiner imaginären Bestimmtheit hervor: So wie das Kleinkind den Wunsch nach der Herrschaft über den eigenen Körper im Spiegelbild – das heißt, auf der Ebene des Imaginären – realisiert sieht, stellt sich die Identität des Subjekts her im strukturellen Verhältnis zum Großen Anderen, dem maschinierenden automaton der symbolischen Ordnung.
Deus ex machina
Wenn wir aber sagen, dass das Subjekt seine Identität unbewusst über eine Spiegelrelation herstellt, wie ließe sich diese in ihrer inneren Kausalität verstehen? Betrachten wir das Verhältnis zwischen Gott und dem Gläubigen. Wie jeder Mensch ist auch der Gläubige in der ein oder anderen Weise bedürftig, und, ohne dass wir uns darauf an dieser Stelle einlassen wollen, verrät das ödipale Thema der großen monotheistischen Religionen doch eine Bedürftigkeit besonderer Natur. Wie auch immer, wir stellen fest, dass in diesen Religionen komplementär ein bestimmtes Glücksversprechen angelegt ist, das im Gebet explizit als Bitte an Gott auftritt. Was ist nun die Vorstellung des Reich Gottes oder des Paradieses anderes als der Versuch, den Wunsch nach einem Leben ohne Leiden und Mangel im Bilde festzuhalten – der ohnmächtige Vorschein der Erfüllung eines unmöglichen Begehrens? Gewiss, man wird einwenden, dass die diversen Religionen zumeist mit ausgesprochen unlustvoller Entsagung verbunden sind, aber das zeigt unserer Auffassung nach nur, dass das Begehren gewissermaßen durch die „Engführung“ der historisch bedingten symbolischen Ordnung hindurch muss, mit all ihren Geboten und Verboten. Der Signifikant Gott aber ist stets Gegenstand einer sublimierten Liebe: Er ist das Spiegelbild, in dem sich das Begehren des Subjekts – stets „Metonymie eines Seinsverfehlens“ – in Szene setzt.
Vor diesem Hintergrund erscheint das fromme Leben als die ideologische Einheit des Anspruchs, den das Begehren anmeldet, und des verfehlten Seins der gesellschaftlichen Wirklichkeit: Wie Marx in der Einleitung zur Kritik der Hegelschen Rechtphilosophie bereits so scharfsinnig bemerkte, ist „[d]as religiöse Elend […] in einem der Ausdruck des wirklichen Elendes und in einem die Protestation gegen das wirkliche Elend“[42]. Der religiöse Glaube ist also der Versuch, die Wunschproduktion des Subjekts mit seiner realen gesellschaftlichen Praxis zu versöhnen. Innerhalb der Ideologie aber steht die Sache kopfüber, ist das reale Verhältnis in ein imaginäres hinein gestellt, denn fragen wir den Gläubigen, so wird er uns allerlei Gründe geben, weswegen man gottgefällig handeln müsse, und viele dieser Gründe werden zweifellos von jenem christlichen Altruismus beseelt sein, der gewiss nichts mit dem eitlen Gehabe des Narziss am Hut hat und also zunächst unserer These widerspricht. Und wer wird auch bestreiten, dass das materielle Verhalten des Gläubigen die praktische Durchsetzung seines Glaubensbekenntnisses, „die lebendige Verkörperung des bewundernswürdigen Wortes ihres [der Gläubigen] Gebetes: ,So sei es!‘“[43] ist? Der Gottesdienst erscheint in erster Linie doch auch als ein Dienst aus Liebe zu Gott, nicht aus Liebe zu sich selbst – wenngleich der Gläubige selbst ein lebhaftes Interesse an seinem Seelenheil haben dürfte. Wenn wir das Verhältnis zu Gott auch keineswegs als einen solchen billigen Kuhhandel betrachten wollen, wie können wir trotz allem behaupten, dass der Gläubige zwar gewiss gottgefällig handelt, aber diese Handlungen in gewisser Weise ihm selbst gelten?
Nun, wenn der Gläubige alles menschliche Tun auch auf Gottes Gnaden als dessen Ursprung und Telos bezieht und wenn diese Vorstellung auch auf der subjektiven Evidenz fußt, wonach sein frommes Leben eo ipso die Wahrheit des Glaubens verbürge, so sagt er damit zunächst nur aus, dass er sich in seinen Praktiken wieder-, und damit als das Subjekt seiner Praktiken anerkennt und diese Praktiken auf einen universalen Sinnzusammenhang bezieht, der in Gott seinen höchsten Ausdruck findet. Mag das Subjekt innerhalb der Ideologie auch denken, dass es dies und jenes tue, weil es glaube, so stützt sich unsere Argumentation dennoch auf die These, dass das Subjekt glaubt, weil es dies und jenes tut. In unseren Augen ist es also nicht die Ideologie, der sich die konkreten Praktiken verdanken, so als ob sie sich gleichsam in ihnen materialisierte, sondern umgekehrt, sind es die Handlungen des Subjekts – die Messe, die Beichte, das Tischgebet usw. – in einem solchen Grad der Akkumulation, dass sie zum Bild werden – frei nach dem Ausspruch von Blaise Pascal, den wir bei Althusser zitiert finden: „Knie nieder, bewege die Lippen zu Gebet, und Du wirst glauben.“[44]
Lesen wir die Handlungen des Subjekts als einen „Prozess der Transformation eines bestimmten gegebenen Rohstoffes in ein bestimmtes Produkt“[45], wie Althusser die Praxis in ihrer allgemeinsten Bestimmung definiert, so wollen wir von der Praxis der Ideologie als einem spezifischen Produktionsprozess sprechen, der einem bestimmten gesellschaftlichen Feld eingeschrieben ist. Wir sehen, dass wir die Ideologie nicht in dem Sinne verstehen, wie sie Marx und Engels in der „Deutschen Ideologie“ skizzieren: nicht als Verschleierung des Bestehenden oder – wie Althusser in Bezug auf die „Deutsche Ideologie“ kritisch bemerkt – im Sinne der vorfreudschen Traumvorstellungen „als eine pure Illusion, als ein reiner Traum, als ein Nichts“.[46]
Weit davon entfernt, der Ideologie den Status einer bloßen Vorstellung zuzuweisen, besitze sie, mit Althusser gesprochen, „nicht etwa eine ideale, ideelle oder geistige, sondern eine materielle Existenz“[47]. Wie der Glaube, so ist jede ideologische Form „embodied, materialized, in the effective functioning of the social field“[48]. Sie ist also nur in Bezug auf ihre gesellschaftliche Funktion zu entschlüsseln, „insofern seine [des Subjekts] Ideen seine materiellen Taten sind, welche in materielle Praktiken eingebettet und durch materielle Rituale geregelt sind, die ihrerseits wiederum durch den materiellen ideologischen Apparat definiert werden, zu dem die Ideen dieses Subjekts gehören“[49]. Damit führen wir den Begriff des „ideologischen Apparats“ in unsere Betrachtung ein. Althusser bestimmt ihn als gesellschaftlichen Ort, der gewisse Rituale definiert, die die Praktiken regeln. Dem ideologischen (Staats)Apparat der institutionellen Kirche etwa ist der Ritus der Messe zugeordnet, in den die Praktiken des Betens, der Buße usf. eingebettet sind, in denen sich das Individuum als das Bezeichnete in Szene setzt. Auch das Ritual der Marter ist an verschiedene Apparate angeschlossen: an den Gefängnisapparat, den religiösen Apparat usw.
Der Apparat ist eine Art Bühne, auf der sich das „Drama“ der Praktiken abspielt. Er erhält sich nur in der Kontinuität dieser „Inszenierung“, denn er ist das Produkt des performativen Aktes der énonciation bestimmter Ideologien in den Praktiken – der gesellschaftliche Ort ihrer Artikulation. Zugleich aber definiert er jene Praktiken in ihrer Bestimmtheit: wenn wir das oben angeführte Zitat von Althusser betrachten, so sehen wir, dass die „Ideen des Subjekts“, die seine „materiellen Taten“ sind, in der ersten Hälfte als das Bedingte erscheinen und in der zweiten Hälfte doch als das Bedingende wieder kehren. Daraus können wir schließen, dass die den Ideen zugeordneten Handlungen die notwendige Bedingung des ideologischen Apparates darstellen, sowie diese wiederum nur in jenem existieren.
In seiner eigentümlichen Zwischenstellung ist der ideologische Apparat weder eine rein äußerliche Prozedur, noch ist er die Materialisierung einer geistigen Existenz. Vielmehr bricht dieser Begriff mit diesem Dualismus. Schließlich sei er, wie Isolde Charim schreibt, kein Apparat, der eine Idee realisiert; in ihm kommt kein Gedankengebäude zur Erscheinung. Er ist nicht dessen nachträglicher Niederschlag, nicht der Ausdruck eines geistigen Konstruktes. Der Apparat manifestiert keine unabhängig von ihm existierende Ideologie. Er ist vielmehr das untrennbare Ganze eines „ideologischen Apparats“: Der Apparat ist die Ideologie in dem Sinne, daß er ihre Art zu existieren ist. Er ist die der Ideologie eigene Materialität, die ihr eigene „materielle Existenz“.[50]
Im Anschluss an die Theorie des primal baptism können wir den ideologischen Apparat nun als einen Artikulationsort einer bestimmten konsistenten, signifikanten Struktur entwerfen, dem nur im Akt der Artikulation überhaupt Wirklichkeit zukommt. In gewisser Weise ist der Apparat der Raum, in den ein Wort hineingestellt ist, das ohne ihn nicht wäre, wie auch dieser ohne jenes nicht bestünde: Er ist also kein aparter empirischer Gegenstand außerhalb der Ideologie, sondern „die der Ideologie eigene Materialität, die ihr eigene ,materielle Existenz‘“. Er ist in anderen Worten die Wirklichkeit der Ideologie; ist „ihre Art zu existieren“.
Die Maschine schlägt Leck
Wir wollen kurz rekapitulieren, welche Überlegungen wir in den vorigen Abschnitten angestellt haben: wir haben versucht, das Lacan′sche Spiegelstadium skizzenhaft darzustellen. In ihm erkennt sich das Individuum in seinem Spiegelbild als ein von seiner Umwelt getrenntes Subjekt, und zwar durch den Akt der affektiven Identifikation, der notwendig unbewusst bleiben muss. Wir haben diesen Akt als einen Einschreibeprozess bestimmt, der das Objekt in seiner imaginären Identität produziert. Diese Arbeit ist die Arbeit der Ideologie: Indem sie das je gleitende Signifikat unter ihrem Signifikanten subsumiert, fixiert sie seine Bedeutung. Das ist der Modus, in dem die Ideologie allein sich erhält: sie ist nichts anderes als die infinite énonciation dieser konsistenten, signifikanten Textur. Ihr liegt also das Prinzip der Wiederholung zugrunde, die sie gleichsam außerhalb der Zeit situiert: „Die Ideologie hat keine Geschichte.“[51][52]
Diese formale Konsistenz erlaubt es uns, die Ideologie in der Metapher des Apparates zu beschreiben. Wir sehen schon, welche innige Beziehung die Metaphorik der Ideologietheorie mit Kafkas Sprache eingeht. Auch funktional überlappen sich die Konzepte in bestechender Weise, was uns dazu bringt, eine noch recht vage, gleichwohl kühne These zu formulieren: der Apparat der Strafkolonie ist ein ideologischer Apparat avant la lèttre.
Kafkas Apparate sind weitaus mehr als Maschinen im technischen Sinne. Eine technische Vorrichtung ist die Maschine bei Kafka nur in ihrer gesellschaftlichen Verkettung, als gesellschaftliche Maschine, „die Menschen in sich aufsaugt oder, genauer, die ebenso aus Menschen besteht wie aus Dingen, Strukturen, Metallen und Rohstoffen“[53]. Kafkas Figuren seien Teile dieser Maschine, „und zwar nicht nur, wenn sie arbeiten, sondern auch außerhalb der Arbeit, wenn sie sich ausruhen, wenn sie einander lieben, wenn sie protestieren, sich empören usw. Der Maschinist ist Teil der Maschine, und zwar nicht nur in seiner Tätigkeit als Maschinist, sondern auch danach“[56]. In diesem Sinne kann man einen jeglichen Ausdruck als eine maschinelle Verkettung vor aller Subjektivierung begreifen; ein Räderwerk, das die Zeichen ineinanderfügt und also den Akt der Signifizierung verkörpert.
Innerhalb dieses Aufzeichnungsregimes nehmen sowohl der Offizier als auch der Verurteilte bestimmte Rollen ein. In gewisser Weise sind sie selbst Teil des gesamten Arbeitsprozesses des Apparates. Dieser gliedert sich zunächst in drei wesentliche Momente: „Die einfachen Momente des Arbeitsprozesses sind die zweckmäßige Tätigkeit oder die Arbeit selbst, ihr Gegenstand und ihr Mittel.“[54] Man wird dem Offizier, der die Kontinuität des Produktionsprozesses gewährleistet, die Position der Arbeit zuordnen, der gegenüber der Apparat als das Arbeitsmittel fungiert, das der Arbeiter „zwischen sich und den Arbeitsgegenstand schiebt“[58]. Dieser Arbeitsgegenstand aber ist die Aufzeichnungsfläche des Körpers: sie ist der unbearbeitete Rohstoff, das stumme Signifikat vor aller Signifizierung.
Fassen wir das Ende der Strafkolonie in den Blick, worin sich der Offizier selbst in den Apparat legt und damit dessen Schicksal besiegelt, so können wir sagen, dass die Verfügbarkeit des Gegenstandes unabdingbar für die Kontinuität der Signifizierung selbst ist. Das Gesetz als ideologische Form gewinnt seine Substanz offenbar nur durch seine Übersetzung in die Praxis der Ideologie: das Wort des alten Kommandanten erhält sich also nur im infiniten Prozess seiner eigenen Hervorbringung; im performativen, selbstreferentiellen Akt seiner énonciation. Das ist die spezifische Arbeitsweise der Ideologie, wie sie in den Handgriffen des Offiziers wie im Räderwerk der Maschine unmittelbar am Werke ist: Das Ganze des Apparates ist die Wirklichkeit seiner Ideologie.
Doch dieser Apparat, der ja nichts anderes ist als Ideologie in actu, zeigt eine fundamentale Unmöglichkeit an: wenn wir sagen, dass die Anrufung des Anderen auf das Komplement des Begehrens abzielt, so ist die Ideologie die Antwort des Unbewussten auf eine misslungene Anrufung: Sie ist der Versuch, einen symbolischen Mangel zu befriedigen – einen Mangel an Sein, an Identität. Sie ist in anderen Worten die sublimierte Form des unmöglichen Begehrens, dessen äquivokes Sein der Mangel ist. Die Ideologie kann also nur sein in der Rückbindung an ein bestimmtes Nicht-Seiendes, das sie auf der Ebene des Imaginären – gleichsam wieder errichtet. Indem das Unbewusste des Subjekts dieses Bild, diesen Signifikanten im Akt der Identifikation an der Oberfläche der Körper maschinieren lässt, schreibt sich das begehrte, abwesende Objekt selbst in die künftigen Objektrelationen ein. Der Mangel selbst eröffnet die Dimension des Imaginären.
Lesen wir die Strafkolonie in diesem Sinne als den topographischen Index einer Ordnung des Mangels. Die Strafkolonie ist ein unwirtlicher, unfruchtbarer Ort inmitten der Wüste – ein wahrer locus horribilis. Ihr Gesetz steht fest auf dem Boden der Entsagung, der Lustfeindlichkeit und des Schmerzes, denn hier herrscht das Gesetz des Alten, das sich als der unmittelbare Grund des Begehrens (l′objet cause de désir) darstellt. Dieses Begehren gilt der Ordnung, der der alte Kommandant dereinst seinen Namen aufprägte oder die vielmehr mit diesem einen Namen identisch ist, dem „Namen des Vaters“ (nom-du-père). Auf ein Wort: In der Strafkolonie herrscht das Regime des Ödipus.
Der andere Schauplatz des Hofes erscheint uns dagegen als ein locus amoenus, als der „liebliche Ort“. Hier residiert der neue Kommandant, umringt von den Hofdamen, die die Politik des Kommandanten zu ihren Gunsten beeinflussen wollen. Aus diesem Grund wecken sie das besondere Interesse des Offiziers. Offenbar stellen diese Figuren eine Art Gegenmacht dar, denn es scheint, als ob sie der Ursprung aller subversiven Aktionen gegen das Erbe des alten Kommandanten seien: Sie füttern etwa den Verurteilten vor dem Strafvollzug mit Süßigkeiten, damit er – so der Offizier – erbreche. Gewiss würden sie dem Reisenden, sollte er sich öffentlich für das Strafverfahren aussprechen, bei der Kundgebung den Mund zuhalten oder doch zumindest mit seinen Fingern spielen, wenn er die Hände nicht „für alle sichtbar“[55] hinlegte. Die betörende Wirkung dieser Damen entfaltet sich also in einem subtilen Spiel einer sanften Verführung, angesiedelt im Dazwischen eines vom Gesetz nicht durchdrungenen Anstößigen. Gegen ihren Einfluss müsse man sich jedenfalls – glaubt man dem Offizier – mit Händen und Füßen wehren.
In dieser Rolle kommen sie wohl demjenigen Figurentypus am nächsten, den Deleuze und Guattari als die „Hure“ bezeichnen:
Sie stehen für Kafka anscheinend im Schnittpunkt aller Maschinen, der familialen, der ehelichen und der bürokratischen, die sie allesamt um so nachhaltiger kaputtschlagen. Das Gefühl des Erstickens, die erotische Atemnot, in die man bei ihnen gerät, kommt weniger vom Druck ihres Gewichts als vielmehr daher, daß man sich mit ihnen in eine Deterritorialisierung stürzt, die einen fort in die Fremde führt.[56]
Der verführerische Ruf der Damen kündet von einer anderen Wirklichkeit, deren Sein anderswo wäre – im Jenseits der Fremde. Doch diesem Ruf zu folgen, bedeutete es nicht mit der alten Ordnung zu brechen?
Offenbar muss sich der Offizier gegen jenen betörenden Einfluss sperren, von dem sich doch auch in der Strafkolonie ein kaum merkliches Zeichen findet: „die zwei Damentaschentücher, die er [der Offizier] hinter den Kragen gezwängt hatte […]. ,Hier hast du deine Taschentücher‘, sagte er und warf sie dem Verurteilten zu. Und zum Reisenden sagte er erklärend: ,Geschenke der Damen‘.“[57] Ist die Strafkolonie das Reich des ödipalen Begehrens, so figurieren die Damen als das Sinnbild eines in die Ferne drängenden antagonistischen, nicht-ödipalen Begehrens, das die Fluchtbahn aus der Reterritorialisierungsmaschine des Ödipus weist. An seinen lieblichen Wogen droht der Apparat zu zerschellen.
Das Gesetz der Ordnung
Weshalb kann, darf der Offizier diesem verführerischen Ruf nicht folgen? Was bindet ihn? Warum also kann er nur innerhalb der scharf umgrenzten Wirklichkeit des Gesetzes der Strafkolonie sein? Weshalb ist seine Existenz untrennbar mit dem Gesetz verknüpft? Wie funktioniert dieses Gesetz letzten Endes? Haben wir im vorigen Kapitel versucht, die subversive Gegenmacht zu beschreiben, die das Gesetz des alten Kommandanten bedroht, so wollen wir in diesem seine Funktion ins Auge fassen. Im Recht der Strafkolonie und in der ihm entsprechenden Strafpraxis finden wir Elemente der historischen Marter, die das Spektakel der Strafkolonie vom modernen „Strafsystem des Körperlosen“[58] abgrenzen. Doch anders als die historische Marter, die nach Foucault „die Art der Körperbeschädigung, die Qualität, die Intensität, die Länge der Schmerzen mit der Schwere des Verbrechens, der Persönlichkeit des Verbrechers, dem Rang seiner Opfer in Beziehung“[59] setze, ist das Prinzip der Äquivalenz, des jus talionis, hier außer Kraft gesetzt, denn die Bemessung der Strafe ist, von der qualitativen wie von der quantitativen Seite, stets dieselbe. Das Verfahren der Strafkolonie folgt demnach nicht dem Prinzip der „differenzierte[n] Produktion von Schmerzen“[64]. Vielmehr erscheint das Vergehen unter dem fortwährenden Regime des alten Kommandanten als eine beliebig verschiebbare Größe, im Grunde ein bloßer Vorwand einer Rechtsprechung, die in jedem Vergehen ein crimen majestis erblickt – jenes absolute und totale Verbrechen des Königsmordes also, das nicht diese oder jene Seite des Gesetzeskörpers angreift, sondern das Prinzip der souveränen Macht höchstselbst. Als solches verlangt das Verbrechen – und damit steht es wiederum in der Tradition der historischen Marter – ein Strafverfahren, das „weniger ein Gleichgewicht wiederherstellen, als vielmehr die Asymmetrie zwischen dem Subjekt, welches das Gesetz zu verletzen gewagt hat, und dem allmächtigen Souverän, der das Gesetz zur Geltung bringt, bis zum Äußersten ausspielen“[60] solle.
Das Recht der Strafkolonie ist seinem Wesen nach totalitär, der Stand des Verurteilten hoffnungslos. Im Grunde kennt das Verfahren keine Angeklagten, nur bereits Verurteilte. Der Verurteilte hat daher weder die Möglichkeit, sich zu verteidigen, noch wird ihm überhaupt das Urteil mitgeteilt: „Es wäre nutzlos, es ihm zu verkünden. Er erfährt es ja auf seinem Leib.“[61] Das Recht zeigt sich blind für die Möglichkeit der Unschuld, um die Schuld zugleich aller sie begründender Kriterien zu entrücken: „Der Grundsatz, nach dem ich entscheide, ist: Die Schuld ist immer zweifellos“[62], sagt der Offizier und benennt damit das Prinzip des Gesetzes der Strafkolonie. Wenn dieses Gesetz und seine entsprechende Strafpraxis auch bestimmte Elemente der historischen Marter zitieren, so sollte man jenes doch nicht voreilig mit dieser identifizieren. In unseren Augen stellt das Gesetz der Strafkolonie nicht diese oder jene historische Form dar, sondern das Gesetz der Ordnung als solches.
An dieser Stelle lohnt sich ein Exkurs auf das Gebiet des Alten Testaments. Im ersten Buch des Mose steht da:
Und Gott, der HERR, nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, ihn zu bebauen und ihn zu bewahren. Und Gott, der HERR, gebot dem Menschen und sprach: Von jedem Baum des Gartens darfst du essen; aber vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen, davon darfst du nicht essen; denn an dem Tag, da du davon ißt, mußt du sterben![63]
Dieses Gebot, wonach Adam und Eva nicht vom Baum der Erkenntnis essen dürfen, ist selbst nicht Gegenstand der Erkenntnis, sondern der unbedingte Imperativ einer formalen, bestimmungslosen Notwendigkeit. Undenkbar, dass Adam und Eva mit Gott darob in Dialog treten: das Gesetz des Anderen will sich aussprechen, aber es darf seinerseits nicht zum Gegenstand der Rede gemacht werden. Es erhält sich nur in seiner unvermittelten Negativität: in ihm erkennen wir das reine Prinzip des Gesetzes der Ordnung, das sein bloßes Bestehen als ein in sich Begründetes rechtfertigt.
Das göttliche Gebot gibt uns das Urbild des Gesetzes der Strafkolonie ab. Wie jenes, will sich auch dieses Gesetz aussprechen, aber nicht im strengen Sinne mitteilen: erinnern wir uns, der alte Kommandant hat es auf endlos verworrenen Linien niedergeschrieben, daher kann es kein Anderer als der Offizier entschlüsseln. Wie das Gesetz des Alten Testamts, erhält es sich allein vermöge seines irrationalen Charakters, mithin als „unconditional imperative which takes no consideration of the limitations imposed on us by reality – it is an impossible injunction“[64]. Unter diesem Blickpunkt erscheint gerade die unvermittelte Negativität des Gesetzes als eine positive Bedingung seiner Über-Ich-Funktion: „This is the fundamental feature of the psychoanalytic concept of the superego: an injunction which is experienced as traumatic, ‚senseless‘ – that is, which cannot be integrated into the symbolic universe of the subject.“[65]
Wenn man nun wie Peter-André Alt der Ansicht ist, dass der Reisende gegenüber diesem schlechthinnig göttlichen Imperativ „die humanitären Wertmaßstäbe eines christlich-aufgeklärten Mitteleuropäers […] moralisch überzeugend und damit handlungswirksam“[66] vertreten müsse, um dem Verfahren entgegen zu treten und wenn jenem das teilnahmslose Gebaren des Reisenden als eine „äußerste[…] Formalisierung“ erscheinen, „unter deren Diktat moralische Prinzipien ihr Gewicht verlieren, weil sie nicht zum Handeln anleiten“[67], dann verfehlt das doch den Charakter des Gesetzes der Strafkolonie: Wie, wird man fragen, soll der Reisende dem grausamen Spektakel entgegen treten, wo sich die Autorität wie auch die Obszönität des Gesetzes der Strafkolonie nicht seinen inhaltlichen Bestimmungen, sondern im Gegenteil seiner sinnentleerten Formbestimmtheit verdankt? Wie werden sich die hehren „humanitären Wertmaßstäbe eines christlich-aufgeklärten Mitteleuropäers“ gegenüber einem Gesetz ins Recht setzen, das kein anderes Maß und keinen anderen Zweck kennt, als sich selbst? Ein Gesetz, das allein der Gegenstand der reinen jouissance (Genuss) in all ihrer Obszönität ist?
Es ist das genießende Auge des alten Kommandanten, das da aus den toten Lettern des Gesetzes gafft. Was das Gesetz der Strafkolonie im Innersten zusammen hält, ist der Blick des Anderen, der den Offizier ins Auge fasst und der doch nichts anderes ist als der Blick des Spiegelbildes, in dem der Offizier sich wieder erkennt: es ist das Abbild des Narziss, dem nichts zu fehlen scheint. Verzweifelt sucht der Offizier, sich diesem Blick zu akkomodieren, indem er den zerfressenen und zerstückelten Körper im Spektakel des Strafkolonie der geheiligten Einheit des Bildes zuführt: in der Verneinung des Seins des Anderen sieht er zuletzt die Bejahung des Bildes, auf das er sich hin projiziert. Mit dem Strafvollzug der Strafkolonie verhält es sich ganz wie mit der Sklavenmoral bei Nietzsche: „Während alle vornehme Moral aus einem triumphirenden Ja-sagen zu sich selber herauswächst, sagt die Sklaven-Moral von vornherein Nein zu einem ‚Ausserhalb‘, zu einem ‚Anders‘, zu einem ‚Nicht-selbst‘: und dies Nein ist ihre schöpferische Tat.“[68] Die Identität des Ich erhält sich also allein in der totalen Verneinung des Seins des Anderen. Dieses prekäre „Ich“ ist der synthetische Begriff des Prozesses, oder, präziser, das Bild, das der erblindete Akt der énonciation von sich selbst entwirft: die Repräsentation der Repräsentation. Doch das Ich, gesetzt als das erstarrte Bild seiner selbst, verhält sich zu sich gerade als ein absolut Fremdes, Dingliches. Es ist daher die Pointe der Strafkolonie, dass ihr Verfahren das Eine als das Andere hervorbringt, das da sagt: „Ich.“
Diese Entfremdung, die wir als Despotie der Ordnung ansehen, vollendet sich im tableau, das der tote Offizier zuletzt abgibt: Der eiserne Stachel, der sich durch seine Stirn bohrt, erhebt den Verlust seiner Selbst zum Bild. Er verleiht dem Mangel eine positive Existenz: „an object which gives body to a certain fundamental loss in its very presence.“[69] Lesen wir ihn strukturell als den symbolischen Phallus, so enthüllt er uns als der „reine Signifikant […] der kein Signifikat hat“[70], weil er den Akt der Signifizierung selbst bezeichnet.
Ist die Annahme des Phallus durch den Offizier nun nicht Ausdruck seines ohnmächtigen Willens, die Position einzunehmen, auf die ihn die Ordnung des Mangels verpflichtet? Vollendet sich in diesem Akt der Identifikation nicht zugleich die reale Zerrissenheit, die dieser Ordnung eingeschrieben ist? Anders gefragt, liegt die bittere Ironie der Strafkolonie nicht gerade darin, dass der Offizier Identität im emphatischen Sinne allein in der radikalen Dissoziation findet, im Tode eines belebten Dinges?
Das Gesicht des Offiziers „war, wie es im Leben gewesen war; kein Zeichen der versprochenen Erlösung war zu entdecken; […] die Augen waren offen, hatten den Ausdruck des Lebens, der Blick war ruhig und überzeugt“.[71] Es ist das Bild einer verfehlten, gleichsam somnambulen Wirklichkeit, „die sich allein noch in unendlicher Wiederholung herzustellen vermag, in einem auf ewig nicht erreichten Erwachen“[72]: „was alle anderen in der Maschine gefunden hatten, der Offizier fand es nicht.“[73]
Schluss
Deleuze und Guattari sehen in Kafkas großen Romanen Maschinen am Werke, die „mit menschlichen Figuren, menschlichen Maschinenteilen und Rädern“[74] ausgestattet seien. Sie seien als komplexe, sich wandelnde Verflechtungen gesellschaftlicher Räume zu verstehen – als Verkörperung der verschiedenen Instanzen und Figuren vor dem Hintergrund der diskursiven Verkettungen, die sie eingehen. Im Gegensatz dazu enthalte die Strafkolonie „mit ihrer noch allzu transzendenten, isolierten, verdinglichten und abstrakten Maschine“[75] zwar den Keim zu einem Roman, doch sei die Maschine „noch zu mechanisch […] und noch zu sehr auf ödipale Koordinaten bezogen“[76], als dass sich die Geschichte wirklich entfalten ließe.
Tatsächlich wirkt das Ende, da der Reisende das Grab des alten Kommandanten besucht und hernach die Insel verlässt, vor dem Hintergrund der doch so dichten, verstörenden Symbolsprache der Strafkolonie wie ein geruhsames Ausklingen oder Abebben des Erzählflusses. So habe Julius Konstantin von Hoeßlin in einer Rezension bemängelt, „daß die Strafkolonie-Erzählung ein spannungsreicheres Finale fordere, in dem die Geschichte ,nicht so endlos langsam verebben‘ dürfe“[77]. Darüber hinaus berichtet Peter-André Alt, dass Kafka die letzten drei Seiten des Strafkolonie gegenüber Kurt Wolff als „Machwerk“ bezeichnet habe, weil, so Alt, „der organische Zusammenschluß der Teile“[78] fehle: „es ist da irgendwo ein Wurm, der selbst das Volle der Geschichte hohl macht.“[79] Der Reisende fungiert zunächst als ein bloßer Vorwand für den Offizier, zu sprechen. Nachdem sich dieser dem Apparat übergibt, wirkt der Reisende mitunter wie ein überzähliger Rest des zweifellos genial angelegten Versuchsanbaus der Strafkolonie. Kafka hat sichtlich Mühe, die Figur auf den inneren kausalen Nexus der Erzählung zu beziehen. Das mag erklären, weswegen der Figur des Offiziers und seiner Beziehung zum Apparat in der vorliegenden Arbeit ungleich mehr Interesse zu Teil wurde, als der zudem recht eindimensional angelegten Figur des Reisenden.
Was die Figur des Offiziers nun so überaus interessant macht, ist jene psychologische Tiefe, die sich unterhalb der Oberflächenstruktur seines Diskurses auftut: es ist jene „erste Sprache (langage premier), in der es [das Subjekt] schon jenseits dessen, was es uns von sich sagt, vor allem mit der Symbolik seiner Symptome ohne sein Wissen zu uns spricht“[80]. Jene erste Sprache, von der Lacan spricht, umfasst all die Elemente, die dem aktuellen Diskurs nicht zugänglich sind, aber doch an ihm teilhaben, weil sie sich in ihm artikulieren. Sie sind die vorbewußten Implikationen, die dem Gesetz der Ordnung entspringen, das das Subjekt herbeizitiert, indem es spricht. Dieser zweite Diskurs ist die Stimme des Anderen: das Unbewusste als gesellschaftliche Produktion.
Wie aber soll man den Blick, mit Adorno gesprochen, auf Kafkas „blinde Stellen“ richten, wie wir es eingangs forderten? Nun, wir versuchten in gewisser Weise, Kafkas eigenen Weg einzuschlagen, wenn es stimmt, dass es ihm in der Entdeckung der Verkettungen gerade um die „Demontage des Mechanismus“[81] gehe. Welcher Mechanismus ist damit gemeint? Unserer Argumentation zufolge – und im Sinne des Deleuzianischen Begriffs der Maschine – das Ganze des Apparates als gesellschaftliche Maschine, als Verkettung von Apparat, Praxis und Ideologie. Wir haben argumentiert, dass keines dieser drei Momente unabhängig von den anderen beiden sein kann, sondern allein in der wechselseitigen Vermittlungen aller Momente des Prozesses: Der Apparat repräsentiert in unseren Augen die Praxis der Figur des Offiziers, die ihrerseits nicht die Verwirklichung oder Materialisierung der Ideologie vorstellt. Vielmehr ist der Apparat die Art der Ideologie, in den materiellen Handlungen des Offiziers zu existieren. Er kann daher nicht außerhalb des Komplexes existieren – er ist selber nur der bewusste, diskursive Ausdruck des Komplexes. Der Offizier ist also der Ort, an dem jene langage premier des Realen Wort wird: Dieser Ort ist die psychische Lokalität des Ego, die sich uns als Bewusstsein des Prozesses, als die notwendige Reflexionsform der Praxis entdeckt.[82] Ihr gegenüber erhebt sich der Große Andere – die symbolische Ordnung – strukturell als die Instanz des Über-Ich. Dagegen sucht man die Repräsentation des Freud′schen Es oder – im Sinne unseres Begriffsapparates – das Lacan′schen Realen hier vergeblich. Es enthüllt sich uns weder im Diskurs des Offiziers, noch im Apparat,[83] noch ist es überhaupt Teil des triadischen Komplexes, wie wir ihn zuvor skizzierten. Das Reale ist schließlich die abwesende Ursache, die stets „jenseits des Automaton, der Wiederkehr, des Wiedererscheinens, des Insistierens der Zeichen [liegt] […]“[84]. Das Reale liegt, wie Lacan schreibt, stets hinter dem Automaton.
Es ist diese Exzentrizität, die es in den Stand versetzt, das Gesetz der Ordnung zu durchbrechen: Indem es im Anspruch den Mangel anmeldet, der dieser Ordnung selbst entspringt, evoziert es ihre innere Dissoziation, die sie zu zerreißen droht und der sie je mit Repression begegnet, um ihren Untergang abzuwenden. Diese Subversion des Begehrens wird in der Strafkolonie fast unmerklich, nämlich als der subtile Antagonismus zwischen dem ödipalen und nicht-ödipalen Begehren und dem ihm entsprechenden Schauplätzen thematisch. Wir müssen diese These aber dahingehend relativieren, dass es im Grunde nicht von Belang ist, ob der neue Kommandant und die Damen tatsächlich im Sinn haben, dem Strafverfahren ein Ende zu bereiten.
Der innere Aufbau der Strafkolonie will es, dass das Gesetz der Ordnung in seine eigene Unmöglichkeit einmündet: die Gewalt gegen das Andere, durch die allein die Ordnung des Einen ist, wendet sich zuletzt gegen sie selbst – als das Andere in sich:
Dès qu′il y a de l′Un, il y a du meurtre, de la blessure, du traumatisme. L′Un se garde de l′autre. Il se protège contre l′autre, mais, dans le mouvement de cette jalouse violence, il comporte en lui-même, la gardant ainsi, l′altérité ou la différence à soi (la différence d′avec soi) qui le / fait Un. L′ „Un de soi-même différant“. L′Un comme l′Autre. A la fois, en même temps, mais dans un même temps disjoint, l′Un oublie de se rappeler à lui-même, il garde et efface l′archive de cette injustive qu′il est. De cette violence qu′il fait. L′Un se fait violence. Il se viole et violente mais il s′institue aussi en violence. Il devient ce qu′il est, la violence même – qu′il se fait ainsi. Auto-détermination comme violence.[85]
Freie Universität Berlin, Wintersemester 2011/2012
[1] „Brief von Friedrich Hölderlin an Ulrich Böhlendorf vom 4. Dezember 1801“ In: Friedrich Hölderlin: Sämtliche Werke und Briefe. Bd. 3: Briefe. Frankfurt am Main: Dt. Klassiker Verlag 1992. S. 460.
[2] Theodor W. Adorno: „Aufzeichnungen zu Kafka.“ In: Prismen. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1977. S. 250-283. Hier S. 254.
[3] Jacques Lacan: „Les quatre concepts fondamentaux de la psychanalyse.“ In: Le Séminaire. Bd. XI. Paris: Éditions du Seuil 1964. S. 84 – zitiert nach: Dylan Evans: Wörterbuch der Lacanschen Psychoanalyse. Wien: Turia + Kant 2002. S. 7.
[4] Sigmund Freud: „Der Witz und seine Beziehung zum Unbewußten.“ In: Gesammelte Werke. Bd. VI. Frankfurt am Main: Fischer 1973.
[5] Sigmund Freud: „Die Traumdeutung.“ In: Gesammelte Werke. Bd. II/III. Frankfurt am Main: Fischer 1976. S. 166.
[6] Wir werden im Folgenden ausführlicher auf den Begriff der Anrufung eingehen.
[7] Gilles Deleuze/Félix Guattari: Anti-Ödipus. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1977. S. 51.
[8] Ebd. S. 36.
[9] „Wir heißen das Latente, das nur deskriptiv unbewußt ist, nicht im dynamischen Sinne, vorbewußt; den Namen unbewußt beschränken wir auf das dynamisch unbewußte Verdrängte, so daß wir jetzt drei Termini haben, bewußt (bw), vorbewußt (vbw) und unbewußt (ubw), deren Sinn nicht mehr rein deskriptiv ist. Das Vbw, nehmen wir an, steht dem Bw viel näher als das Ubw, und da wir das Ubw psychisch geheißen haben, werden wir es beim latenten Vbw um so unbedenklicher tun.“ – Siegmund Freud.: „Das Ich und das Es.“ In: Studienausgabe. Bd. III. Frankfurt am Main: Fischer 1975. S. 284f.
[10] Jacques Lacan: „Les écrits techniques de Freud. 1953-54.“ In: Le Sémaire. Bd. I. Paris: Éditions du Seuil 1975. S. 80; zitiert nach: Dylan Evans: Wörterbuch der Lacanschen Psychoanalyse. S. 251.
[10] Louis Althusser: Freud und Lacan. Berlin: Merve 1970. S. 22.
[11] „[…] Das Unbewußte ist nicht das Ursprüngliche oder das Instinktive, und an Elementarem enthält es nur die Elemente des Signifikanten.“ – Jacques Lacan: Schriften. Bd. II. Olten: Walter 1975. S. 173.
[13] Ders.: „Die Ausrichtung der Kur und die Prinzipien ihrer Macht.“ In: Schriften. Bd. I. Olten: Walter 1972. S. 171-239. Hier S. 233.
[12] Theodor W. Adorno: „Aufzeichnungen zu Kafka.“ S. 258.
[13] Louis Althusser: Freud und Lacan. S. 23f.
[14] „Nicht von den bewussten, offen aufliegenden Elementen her wollen wir den Diskurs des Subjekts bestimmen, sondern gleichsam dezentriert, von seinen Synkopen her, als das ,Subjekt des Signifikanten‘“ – Lacan: „Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse.“ In: Das Seminar. Bd. XI. Berlin: Quadriga 1996. S. 73.
[15] Gilles Deleuze/Félix Guattari: Kafka – Für eine kleine Literatur. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1976. S. 27.
[16] Slavoj Žižek: The Sublime Object of Ideology. London/New York: Verso 1989. S. 181.
[17] Jacques Lacan: „Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse.“ S. 82.
[18] Gilles Deleuze/Félix Guattari: Kafka – Für eine kleine Literatur. S. 7.
[19] Ebd. S. 26
[20] Franz Kafka: „In der Strafkolonie.“ In: Ein Landarzt und andere Drucke zu Lebzeiten. Frankfurt am Main: Fischer 1994. S. 159-195. Hier S. 168.
[21] Slavoj Žižek: The Sublime Object of Ideology. S. 38.
[22] Franz Kafka: „In der Strafkolonie.“ S. 188.
[23] Ebd. S. 171.
[24] Louis Althusser: Ideologie und ideologische Staatsapparate. Hamburg: VSA 2010.S. 88.
[25] Der Spiegel ist als Metapher zu verstehen. Ebenso kann die Mutter oder ein anderes „privilegiertes Objekt“ diese Funktion einnehmen.
[26] Jacques Lacan: Schriften. Bd. I. S. 67.
[27] Uwe Rosenfeld: Der Mangel an Sein: Identität als ideologischer Effekt. Gießen: Focus 1984. S. 74.
[28] Ebd.
[29] Jacques Lacan: „Freuds technische Schriften.“ In: Das Seminar. Bd. I. Berlin: Quadriga 1990. S. 220.
[32] Ders.: Schriften. Bd. I. S. 64.
[30] Ebd. S. 66.
[31] Ebd. S. 64.
[32] Uwe Rosenfeld: Der Mangel an Sein. S. 74.
[33] Ebd.
[34] Ebd. S. 75.
[35] Jacques Lacan: Schriften. Bd. I. S. 67.
[36] Slavoj Žižek: The Sublime Object of Ideology. S. 98.
[37] Sei es ein empirischer, materieller Gegenstand oder etwa eine bestimmte gesellschaftliche Praxis.
[38] Ernesto Laclau: „Preface.“ In: Slavoj Žižek: Ebd. S. xiii.
[39] Jacques Lacan: „Das Drängen des Buchstabens im Unbewußten oder die Vernunft seit Freud.“ In: Schriften. Bd. II. S. S. 15-55. Hier S. 43.
[40] Slavoj Žižek: The Sublime Object of Ideology. S. 99.
[41] Ernesto Laclau: „Preface.“ In: Slavoj Žižek: Ebd. S. xiv.
[42] Karl Marx: „Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung.“ In: MEW. Bd. 1. Berlin: Dietz 1964. S. 378-391. Hier S. 378.
[43] Louis Althusser: Ideologie und ideologische Staatsapparate. S. 97.
[44] Zitiert nach: ebd. S. 82.
[45] Ders.: „Über die materialistische Dialektik – Von der Ungleichheit der Ursprünge.“ In: Für Marx. Frankfurt am Main: Suhrkamp 2010. S. 200 – 279. Hier S. 205.
[46] Ders.: Ideologie und ideologische Staatsapparate. S. 72f. – Uwe Rosenfeld hält diese Einschätzung im Übrigen für „eindeutig überzogen.“ Vgl. Uwe Rosenfeld: Der Mangel an Sein. S. 21.
[47] Louis Althusser: Ideologie und ideologische Staatsapparate. S. 79.
[48] Slavoj Žižek: The Sublime Object of Ideology. S. 36.
[49] Louis Althusser: Ideologie und ideologische Staatsapparate. S. 83.
[50] Isolde Charim: Der Althusser-Effekt: Entwurf einer Ideologietheorie. Wien: Passagen 2002. S. 72.
[51] Diese Struktur der Wiederholung situiert sie gleichsam außerhalb der Zeit. So schreibt Althusser: „Die Ideologie hat keine Geschichte.“ – Louis Althusser: Ideologie und ideologische Staatsapparate. S.52.
[53] Gilles Deleuze/Félix Guattari: Kafka – Für eine kleine Literatur. S. 112.
[56] Ebd.
[54] Karl Marx: „Das Kapital.“ In: MEW. Bd. 23. Berlin: Dietz 1968. S. 193.
[58] Ebd. S. 194.
[55] Franz Kafka: „In der Strafkolonie.“ S. 184.
[56] Gilles Deleuze/Félix Guattari: Kafka – Für eine kleine Literatur. S. 90.
[57] Franz Kafka: „In der Strafkolonie.“ S. 189.
[58] Michel Foucault: Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1976. S. 25.
[59] Ebd. S. 46.
[64] Ebd. S. 47.
[60] Ebd. S. 65.
[61] Franz Kafka: „In der Strafkolonie.“ S. 167.
[62] Ebd. S. 168.
[63] Die Heilige Schrift. Aus dem Grundtext übersetzt; Elberfelder Bibel, revidierte Fassung. Wuppertal: R. Brockhaus 1996. S. 3.
[64] Slavoj Žižek: The Sublime Object of Ideology. S. 37.
[65] Ebd.
[66] Peter-André Alt: Franz Kafka – Der ewige Sohn. Eine Biographie. München: Beck 2008. S. 483.
[67] Ebd. S. S. 489.
[68] Friedrich Nietzsche: „Zur Genealogie der Moral.“ In: Jenseits von Gut und Böse/Zur Genealogie der Moral. München: DTV 2010. S. 245-412. Hier S. 270f.
[69] Slavoj Žižek: The Sublime Object of Ideology. S. 157.
[70] Jacques Lacan: „Encore 1972-1973.“ In: Le Séminaire. Bd. XX Paris: Éditions du Seuil 1975. S. 75 – zitiert nach: Dylan Evans: Wörterbuch der Lacanschen Psychoanalyse. S. 227.
[71] Franz Kafka: „In der Strafkolonie.“ S. 193.
[72] Jacques Lacan: „Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse.“ S. 64.
[73] Franz Kafka: „In der Strafkolonie.“ S. 193.
[74] Gilles Deleuze/ Félix Guattari: Kafka – Für eine kleine Literatur. S. 55.
[75] Ebd. S. 56.
[76] Ebd. S. 55.
[77] Peter-André Alt: Franz Kafka. S. 478.
[78] Ebd.
[79] Zitat von Kurt Wolff, zitiert nach: ebd.
[80] Jacques Lacan: Schriften. Bd. I. S. 136f.
[81] Gilles Deleuze/Félix Guattari: Kafka – Für eine kleine Literatur. S. 60.
[82] Wenn wir die Figur des Offiziers nun auch mit der psychischen Instanz des Ego identifizieren, so müssen wir doch einschränkend sagen, das sie in ihrem Ende zuletzt mit dem Komplex verschmilzt: indem sie sich der Ordnung des Mangels übergibt, hebt sie sich zuletzt selbst auf.
[83] Wenngleich die Metapher der Maschine besonders bei Lacan, Deleuze und Guattari mitunter das Unbewusste evoziert – vgl. Henning Schmidgen: Das Unbewußte der Maschinen: Konzeption des Psychischen bei Guattari, Deleuze und Lacan. München: Fink 1997.
[84] Jacques Lacan: „Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse.“ S. 60.
[85] Jacques Derrida: Mal d′Archive. Paris: Galilée 1995. S. 124f. – in dt. Übersetzung: „Sobald es Eines gibt, gibt es Mord, Verletzung, Traumatisierung. Der/das Eine hütet sich vor dem anderen. Er/Es schützt sich gegen den/das andere(n), enthält aber in sich selbst, in der Bewegung dieser eifersüchtigen Gewalt, sie auf diese Weise wahrend, die Alterität oder // die Differenz zu sich selbst (Differenz mit sich selbst), die es/ihn zu Einem macht. Der/das ‚sich von sich selbst unterscheidende Eine‘. Der/das Eine als/wie der/das Andere. Zugleich, in derselben Zeit, doch in einer selben aus den Fugen gegangenen Zeit, vergißt der/das Eine, sich an sich selbst zu erinnern, er/es wahrt und tilgt das Archiv dieser Ungerechtigkeit, die er/es ist. Dieser Gewalt, die er/es macht. Der/das Eine wird Gewalt/tut sich Gewalt an (L′Un se fait violence). Er/es verletzt und vergewaltigt sich, aber er/es gründet sich auch in Gewalt. Er/es wird das, was er/es ist, die Gewalt selbst – die er/es auf diese Weise wird/sich. Selbst-Bestimmung als Gewalt.“ – Ders.: Dem Archiv verschrieben. Ein freudsche Impression. Berlin: Brinkmann + Bose 1997. S. 141f.