Antonia Stichnoth: „about the act of perception itself“. Eine Betrachtung von James Nares’ Film „Street“.

Antonia Stichnoth: „about the act of perception itself“. Eine Betrachtung von James Nares’ Film „Street“.

Einleitung: James Nares’ Film „Street“

„...about the act of perception itself“

Der Experimentalfilm „Street“ des in England geborenen und in New York City lebenden Künstlers James Nares entstand im Jahr 2011 und wurde auf der Art Basel Miami im Dezember 2011 erstmals öffentlich präsentiert.[1] Die Arbeit, ein HD-Video mit 61 Minuten Länge,[2] besteht aus einer Reihung von Kamerafahrten durch New York City. Diese wurden im 90-Grad-Winkel zur Straße und mit sehr hoher Auflösung aufgenommen und werden stark verlangsamt in Zeitlupe gezeigt. So entsteht der Eindruck, dass die Stadt mit ihren Menschen und dem umtriebigen Leben auf der Straße in einer fast still gestellten, aber dennoch kontinuierlichen Bewegung vor den Augen der Betrachter vorbeizieht. Die Kamera gleitet dabei meist gleichmäßig und ruhig an Häuserfassaden, Schaufenstern oder Mauern entlang, ohne dass das Bildfeld eingeschränkt wäre. Die Bilder wirken klar, farbintensiv und ungewöhnlich plastisch, sodass es fast scheint, als würde sich vor den Zuschauern ein dreidimensionaler Raum eröffnen. Der Film wird fast ununterbrochen von einem atmosphärischen Soundtrack begleitet, den der Gitarrist Thurston Moore auf einer 12-saitigen Gitarre komponiert und eingespielt hat.[3]

Im Folgenden soll das Zusammenspiel dreier wesentlicher Gestaltungselemente des Films untersucht werden: die in allen Einstellungen vorhandene seitliche Kamerafahrt, die Zeitlupe und die besondere Schärfe der Bilder. Dabei soll insbesondere das Entstehen der charakteristischen Plastizität und Tiefenwirkung der Bilder untersucht werden. Da zum Zeitpunkt des Verfassens dieser Arbeit noch keine akademische Sekundärliteratur zu „Street“ erschienen war, werden neben eigenen Analysen immer wieder Filmkritiken[4] herangezogen, um wichtige Aspekte der Wirkung des Films herauszuarbeiten. Zum Vergleich soll darüber hinaus auf Filmbeispiele aus der Zeit des frühen Kinos Bezug genommen werden, in deren Tradition „Street“ positioniert werden soll.

„Street“ als „neue Art des Sehens“ in der Tradition des frühen Kinos

Einen Großteil der meist sehr positiven Kritiken des Films „Street“, die in verschiedenen amerikanischen Medien erschienen sind, vereint ein bemerkenswerter Aspekt: Sie widmen sich nicht nur seiner Wirkung, sondern gehen explizit auf die verwendete Filmtechnik und die Produktionsweise des Films ein. Dabei erhalten die für die drei wesentlichen Gestaltungsmerkmale verantwortlichen Parameter wiederholt Aufmerksamkeit: die Verwendung einer besonders hochauflösenden Kamera, ihre Positionierung auf einem sich bewegenden Fahrzeug und die Bearbeitung der Aufnahmen durch ihre Verlangsamung in Zeitlupe. Die Informationen, welche die Kritiken in diesem Zusammenhang vermitteln, sind oft auffallend genau. So spezifiziert die Kritikerin der New York Times sowohl das verwendete Kamera- und Linsenmodell[5] als auch die Art und Geschwindigkeit des Fahrzeugs.[6] Andere Kritiker nennen den genauen Zeitpunkt der Dreharbeiten[7] oder gehen auf das exakte Verhältnis der Aufnahmedauer des Videos und seiner Länge nach der Umwandlung in eine Zeitlupe ein.[8]

Indem sie auf die technischen Gegebenheiten der Filmproduktion Wert legen, weisen die Autorinnen und Autoren der Kritiken die Produktion des Films „Street“ nicht nur als sehr spezifisch, sondern auch als außergewöhnlich aus. Immer wieder wird der besondere Aufwand erwähnt, der beim Dreh durch das große Datenvolumen der Aufnahmen und die deshalb nur sehr kurzen möglichen Belichtungsdauern entstand.[9] Auch die Verwendung einer Spezialkamera für besonders schnelle Bewegungen bei der Aufnahme von Straßenszenen in normaler Geschwindigkeit wird sehr deutlich als unverhältnismäßig und daher exzeptionell hervorgehoben.[10] Auf diese Weise wird in den Kritiken einerseits klargestellt, dass „Street“ als Kunstwerk mit den in ihm präsentierten Ansichten überhaupt erst durch die bei seiner Produktion verwendeten Techniken möglich ist. Andererseits wird nahegelegt, dass sich James Nares’ Film und die in ihm dargebotenen Bilder nur über eine Auseinandersetzung mit seiner Technik erfassen lassen.

Dadurch, dass die Kritiken zum Film „Street“ die Bedeutung von Technik für seine Art der künstlerischen Repräsentation hervorheben, leisten sie jedoch auch noch etwas anderes: Sie stellen ihn – bewusst oder unbewusst – in die Tradition des frühen Kinos.[11] Tom Gunnings einflussreicher These zufolge stellte das Kino in seinen ersten Jahren eine solche technische Attraktion dar, dass die zeitgenössischen Zuschauer eher von den vorgeführten Maschinen als von den gezeigten Filmen angezogen wurden: Bei der Ankündigung von Filmvorführungen wurden nicht bestimmte Filmtitel, sondern Cinématographe, Biograph oder Vitascope beworben.[12] Nachdem der erste Reiz des Films als „neueste Errungenschaft der Technik“ abgeklungen war, verlagerte sich die Attraktion auf die Seite neuer gestalterischer Praktiken des Films wie Nahaufnahmen oder Zeitlupen.[13] In beiden Fällen steht dabei, wie auch bei James Nares’ „Street“, eine „Zur-Schau-Stellung der filmischen Möglichkeiten“ anhand der Präsentation eines „aufregenden Spektakels“ im Vordergrund.[14]

Als Beispiel für den von ihm geprägten Begriff „Kino der Attraktionen“ zieht Gunning das Genre der Ansicht heran. Die Bezeichnung dieser frühen dokumentarischen Form soll hervorheben, „dass die Struktur dieser Filme sich immer um die Präsentation von etwas Visuellem dreht, um einen Blickfang oder einen besonderen Blickpunkt“.[15] Konkret handelt es sich dabei um Aufnahmen „interessanter Orte oder Ereignisse“ wie beispielsweise von Landschaften, Städten in anderen Ländern oder historischen Momenten, wobei der „Akt des Schauens und Beobachtens“ selbst aufgrund von „deutlichen Hinweisen auf die Anwesenheit der Kamera“ thematisiert wird.[16] Mit dieser neuen Art der „Erforschung des Blicks“ stehen Ansichten bei Gunning „für eine neue Art des Sehens, die von technologischen Revolutionen im Bereich der Fotografie und des Transportwesens ermöglicht wurde“.[17]

Im Zusammenhang mit James Nares’ Film „Street“ wird das Potential neuer Technologien, neue Wahrnehmungen hervorzubringen, ähnlich wie von Gunning im Kontext des frühen Films beschrieben: „‚STREET‘ also makes you aware, however, of how technology can radically change perception“, resümiert die Kritikerin Martha Schwendener.[18] Auch wenn festgehalten werden sollte, dass bei jedem Film oder anderen Erzeugnissen bildgebender Techniken eine als Erweiterung oder schlicht als Veränderung geartete Abweichung von der natürlichen Wahrnehmung stattfindet, liegt auf der Hand, warum dieser Aspekt gerade im Zusammenhang mit „Street“ hervorgehoben wird: Das technische Spezifikum der hochauflösenden Kamera, die Verfahren der Seitwärtskamerafahrt und der Verlangsamung in Zeitlupe schlagen sich in drei deutlich auf der Bildebene erkennbaren Gestaltungsmerkmalen nieder. Weniger eindeutig ist dagegen, warum der Film den bereits angesprochenen Eindruck von Dreidimensionalität und Tiefe hervorruft, schließlich lässt sich dieser Effekt nicht auf ein einzelnes technisches Element als Auslöser zurückführen. Im Folgenden soll daher betrachtet werden, wie diese Raumwirkung aus dem Zusammenspiel mehrerer Faktoren entsteht.

Die Entstehung der Tiefenwirkung

Wenn man eine eindeutige Bezeichnung für die Kamerabewegung sucht, wie sie in James Nares’ Film „Street“ vorliegt, wird man bei Annette Deeken fündig. Sie definiert den Begriff der „Passage“ als eine „Seitwärtsfahrt“ „[q]uer zur optischen Achse“, „etwa im rechten Winkel zur Fahrtrichtung“.[19] Auch auf „Street“ zutreffend fügt sie hinzu, die Kamera „passiert […] ihr Objekt während der Aufnahme kontinuierlich“ und mit gleichbleibender Distanz, wobei „die Parallele“, beispielsweise in Form einer Bordsteinkante oder einer Häuserfront, „häufig aus dem Bildraum aufgegriffen [wird]“[20].

Im Folgenden schreibt Deeken dieser Kamerabewegung auch eine bestimmte Wirkung zu. Ihrer Meinung nach wird durch die gleichbleibende Distanz zwischen Kamera und Aufnahmeobjekt zum einen der Zuschauer „auch emotional nicht hineingezogen“, zum anderen die „Gleichförmigkeit des parallelen Ablaufs“ betont.[21] Dies hat zur Folge, dass „eine Stimmung zwischen Gelassenheit und Gleichgültigkeit entsteht, ein Gefühl von unspektakulär, entspannt, vielleicht sogar monoton“.[22] Nachdem sie festgestellt hat, dass „Passagen fast immer eine romantische Stimmung [konstituieren]“, und sie die Kamerabewegung zusätzlich mit Melancholie und Sehnsucht assoziiert hat, umschreibt sie das entsprechende Gefühl als „Stimmung zwischen indifferenter Zerstreuung und Besinnlichkeit“.[23] Voraussetzung dafür ist „eine direkte Führung des Zuschauers auf den Mittelgrund, ohne vertikale Kompositionselemente“.[24]

Den Aspekt der räumlichen wie emotionalen Distanz des Schauenden zum gesehenen Objekt spielt auch in Wolfgang Schivelbuschs Konzept des „panoramatischen Blicks“ eine Rolle. Zwar entwickelt Schivelbusch dieses Konzept nicht in Bezug auf das Verhältnis von Zuschauer und Aufnahmeobjekt im Film, sondern auf jenes von Reisendem und Landschaft in der Eisenbahn. Für die Frage, wie Wahrnehmung „mechanisiert“ werden kann, ist es jedoch in beiden Zusammenhängen aufschlussreich.[25] Schivelbusch untersucht in seinem Buch Geschichte der Eisenbahnreise den Einfluss, den das Reisen mit der Eisenbahn im Laufe der Industrialisierung auf die Wahrnehmung ausgeübt hat. Dazu stellt er das Konzept der früheren, vorindustriellen Reise mit der Kutsche gegen das Konzept der Reise mit dem Zug: Während sich der vorindustrielle Reisende mit langsamer Geschwindigkeit bewegt und mit allen Sinnen auch kleine Details der Umgebung wahrnehmen kann, sorgen die Geschwindigkeit und „mathematische Geradlinigkeit“ der Bewegung der Eisenbahn für ein genuin anderes Reiseerlebnis.[26] Schivelbusch zufolge schlägt sich die Veränderung der Wahrnehmung am deutlichsten in Bezug auf den Gesichtssinn nieder, da die Möglichkeit der Passagiere, die Umgebung zu sehen, durch die Geschwindigkeit begrenzt wird: Durch die hohe Geschwindigkeit der Eisenbahn „verflüchtigt“ sich die durchreiste Landschaft und die Reisenden, die wie bei einer Reise mit der Kutsche ihre Umgebung betrachten wollen, haben Schwierigkeiten „überhaupt noch etwas […] zu erkennen“.[27]

Um diesem Effekt und der damit einhergehenden Ermüdung zu entgehen, „entwickelt sich […] eine Wahrnehmung, die sich nicht gegen die Effekte der neuen Reisetechnik sträubt, sondern diese ganz in sich aufnimmt“:[28] Die Reisenden beginnen, „die näherliegenden Objekte und Landschaftsteile zu übersehen“, da sie am schnellsten vorbeiziehen und ihren Blick stattdessen auf die „weiter entfernt und d.h. langsamer passierenden Gegenstände zu richten“.[29] Der Vordergrund, „jene Raumdimension, die die wesentliche Erfahrung vorindustriellen Reisens ausmacht“, wird so „durch die Geschwindigkeit […] aufgelöst“ und „geht […] dem Reisenden verloren“[30]. Mit dem Verlust des Kontakts zu seiner direkten Umgebung entsteht zwischen dem Eisenbahnreisendem und der durchquerten Gegend eine Distanz. Der Reisende ist nicht mehr Teil der Landschaft als Raum, sondern nimmt sie von sich getrennt als „Tableau“ beziehungsweise „Bilder- oder Szenenfolge“ gleich einem Panorama wahr.[31] Schivelbusch resümiert: „Der panoramatische Blick gehört […] nicht mehr dem gleichen Raum an wie die wahrgenommenen Gegenstände. Er sieht Gegenstände, Landschaften usw. durch die Apparatur hindurch, mit der er sich durch die Welt bewegt“.[32]

Wie Gunning bemerkt, nimmt diese Art der Wahrnehmung durch eine Apparatur den Modus der Betrachtung eines Films vorweg.[33] Im Falle von James Nares’ Film „Street“ erscheint die Vermittlung des Blicks durch die Apparatur besonders deutlich, da, wie bereits beschrieben, die spezifischen Eigenschaften der Kamera und der Aufnahmebedingungen in den drei wesentlichen Gestaltungselementen sichtbar werden. Dennoch lässt sich bei näherer Betrachtung leicht feststellen, dass sich der Blick aus dem fahrenden Auto in „Street“ zum „panoramatischen Blick“ aus dem fahrenden Zug bei Schivelbusch genau gegensätzlich verhält. Während letzterer wesentlich durch die hohe Geschwindigkeit[34] konstituiert ist, mit der sich der Zugreisende durch die Landschaft bewegt, bewegt sich die Kamera in James Nares’ Film in wesentlich geringerem Tempo.[35] Dem Blick des Zuschauers sind ihre Aufnahmen zudem nur in extrem verlangsamter Form zugänglich. Durch die langsame Bewegung der Kamera, die Verlangsamung des Bildes und die hohe Auflösung wird dem Zuschauer ermöglicht, Gegenstände und Personen zu erkennen, die sich relativ nah vor der Kamera befinden. Vorder- und Mittelgrund sind gut sichtbar, eine Distanz zum Bild durch die Konzentration auf weit Entferntes entsteht so nicht. Im Gegenteil: Der Hintergrund wird in „Street“, wie auch von der nicht durch einen Apparat vermittelten Wahrnehmung gewohnt, langsam unscharf. Es kann also im Gegensatz zum Blick des Reisenden bei Schivelbusch davon ausgegangen werden, dass der Blick der Kamera in „Street“ den Bezug zur direkten Umgebung behält, sodass sich der Zuschauer der Tiefe des Bildes über den Vordergrund nähert. Diese Erkenntnis über das Verhältnis des Zuschauers zum Raum in James Nares’ Film ist in zweierlei Hinsicht interessant: Zum einen weist sie darauf hin, dass „Passagen“ nicht immer dieselbe distanzierende Wirkung haben müssen, die Deeken dieser Art der Kamerafahrt zuschreibt. Zum anderen zeigt sie, dass der durch den Apparat vermittelte Blick in Eisenbahn und Kino nicht undifferenziert gleichgesetzt werden darf.

Vor diesem Hintergrund untersucht auch Tom Gunning selbst Filme, die Schivelbuschs Paradigma des panoramatischen Blicks nicht entsprechen und stellt die provokative Frage: „Hat das Kino das Gefühl der Trennung zwischen Betrachter und Szene aufgehoben, das Schivelbusch die ‚panoramatische Wahrnehmung’ nennt und die von so vielen Eisenbahnreisenden des 19. Jahrhunderts bezeugt wurde?“[36] Gunning bezieht sich dabei auf das frühe Filmgenre der „phantom rides“, das Filme bezeichnet, „die von der Spitze eines fahrenden Zuges aus gedreht wurden“, sodass sich der Blick der Kamera wie von selbst durch den Raum zu bewegen scheint.[37] Gunning stellt diese Form Schivelbuschs panoramatischem Blick konträr entgegen: Phantom rides vermitteln ein zum panoramatischen Blick entgegengesetztes Verhältnis zum Raum, indem sie „direkt in die Landschaft [eintauchen]“, ein „Eindringen in die Landschaft“ und „in die Tiefe des sich ständig entfaltenden Bildes“ darstellen.[38] Gunning vertritt die Auffassung, dass es die „Verschiebung vom seitlichen Blick […] zum Eintauchen kopfüber in das Zentrum des Bildes“, also die „direkte Konfrontation zwischen dem Aussichtspunkt des Zuschauers und der Richtung der Bewegung in den Raum hinein“ ist, die das Verhältnis zum Raum in Phantomfahrten im Gegensatz zur panoramaartigen Wahrnehmung so „grundsätzlich“ verändert.[39] Die Beobachtung, dass „Street“ trotz seiner seitlichen Kamerafahrt, was das Verhältnis des Betrachters zum Raum betrifft, eine ähnliche Wirkung erzielt, zeigt jedoch, dass Gunnings Phantomfahrt nicht das einzige Verfahren sein kann, das einen solchen Effekt provoziert. Die Zuordnung bestimmter technischer Dispositive zu bestimmten Effekten erscheint damit erneut fragwürdig.

Es lässt sich also festhalten, dass eine spezifische Wirkung einer Einstellung – wie das Gefühl, in die Tiefe des Bildraums eintauchen zu können – nicht nur durch eine einzige Bewegungsrichtung der Kamera ausgelöst werden kann. Dass, andersherum, eine Bewegungsrichtung der Kamera nicht zwangsläufig mit einer bestimmten Wirkung einhergehen muss, wurde schon in Abgrenzung zu Annette Deekens These gezeigt. Inwiefern vielmehr das komplexe Wechselspiel zwischen der Bewegungsrichtung der Kamera und anderen filmischen Verfahren für die Wirkung eines Films verantwortlich ist, untersucht Gunning an anderer Stelle. In einem Aufsatz über den Experimentalfilmemacher Ernie Gehr beschreibt Gunning anhand von dessen Film „EUREKA“ das Zusammenspiel von Phantomfahrt und Zeitlupe.[40] Als Basis für seinen Film „EUREKA“ von 1974 verwendete Gehr das historische Filmmaterial einer solchen Phantomfahrt, über die Gunning in seinem Aufsatz zum frühen Kino schreibt: eine von der Spitze des Zuges gefilmte, ungeschnittene Aufnahme einer Straßenbahnfahrt durch eine belebte Stadt. Im Unterschied zu den anderen von Gunning beschriebenen Phantomfahrten bewegt sich die Bahn in diesem Film stets geradeaus und frontal auf ein Bahnhofsgebäude zu, sodass die Gleise und die Häuser der Straße, in deren Mitte sie fährt, einen Fluchtpunkt im Zentrum des Kaders bilden. Gehr bearbeitet diesen Film aus der Zeit des frühen Kinos, indem er ihn stark verlangsamt – und wirkt dem im Original wirksamen Prinzip des Eindringens in das Bild[41] damit entgegen.[42] Die Bewegung des Zuges in das Bild hinein wird durch die zahlreichen Bewegungen der Passanten und anderen Verkehrsteilnehmer, die das Bild an seinen Seiten betreten und verlassen[43] schier überwältigt.[44] Daneben bringt die Verlangsamung der Bilderfolge des Films seine Materialität zur Geltung, da Kratzer und Abnutzungsspuren auf dem Filmstreifen sichtbar werden. So wird laut Gunning der Tiefe des Bildes seine Oberfläche entgegengesetzt: „Gehr undercuts the original film’s implacable penetration of space by placing it in tension with the surface phenomenon.“[45]

Die für die Erzeugung der Zeitlupe verwendeten Verfahren bei „EUREKA“ und „Street“ sind nicht direkt zu vergleichen: Auf dem Filmstreifen von „EUREKA“ findet sich jedes Einzelbild aus dem historischen Original mehrmals hintereinander, sodass sie als eine Reihe von Standbildern auf der Leinwand erscheinen. Die bei den Dreharbeiten zu „Street“ benutzte Spezialkamera dagegen nahm von vornherein in einer bestimmten Zeit mehr Bilder auf, als nachher auf die Leinwand projiziert werden.[46] Dennoch erweist sich der differenzierte Vergleich des Zusammenspiels der verwendeten filmischen Verfahren – Kamerafahrt und Zeitlupe – in den Filmen „EUREKA“ und „Street“ als produktiv: Wird eine Bewegung in die Tiefe des Bildes verlangsamt, erhalten seitliche Bewegungen entlang der Oberfläche des Bildes (genauso wie die Oberfläche des Bildes) mehr Aufmerksamkeit, wie Gunning am Beispiel von „EUREKA“ verdeutlicht. Erfolgt wie in „Street“ eine seitliche Bewegung entlang der Oberfläche des Bildes mit großer Langsamkeit, haben die Betrachter die Gelegenheit, ihre Aufmerksamkeit auch der Tiefe des Bildes zu widmen. Dazu trägt zusätzlich die hohe Auflösung bei, da sie für eine große Schärfe bis in die Bildtiefe hinein sorgt. Das Bild zieht so nicht nur wie ein Panorama an den Betrachtern vorbei, ihr Blick wird gleichzeitig über die verschiedenen Ebenen des Bildes bis in seine Tiefe hineingezogen. Die ungewöhnliche Tiefenwirkung des Films „Street“ ergibt sich so aus dem besonderen Wechselspiel zwischen seinen drei wesentlichen Gestaltungselementen.

„Street“ als Artefakt

Trotz der Bedeutung des Zusammenwirkens verschiedener Gestaltungselemente verändert schon allein die Langsamkeit der Bilderfolge einer Zeitlupe das Seherlebnis der Zuschauer – diese Tatsache betont auch Gunning im Zusammenhang mit Gehrs „EUREKA“. Den Betrachtern des Films werde durch diese Langsamkeit einerseits ermöglicht, die Gesamtheit des Bildes zu erfassen, indem sie den Blick darüber schweifen lassen, andererseits können sie auch jedes einzelne Detail und jede kleine Bewegung wahrnehmen.[47] Dieser Aspekt der durch die Technik der Zeitlupe ermöglichten, neuen Art der Wahrnehmung wird bei Nares’ Film „Street“ durch die hohe Auflösung der verwendeten Kamera noch verstärkt: Es wird nicht nur Schnelles (der Flügelschlag einer fliegenden Taube, die Mimik eines Menschen, das Flackern von Leuchtstoffröhren) sondern auch Kleines (Regentropfen, über einem Obststand kreisende Fruchtfliegen) deutlich sichtbar. Entsprechend wird die Sichtbarkeit von Details durch Zeitlupe und Bildauflösung auch in den Kritiken des Films immer wieder hervorgehoben: „With more time to see what might otherwise be missed we have […] more information to sort through“, schreibt Perez.[48] „The sense of joy that can be derived from the smallest expression, the tiniest gesture, the subtlest vibration“ bezeichnet er gar als besondere Errungenschaft des Films.[49] Auf das Gewicht, das kaum sichtbare Ereignisse durch die Zeitlupe erlangen, geht auch Vince Aletti ein: „At this languorous pace, every gesture, every fleeting expression, has emotional weight, and ephemeral moments – a trail of soap bubbles, a flicked cigarette, pigeons in flight – become dramatic events.“[50]

Unabhängig davon, welche Wirkung durch die Zeitlupe entsteht, scheint laut vielen Kritiken die bloße Tatsache, dass durch sie mehr sichtbar ist, als gewohnt, wesentlich zum Reiz des Films beizutragen. Dieses „Mehr“ an kleinen Dingen und flüchtigen Bewegungen wird als „unseen life“[51] und „[w]hat normally escapes us unnoticed“[52] bezeichnet, das durch die Möglichkeiten, die Nares sich in „Street“ zunutze macht, erstmals oder zumindest „with unprecedented detail“ sichtbar gemacht wird.[53] „In Nares’ city, everything becomes noticeable“, bringt Leon diese Erweiterung der Sinneswahrnehmung auf den Punkt[54] – und knüpft damit an Walter Benjamins Verständnis der Zeitlupe an.

Zu den ersten Eigenschaften der Reproduktionstechniken Photographie und Film, die Benjamin in seinem kanonischen Aufsatz „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ nennt, gehört, dass sie „mit Hilfe gewisser Verfahren wie der Vergrößerung oder der Zeitlupe Bilder festhalten, die sich der natürlichen Optik schlechtweg entziehen“.[55] Diese Erweiterung der natürlichen Wahrnehmung bezeichnet Benjamin als mit der „Vertiefung der Apperzeption“ durch Freuds Theorie vergleichbar, da der Film wie die Freudsche Psychoanalyse „Dinge isoliert und zugleich analysierbar gemacht [hat], die vordem unbemerkt im breiten Strom der Wahrnehmungen mitschwammen“.[56] Das „Mehr“, das erst durch den Film sichtbar wird, bezeichnet er darum analog zu Freuds Begriff als „Optisch-Unbewußte[s]“.[57] Zugrunde liegt diesem Konzept das Verständnis des Films als eine Sammlung neuer „Methoden“ zum Gewinn von Erkenntnis.[58] Da er Situationen genauer angeben und isolieren, ja geradezu „[ein Verhalten] innerhalb einer bestimmten Situation sauber – wie ein[en] Muskel an einem Körper – herauspräparier[en]“ kann, zeichnet sich der Film für Benjamin im Gegensatz zu früheren Künsten durch „größere Analysierbarkeit“ aus und befördert „die gegenseitige Durchdringung von Kunst und Wissenschaft“.[59]

Auf die Nähe, die Nares’ eindeutig als Kunst produzierter und präsentierter Film zu wissenschaftlichen Darstellungsformen aufweist, weisen auch die Kritiken von „Street“ hin, und zwar schon wenn sie bemerken, die beim Dreh verwendete Kameratechnik sei ursprünglich für wissenschaftliche Zwecke wie die Betrachtung der schnellen Flügelschläge von Insekten entwickelt worden.[60] Eine Vermischung von künstlerischem und wissenschaftlichem Wert zeigt sich beispielsweise bei Schwendener, die in ihrer Kritik die Aufnahmen von Tieren und Insekten zu den faszinierendsten Momenten des ganzen Films zählt und sich auf das von Muybridge vor der Erfindung des Films entwickelte Verfahren bezieht, einen Bewegungsablauf mithilfe mehrerer, nacheinander automatisch auslösender Photokameras aufzuzeichnen.[61] Schwendener stellt „Street“ mit diesem Hinweis erneut in den Kontext der Geschichte des frühen Films und seiner Vorläufer und deutet die Nähe des Films zum Standbild an. Da Muybridge sein Verfahren jedoch zunächst aus dem naturwissenschaftlichen Interesse heraus entwickelte, schnelle Bewegungen wie die eines galoppierenden Pferdes genau analysieren zu können, zieht sie außerdem eine deutliche Parallele zwischen „Street“ und wissenschaftlichen Verfahren. Einem anderen naturwissenschaftlichen Verfahren bedient sich Christian Viveros-Fauné, um die Wirkung von „Street“ metaphorisch zu beschreiben.[62] Sein Vergleich des Films mit der Vivisektion, einem Eingriff am lebenden Tier, bezieht den benjaminschen „wissenschaftlichen Wert“ der Zeitlupenaufnahme, ein Verhalten festzuhalten und zu isolieren, dabei nicht nur auf die in „Street“ gefilmten Tiere, sondern vor allem die menschliche „fauna“ der New Yorker, denen sich der Film in ihrer ganzen Vielfalt widmet.[63]

Die Verwendung des Begriffs der Wissenschaftlichkeit in Bezug auf Nares’ Film impliziert, dass die Autorinnen und Autoren der Texte trotz der deutlich sichtbaren Bearbeitung der Filmbilder von ihrer Fähigkeit ausgehen, auf eine vorfilmische Wirklichkeit zu verweisen. Diese Annahme eines quasi-dokumentarischen Realitätsbezugs von „Street“ spricht auch aus seiner Konzeption als historisches Artefakt, die in den Kritiken fast durchweg eröffnet wird: J. Hoberman beispielsweise bezeichnet „Street“ als „relic“[64], Chang als „video artifact“[65] und Viveros-Fauné als „time capsule“.[66] Dieses Verständnis des Werks wurde durch seine Präsentation in einer vielbesprochenen Einzelausstellung im Metropolitan Museum und durch ein Zitat des Künstlers in der Ankündigung dieser Ausstellung bereits nahegelegt: „My intention was to give the dreamlike impression of floating through a city full of people frozen in time, caught Pompeii-like, at a particular moment of thought, expression or activity… a film to be viewed 100 years from now“.[67] Einige Kritiker haben dieses Zitat aufgenommen,[68] weiterentwickelt und dabei immer wieder den Zusammenhang zum Ausstellungskontext im Museum betont. Das Metropolitan Museum stellte „Street“ mit einer Begleitausstellung aus, die der Künstler Nares selbst kuratiert hatte.[69] Dazu versammelte er in den an den Vorführungsraum seines Films anschließenden Räumen circa 80 Objekte aus der Sammlung des Museums. Bei den Exponaten handelte es sich um Kunstwerke aus mehreren Jahrtausenden – von altägyptischer Kunst bis zur Photographie des 20. Jahrhunderts –, die Nares’ Werk in verschiedenen Aspekten nahestanden. So zeigte Nares beispielsweise gezeichnete Studien von Gesichtern, als Fragmente erhaltene Hände und Füße antiker Skulpturen, ein ägyptisches Relief mit seitlicher Ansicht sowie eine Bewegungsstudie aus der Zeit der frühen Photographie. Den größten Teil der Objekte stellten jedoch Gemälde und Photografien aller Epochen, auf denen Straßenszenen und Passanten zu sehen waren.

Chang analysiert die Funktion der Begleitausstellung analog zum Zitat des Künstlers folgendermaßen: „The objects heighten the sense of the video’s place within a historical continuum and draw attention to the way in which art embodies zeitgeist’s past“.[70] Kunst wird so als ein Mittel verstanden, mit dem, Leon zufolge, in einem „dialogue with the future“ zukünftige Generationen Aufschluss über die Vergangenheit erlangen können, die Gegenwart aber auch zur Reflexion darüber angeregt werden kann „how contemporary public life in New York City may be perceived across time“.[71] Auffallend an diesem Verständnis ist zunächst, dass dem Kunstwerk eine bestimmte gesellschaftliche Funktion zugeschrieben wird, und dass diese darüber hinaus im Film „Street“, wie auch den anderen Exponaten der Ausstellung, ohne Unterscheidung ihrer Medien rein an der Ebene des Bildinhaltes gesucht wird.[72]

An vielen Stellen wird die Erscheinung von „Street“ als historisches Artefakt jedoch auch auf der ästhetischen Ebene und unabhängig von der formulierten Absicht des Künstlers begründet. So leitet Ken Johnson den Eindruck, bei „Street“ habe man es mit einem für die Ewigkeit festgehaltenen Moment zu tun, aus der Wirkung der Zeitlupe und der seitlichen Bewegung her: „The camera moves at a steady pace from right to left or left to right, but its subjects – men, women and children of many ages, colors and occupations – proceed so slowly that at moments it seems as if they were frozen in time“.[73] Ähnlich formuliert es Viveros-Fauné, der dem Einfrieren der Zeit noch den Aspekt der Konservierung wie in einem eiszeitlichen Gletscher hinzufügt.[74] Als „(almost) frozen forever in time“ bezeichnet auch Chang die Menschen in „Street“, wobei er in Anlehnung an Nares’ Anspielung auf den Vulkanausbruch von Pompeji für den Moment der Erstarrung die Apokalypse imaginiert.[75] Das von Chang in Klammern gesetzte „almost“, das den Zustand der Erstarrung als beinahe, aber nicht vollkommen erreicht kennzeichnet, ist dabei von zentraler Bedeutung. Die Aufmerksamkeit, die der fast völligen Regungslosigkeit der Subjekte in der extremen Zeitlupe von „Street“ geschenkt wird, mag auf den ersten Blick unberechtigt erscheinen, wenn man bedenkt, dass jede Photographie diesen Zustand auf viel vollkommenere Weise erreicht. Es ist jedoch gerade diese annähernde Regungslosigkeit innerhalb des auf Bewegung basierenden Mediums Film, die den Akt des Stillstellens in den Fokus der Betrachter drängt.

Die Illusion von Plastizität

Der im letzten Kapitel eingeführte Vergleich der Ansicht einer Stadt in James Nares’ Film mit der bei einem Vulkanausbruch in Lava eingeschlossenen und so über ein Jahrtausend konservierten Stadt Pompeji ist in einer Hinsicht besonders bemerkenswert: Im Rahmen dieses Vergleichs werden zweidimensionale, bewegte Bilder mit dreidimensionalen, statischen Körpern gleichgesetzt. Der Vergleich erscheint auf den ersten Blick umso schräger, wenn Chang konstatiert, dieser Effekt würde allein durch die Zeitlupe erreicht: „[„Street“] takes as its subject the quotidian bustle of Manhattan de-accelerated to such a degree that pedestrians become practically sculptural“.[76] Auch hier stellt sich im Vergleich mit der Photographie die Frage, warum Nares’ sich immerhin noch in Zeitlupe bewegende Bilder mit Skulpturen assoziiert werden, während dies bei vollkommen statischen Photographien in der Regel nicht der Fall ist. Der Grund dafür liegt abermals gerade in der Bewegung: Während eine Photographie jeweils nur einen Blickpunkt auf das abgebildete Objekt bietet, befinden sich in „Street“ sowohl die gefilmten Menschen, als auch die den Blick stiftende Kamera ständig in Bewegung. Der Blick des Zuschauers auf diese Personen konstituiert sich dadurch immer wieder neu und wandert, da sich Menschen und Kamera im Raum zueinander bewegen, auch um sie herum. Weil die Bewegung der Kamera verhältnismäßig schneller ist als die der Menschen, entsteht der Eindruck der Betrachtung eines statischen, plastischen Objekts im Raum. Auch dieser Effekt wird noch verstärkt durch die hohe Auflösung der Bilder, durch welche die Haptik der umkreisten Objekte scheinbar sichtbar wird.

Es zeigt sich also, dass sowohl die besondere Tiefenwirkung, als auch die Illusion von Plastizität, welche die Wirkung von „Street“ auszeichnen, aus dem Zusammenspiel der drei wesentlichen Gestaltungsmerkmale des Films entstehen. Mit seinem spezifischen technischen Dispositiv kann „Street“ also auf ähnliche Weise ein „neues Sehen“ darstellen wie der von Schivelbusch beschriebene „panoramatische Blick“ des Eisenbahnreisenden, wobei in der Untersuchung von „Street“ die Komplexität der Zusammenhänge von Auslösern auf der Ebene der Technik und Effekten auf ästhetischer Ebene deutlich wird. Indem „Street“ eine durch Technik ermöglichte neue Art der Wahrnehmung manifestiert, gibt der Film jedoch zugleich auch Aufschluss über die Funktionsweisen der natürlichen Wahrnehmung. Wenn in diesem Film Mechanismen offengelegt werden, die zur Entstehung einer Illusion wie der dreidimensionalen Wirkung eines zweidimensionalen Bildes führen, gerät Wahrnehmung per se in den Fokus: „Street is“, wie Chang schreibt, „on a fundamental level, about the act of perception itself“.[77]

FU Berlin, Sommersemester 2013

[1] Weitere Vorstellungen erfolgten 2012 im Rahmen der Veranstaltung „New Work“ im New World Center in Miami und 2014 in der Alten Oper in Frankfurt am Main, außerdem im Rahmen von mehreren Einzel- und Gruppenausstellungen in US-amerikanischen Kunstmuseen, darunter dem Metropolitan Museum of Art in New York City. Siehe jamesnares.com. http://jamesnares.com/index.cfm/biography/ (besucht am 9.01.2014). „Street“ wurde 2014 auf dem Sundance Film Festival in Park City gezeigt (siehe Sundance.org. http://filmguide.sundance.org/film/14070/street (besucht am 14.02.2014)) und wird, wie James Nares’ Gemälde und seine übrigen Werke, in einer Auflage von sechs Stück über die Paul Kasmin Gallery in New York verkauft, siehe Paulkasmingallery.com. http://www.paulkasmingallery.com/artists/james-nares/video (besucht am 9.01.2014).

[2] paulkasmingallery.com. http://paulkasmingallery.com/artists/james-nares/videos (26.11.2015)

[3] metmuseum.org. http://metmuseum.org/exhibitions/listings/2013/street (9.01.2014)

[4] Texte, die anlässlich der Präsentation des Films auf dem Sundance Film Festival veröffentlicht wurden, konnten beim Verfassen dieser Arbeit jedoch nicht mehr berücksichtigt werden.

[5] „a high-definition Phantom Flex camera (using an Angenieux Optimo 17-80 millimeter T2.2 zoom lens, for those who need to know)“, siehe Martha Schwendener: A Galloping City Captured in Slow Motion. http://www.nytimes.com. http://www.nytimes.com/2012/08/12/nyregion/in-james-naress-street-taming-the-galloping-city.html (besucht am 1.10.2013).

[6] „a sport utility vehicle that was driven through Manhattan at 30 to 40 miles per hour“, ebd.

[7] „a week in September 2011“, siehe Joshua K. Leon: Street. http://www.brooklynrail.org. http://www.brooklynrail.org/2013/07/artseen/street (besucht am 15.02.2014).

[8] „Captured at a rate of 500 to 1,000 frames per second […] some 16 hours of footage went into the can before it was slowed down and meticulously edited to just one hour of continuous motion. If showed in real time, the video would last only three minutes.“, siehe Christian Viveros-Fauné: Taking It Slow At The Met’s Street. http://www.villagevoice.com. http://www.villagevoice.com/ 2013-03-27/art/taking-it-slow-at-the-met-s-the-street/full/ (besucht am 14.02.2014).; „[T]he work was fashioned from sixteen hours of material, recorded in six-second bursts […] this footage was slowed down by a factor of twenty so that each six-second pan was distended to two minutes“, siehe J. Hoberman: New York in Slow Motion. http://www.nybooks.com. http://www.nybooks.com/blogs/nyrblog/2013/apr/24/new-york-slow-motion/ (besucht am 1.10.2013).

[9] „[T]he razorsharp quality of the HD image required gigantic digital files that maxed out Nares’s storage after six seconds of shooting“, siehe Chris Chang: „Time Takes Time: James Nares transforms two-and-a-half minutes into an exquisite eternal present.“ In: Film Comment. July-August 2013. Vol. 49(4), S. 19.; „Captured at a rate of 500 to 1,000 frames per second and only in six second snippets (the maximum amount of time the equipment can record at such high resolution), some 16 hours of material went into the can“, siehe Christian Viveros-Fauré: Taking It Slow At The Met’s Street.

[10] „Street’s HD technology was originally designed to make things like speeding bullets or the beating of insect wings visible to the human eye“, siehe Chris Chang: „Time Takes Time.“ S. 19; „Mr. Nares used a type of high-speed camera typically trained on subjects like hummingbirds and bullets“, siehe Ken Johnson: Walking the Walk, in a Rhapsodic New York Ballett. http://www.nytimes.com. http://www.nytimes.com/2013/03/15/arts/design/street-at-the-metropolitan-museum.html?_r=0 (Besucht am 15.03.2013).

[11] Manche Kritiken stellen diese Verbindung auch ganz explizit her. So verweist Hoberman auf eine Äußerung Nares’, „the brief urban actualités produced at the turn of the last century by the Lumière brothers and Thomas Edison“ haben ihn zu seinem eigenen Werk inspiriert, siehe J. Hoberman: New York in Slow Motion. Auch Camhi nennt in einer Ausstellungsankündigung für die Vogue „early, silent newsreels“ als Inspiration für „Street“, siehe Leslie Camhi: Urban Legends: James Nares Premieres Street at the Met Museum. http://www.vogue.com. http://www.vogue.com/culture/ article/urban-legends-james-nares-premieres-street-at-the-met-museum/#1 (besucht am 15.02.2014). Auch in der Begleitausstellung zur Präsentation von „Street“ im Metropolitan Museum of Art in New York City wurde Nares’ Film neben Werke aus der Zeit des frühen Kinos gestellt.

[12] Tom Gunning: „Das Kino der Attraktionen: Der frühe Film, seine Zuschauer und die Avantgarde.“ In: Meteor 4 (1996). S. 25-34. Hier S. 29.

[13] Ebd.

[14] Ebd.

[15] Tom Gunning: „Vor dem Dokumentarfilm: Frühe non-fiction Filme und die Ästhetik der ‚Ansicht’.“ In: Kinotop 4 (1995). S. 111-121. Hier S. 114.

[16] Ebd.

[17] Ebd., S.119.

[18] Martha Schwendener: Galloping City.

[19] Annette Deeken: Reisefilme: Ästhetik und Geschichte. Remscheid: Gardez! Verlag 2004. S. 221.

[20] Ebd.

[21] Ebd., S. 221f.

[22] Ebd., S. 222f.

[23] Ebd., S. 223.

[24] Ebd.

[25] Wolfgang Schivelbusch: Geschichte der Eisenbahnreise: Zur Industrialisierung von Raum und Zeit im 19. Jahrhundert. Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag 2002. S. 53.

[26] Ebd., S. 51f.

[27] Ebd., S. 54.

[28] Ebd., S. 57.

[29] Ebd., S. 54f.

[30] Ebd., S. 61.

[31] Ebd.

[32] Ebd., S. 61f.

[33] Tom Gunning: „The Whole World Within Reach.“ In: Virtual Voyages: Cinema and Travel. Hrsg. von Jeffrey Ruof Durham: Duke University Press 2006. S. 25-41. Hier S. 37.

[34] Wie einem historischen Zitat in Schivelbuschs Text zu entnehmen ist, handelt es sich vermutlich um circa 75 Meilen pro Stunde, siehe Wolfgang Schivelbusch: Eisenbahnreise. S. 51.

[35] 30 bis 40 Meilen pro Stunde, siehe Fußnote 6.

[36] Tom Gunning: „Traveling Shots: Von der Verpflichtung des Kinos, und von Ort zu Ort zu bringen.“ In: Traveling Shots. Film als Kaleidoskop von Reiseerfahrungen. Hrsg. von Winfried Pauleit et al. Berlin: Bert+Fischer 2007. S. 16-29. Hier S. 20.

[37] Ebd., S. 21. Ein zeitgenössischer Vertreter dieses Prinzips ist das Video „Driving through New York City“, das der YouTube-Nutzer „lucacri“ am 18.5.2009 auf der Videoplattform hochgeladen hat (http://www.youtube.com/watch?v=tK9XMtlBbco). Nach einem kurzen Vorspann, in dem auf einer animierten Weltkugel ein mit „New York City“ beschrifteter Punkt aufblinkt, folgt eine in einer einzigen Einstellung aus der Frontscheibe eines Autos aufgenommene Fahrt durch das belebte Manhattan. Die Auflösung des Videos ist grob und das Bild ruckelig, da der Filmemacher die Kamera während der Fahrt in der Hand hält. Im Laufe des mit einem Popsong unterlegten Videos schwenkt er immer wieder auf Sehenswürdigkeiten am Straßenrand, am Ende des Films richtet er die Kamera schließlich auf sich selbst. Da die gesamte Fahrt im Zeitraffer gezeigt wird, erscheint „Driving through New York City“ im Vergleich mit „Street“ bei gleichem Sujet gleichsam als Umkehrung der Gestaltungsprinzipien Bewegungsrichtung, Auflösung und Geschwindigkeit.

[38] Tom Gunning: „Traveling Shots.“ S. 22 u. 25.

[39] Ebd. S. 25.

[40] Vgl. Tom Gunning: My Mind’s Eye: The Films of Ernie Gehr. http://www.smoc.net. http://smoc.net/mymindseye/naples/thefilmsof.html (besucht am 15.02.2014).

[41] „penetration“

[42] Tom Gunning: Gehr. S. 5.

[43] Ebd.

[44] „overwhelm[ed]“

[45] Ebd.

[46] Dennoch haben verschiedene Kritiker auch beim Film „Street“ eine Tendenz in Richtung Standbild wahrgenommen und ihn beispielsweise als „tableau“ bezeichnet, siehe Joshua K. Leon: Street und Christian Viveros-Fauné: Taking It Slow. Schwendener beschreibt „Street“ explizit als „somewhere between still and moving images“ (siehe Martha Schwendener: Galloping City), eine Formulierung, die sich in Jorge Alberto Perez’ Rezension für den Camera Club of New York fast im Wortlaut wiederfindet, siehe Jorge Alberto Perez: Being and Time. http://www.cameraclubny.org http://cameraclubny.org/ccny_blog/2013/04/22/being-and-time/ (besucht am 24.01.2014). Perez definiert genau diesen Zwischenraum poetisch als „where being and time collide“, siehe Jorge Alberto Perez: Being and Time. Damit ordnet er unbewegten Bildern das Vermögen zur Darstellung von Seinszuständen zu, bewegten Bildern dagegen die Fähigkeit, sich über die Zeit entwickelnde Prozesse abzubilden. Da diese beiden Darstellunsgmodi im Falle von „Street“ jedoch kollidieren, gerät die Unterscheidung von Stand- und Bewegtbild ins Wanken, sodass „Street“ die Grenze zum Medium der Photographie berührt.

[47] Tom Gunning: Gehr. S. 3.

[48] Jorge Alberto Perez: Being and Time.

[49] Ebd.

[50] Vince Aletti: Best of 2013: Vince Aletti. Artforum.com. http://artforum.com/inprint/issue=201310 (besucht am 15.02.2014).

[51] Leslie Camhi: Urban Legends.

[52] Jorge Alberto Perez: Being and Time.

[53] Joshua K. Leon: Street.

[54] Ebd.

[55] Walter Benjamin: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Drei Studien zur Kunstsoziologie. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1977. S. 12.

[56] Ebd., S. 34.

[57] Ebd., S. 36.

[58] Vgl. ebd., S. 34.

[59] Ebd. S. 35. Die Auffassung, dass die Verwendung von Zeitlupen für künstlerische wie wissenschaftliche Zwecke gleichermaßen geeignet wäre, vertritt schon der von Benjamin zitierte Rudolf Arnheim (Rudolf Arnheim: Film als Kunst. Frankfurt am Main: Suhrkamp 2002. S. 118). Ganz ähnlich äußert sich später auch Siegfried Kracauer, der gerade die Straße als Ort hervorhebt, an dem sich „die filmenswerten kurzlebigen Bestandteile […] unserer Umwelt finden, denen sich die Kamera […] zuwenden“ sollte (Siegfried Kracauer: Theorie des Films. Die Errettung der äußeren Wirklichkeit. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1964. S. 85). Wenn man bedenkt, dass sich auch das Kunstwerk „Street“ gerade diesen von Kracauer angesprochenen, im Grenzbereich von Kunst und Wissenschaft liegenden, Sujets widmet, scheint sich mit Benjamin gesprochen auch bei seinem Erscheinungsbild kaum noch bestimmen zu lassen, wodurch es stärker fesselt: durch seinen artistischen Wert oder durch seine wissenschaftliche Verwertbarkeit (Benjamin: Das Kunstwerk. S. 35).

[60] „Street’s HD technology was originally designed to make things like speeding bullets or the beating of insect wings visible to the human eye.“, siehe Chris Chang: „Time Takes Time.“ S. 19.

[61] „Watching a pigeon fly by in 3-D slow motion takes you back to the photographic experiments of Eadward Muybridge, who captured ‘animal locomotion’“, siehe Martha Schwendener: Galloping City

[62] „HD film captures New Yorkers gliding past sidewalks, stoops and storefronts like asphalt jungle hummingsbirds that have been slowed, flattened, and isolated with a vivisectionist’s precision“, siehe Christian Viveros-Fauné: Taking It Slow.

[63] Ebd.

[64] J. Hoberman: New York in Slow Motion.

[65] Chris Chang: „Time Takes Time.“ S. 19.

[66] Christian Viveros-Fauné: Taking It Slow.

[67] Metmuseum.org.

[68] Es ist zu finden in den Kritiken von Leon, Viveros-Fauné, Chang und Hoberman.

[69] Metmuseum.org.

[70] Chris Chang: „Time Takes Time.“ S. 19.

[71] Joshua K. Leon: Street.

[72] Mit Benjamin gedacht wird dieses Verständnis eines Films als aufschlussreiches Dokument seiner Zeit problematisch. Als die vielleicht wesentlichste Unterscheidung zwischen Kunstwerken vor und im Zeitalter ihrer Reproduzierbarkeit nimmt er den Verlust der „Echtheit“ durch die Reproduktion an, mit der auch „die geschichtliche Zeugenschaft der Sache ins Wanken [gerät]“, siehe Walter Benjamin: Das Kunstwerk. S. 13. Zwar schreibt Benjamin Photographien stattdessen die anders definierte Rolle als „Beweisstücke im historischen Prozess“ zu, siehe Walter Benjamin: Das Kunstwerk. S. 21. Dennoch ließen sich nach seinem Verständnis Filme und historische Artefakte, wie sie zum Teil in der Begleitausstellung zu „Street“ im Metropolitan Museum zu sehen waren, nicht miteinander vergleichen.

[73] Ken Johnson: Walking the Walk.

[74] „Paced hypnotically, Nares’s glacial subjects render the smallest human gestures breathtakingly theatrical. One woman, who performs the mother of all eyerolls, is immortalized as the Meryl Streep of meh“, Christian Viveros-Fauné: Taking It Slow.

[75] Chris Chang: „Time Takes Time.“ S. 19.

[76] Ebd. In eine ähnliche Richtung weisen auch die Beschreibungen des Films als monumental (vgl. Chris Chang: „Time Takes Time.“ S. 19; J. Hoberman: New York in Slow Motion; Leslie Camhi: Urban Legends) und „frieze-like“ (siehe Christian Viveros-Fauné: Taking It Slow).

[77] Chris Chang: „Time Takes Time.“ S. 19.